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Ein Beitrag zum Kurzgeschichtenwettbewerb "Im Frisiersalon"
Die Silikonfalle
Eine Kurzgeschichte von Edith Handelsmann
Neulich hatte ich seit langem mal wieder das dringende Bedürfnis, meiner Seele etwas gutes zu tun. Da ich mir einen Psychiater nicht leisten kann und mag, ging ich zum Friseur. Dass das aber nicht unbedingt auf Anhieb den gewünschten Erfolg zeigt, mag die folgende Geschichte erzählen.
Ich also mit dem Wunsch nach einer äußeren Generalüberholung setze mich mit zwei Bitten auf den Stuhl im Friseursalon: Zum einen möglichst eine leichte Dauerwelle zu bekommen, damit zum zweiten die unerwünschte "08/15 Krause" nicht auf meinem Kopf landet. Die Dame hantiert also mit den größten Wicklern, die sie im Laden finden kann und macht sich ans Werk. Am Schluss verabreicht sie mir noch eine wohltuende Kopfmassage und eroberte damit mein Herz im Sturm. Schwebend verlasse ich das Geschäft und fühle
mich richtig wohl. Mit der neugewonnen Frisur werde ich auch wohlwollend wieder im Schoße meiner Familie aufgenommen. Bis dahin war alles in Ordnung.
Die Wochen verstreichen ... genau genommen exakt drei Wochen. An einem Morgen stehe ich vor dem Spiegel und betrachte mein Haupthaar. Irgendetwas ist befremdliches damit geschehen. Wo sich vor wenigen Tagen noch reizende Locken tummelten, herrschte plötzlich schlaffe Flaute. Vorsichtig zog ich am unteren Ende einer dünnen Haarsträhne und stelle entsetzt fest, dass ebenso wenig Spannkraft wie Glanz im Haar ist. Zutiefst erschüttert band ich die Haare zusammen und suchte die Gesellschaft von Menschen auf, von denen
ich mir Trost erwartete. Den bekam ich auch prompt in Form der Aussage: "Also mal ehrlich, das würde ich aber reklamieren!" Reklamieren ... ICH???????? Das hasse ich wie die Pest. Davor habe ich richtig Angst, kann mir aber gerade noch so eben die Bitte um Reklamations-Gesellschaft verkneifen. Gern hätte ich auch einen Weinbrand zu mir genommen, um den nötigen Mut zu fassen. Das unterließ ich dann aber doch, war ja erst Vormittag. Und eine Alkoholfahne machte die Sache wohl auch nicht besser.
Mit rasendem Herzklopfen suche ich also wieder den Friseur auf. Die Friseurin ist nicht da und außer der Tatsache, dass sie wunderbar massieren kann, kann ich auch nichts dazu besteuern, um sie zu identifizieren. Ich war drauf und dran zu sagen, dass ja alles nicht so schlimm ist ... schließlich wollte ich ja eine leichte Dauerwelle ... als mir einfiel, dass so leicht auch wieder Mist ist und ich immerhin 75 Euro dafür bezahlt habe. Mein Blick und mein hilfloser Gesichtsausdruck veranlasste die Salonangestellte
dazu, mich zu einem Stuhl zu befördern und die Sache genau unter die Lupe zu nehmen. "Tja", sagt sie, "also von Dauerwelle ist hier wirklich nichts mehr zu sehen!" Ich fühlte mich verstanden und gewann etwas von meinem Selbstbewusstsein zurück. Nachdem wir geklärt hatten, welche Wickler besser geeignet sind und dass mein Haar schon etwas mehr Lockenunterstützung bräuchte, versank ich rückwärts im Waschbecken.
"Welches Shampoo haben Sie denn benutzt?" Naiv wie ich manchmal sein kann, beantwortete ich die Frage spontan und wahrheitsgetreu. "WAS?" Ihre Stimme bebte vor Entsetzen und ich schluckte trocken. "Da ist Silikon drin, das zieht voll die Locken wieder raus!" Silikon? Wie jetzt? Silikon gehört in den Busen von Schönheits-besessenen Frauen und als Dichtungsmasse ins Spülbecken - was hat also Silikon in meinem Shampoo zu suchen? Auch ich zeigte mich betroffen, fühlte mich aber einmal
mehr als Versager, weil ausgerechnet ich mal wieder etwas völlig falsches gekauft hatte und so blöd bin, solche überlebenswichtigen Dinge nicht zu wissen. Umgehend erhielt ich Aufklärung darüber, was gut ist für das Haar - und ganz besonders für meines, da es nicht gerade mit Schönheit gesegnet ist - und überhaupt.
Während die Belehrung in Sachen Haar weitergeht, bekomme ich kleinere Wickler gewickelt und unterdrücke dabei winzige Schmerzensschreie ... schließlich will ich nicht auch noch als Memme aus dem Laden stolpern. Sie ist fertig ... ich übrigens auch. Der Blick in den Spiegel erheitert mein angeschlagenes Seelenkostüm wieder ein wenig, denn die straffe Wicklung auf dem Kopf bewirkt ein vorübergehendes Gesichtslifting und lässt mich um bestimmt zwei Jahre jünger aussehen. Schon bin ich gedanklich dabei, ein Patent
auf die Methode zu erheben, als es von oben stinkt. Hoffentlich fällt mir nicht alles aus, schließlich hatte ich das erst drei Wochen vorher schon einmal durchgemacht - fuhr es mir durch den Kopf. Keine Zeit zum Nachdenken: Kaffee, Zeitung, Aschenbecher ... ab unter die Haube. Waschen - schäumen - wieder waschen - Packung (dieses mal leider ohne Massage) - ausspülen - fertig!
WOW ... im Spiegel sah ich einen Rauscheengel mit Schillerlocken der feinsten Art. Ohne Make-Up ... also etwas blass . und mit verschmierter Wimperntusche blickte das eigentümliche Wesen direkt zu mir herüber. Die Friseurin zupfte noch ein wenig an der Frisur herum, schob von hinten was nach vorn und von unten nach oben, aber sie war sichtlich zufrieden mit ihrem Werk. Ich übrigens auch. Selbst wenn ich es nicht gewesen wäre, ich hätte mir eher die Zunge abgebissen, als etwas zu sagen. Schließlich hatte ich schon
einmal reklamiert. Wieder schwebte ich förmlich aus dem Haus, aber nicht, ohne vorher ein schweineteures Shampoo ohne Silikon zu kaufen.
Schließlich hatte ich viel gelernt, während meines dreistündigen Aufenthaltes im Salon: Sei nicht so blöd und glaub alles was die Werbung verspricht und benutze Silikon niemals am lebenden Körper, sondern doch eher als Dichtungsmasse in Feuchträumen!
Eingereicht am 19. November 2003.
Herzlichen Dank an die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autoin.