Abenteuer im Frisiersalon. Kurzgeschichten aus dem Internet. Edition www.online-roman.de  Dr. Ronald Henss Verlag, Saarbrücken.  160 Seiten 10 Euro ISBN 3-9809336-0-1
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Ein Beitrag zum Kurzgeschichtenwettbewerb "Im Frisiersalon"

Und auf einmal war ich brünett

Eine Kurzgeschichte von Alicia Morgenstern


Nun hatte ich den Friseur-Salon betreten. Hier wollte ich mir die Haare braun färben und mein Leben als Blondine nun endgültig beenden. Wollte ich das wirklich? Noch konnte ich flüchten. "Was kann ich für sie tun?", fragte mich eine junge Friseuse. Ach nein, es hieß ja jetzt nicht mehr Friseuse sondern "Friseurin". Darauf legten die Friseusen ja jetzt wert. "Ich möchte mir die Haare braun färben lassen und einen neuen Haarschnitt für mehr Volumen...", antwortete ich. Ich konnte es kaum glauben. Ich hatte doch wirklich die alles verändernden Worte ausgesprochen. "Da müssen Sie noch einen Moment warten. Bitte nehmen Sie doch solange hier Platz." Sie deutete auf den freien Friseur-Stuhl fünf Meter vor mir.
Würden sich außer meinem äußeren Erscheinungsbild noch andere Dinge verändern, wenn ich nun auf einmal nicht mehr blond sondern brünett bin? Okay, um eins klar zu stellen: Ich hatte mich schon selbst zu dieser Typ-Veränderung entschlossen. Nicht, dass ihr denkt, jemand hätte mich dazu gezwungen, indem er mir eine Pistole an die Schläfe gehalten und mich so zu dem Friseur-Salon geschleppt hätte.
Ich konnte ja selber dieses Blond nicht mehr sehen. Irgendwann hätte ich sie mir sowieso anders gefärbt. Es wäre bloß noch eine Frage der Zeit gewesen und diesen Moment hatte ich für einen besonders guten Zeitpunkt gehalten.
In jeder Mode-Zeitschrift sprangen mir die Pros für Brünett und Contras für Blond ins Auge: Blond ist dieses Frühjahr out - werden sie zu einer Brünette oder Schluss mit den Blondinenwitzen oder Immer mehr Hollywood-Stars werden brünett. Na gut, zwischen einem Hollywood-Star und mir gab es ja auch nur "graduelle" Unterschiede. So viel zu meinem übermäßigem Selbstbewusstsein...
Außerdem war nun im Frühjahr die beste Zeit für eine Typ-Veränderung und auch mein Horoskop riet mir: "Nun ist Zeit für Veränderungen; Machen Sie Diät. Färben Sie sich die Haare. Egal, was sie machen - es wird nur ihrer Seele gut tun. Sie werden zu einem völlig neuen Menschen." Dass ich zu einem völlig neuen Menschen werde, wird mir vielleicht ganz gut tun.
Nun trat er ein: Der alles-verändernde Moment. Die Friseuse, Entschuldigung, Friseurin, die alles in der Hand hatte, stand hinter mir. Sie war um die vierzig und musste wahrscheinlich schon Erfahrung damit haben. Irgendwie bewirkte das bei mir Vertrauen. "Sie wollen sich also die Haare brünett färben lassen?" - "Genau!" - "In welchem Ton darf es denn sein?" - "Ich weiß es nicht so genau. Wozu würden Sie mir denn raten?" - "Also, ich denke aubergine-braun würde Ihnen am ehesten stehen. Schließlich sind Sie ja ein heller Typ. Und außerdem würde dieser exzentrische Ton ihre blauen Augen aufleuchten lassen." - "Ja, dann lass ich mir die Haare am besten in diesem Ton färben." - "Einen Moment müssen Sie noch kurz warten." Und schon war sie weg. Dies war also die letzte Gelegenheit, aufzustehen und wegzurennen - mitsamt Umhang. Danach gäbe es kein Zurück mehr. Aber ich hatte mich dazu entschlossen und blieb sitzen.
Zwei Minuten später kam sie auch schon mit dieser Schüssel voll Farbe zurück. Nun war es letztendlich soweit. Mein neues Leben als Brünette würde beginnen. Und während die Friseurin (ha, diesmal hatte ich es gleich richtig ausgesprochen!) die Farbe in meinem goldenen Haar verteilte, dachte ich noch einmal über die Reaktionen meiner Freunde zu diesem Entschluss nach: Melanie, selbst brünett mit Blond-Komplex, war natürlich sofort begeistert, als ich es ihr erzählte. Katharina war irritiert, hatte sie mir doch erst vor kurzem das "Blond-Buch" ausgeliehen, das doch jede Blondine, die das liest, über ihre eigene Haarfarbe stolz werden ließ. So was sei ihr ja das erste Mal passiert! Christina, riet mir auch dazu, brünett zu werden. Sie war selbst blond und nicht mehr zufrieden mit ihrer Haarfarbe.
Mittlerweile saß ich unter Haube, also unter der Trockenhaube. Nicht, dass ihr denkt, ich sei schon verheiratet. Blond fällt ja auf jeden Fall mehr auf. Deswegen hatte ich mir es erst schwer überlegt, schließlich bin ich doch eher der flippige Typ. Außerdem stehen ja scheinbar die meisten Typen mehr auf Blondinen und, wie ich die Erfahrung gemacht hatte, hatte ich nicht wenige Verehrer. Andererseits: "Blondinen werden bevorzugt, Brünette geheiratet." An dem Spruch musste was dran sein, an jedem Spruch ist doch ein Fünkchen Wahrheit. Ach nein, das galt doch für die Gerüchte! ABER der Vorteil von braunen Haaren war eindeutig, dass diese Haarfarbe warm war und dem Teint schmeichelte. Sie brachte einfach das Gesicht besser zur Geltung. Außerdem machte diese Farbe einen geheimnisvoll und schließlich war doch Geheimnis mein zweiter Vorname!!!
Nun langsam wurde es doch ziemlich heiß. Wenn die Friseurin jetzt nicht bald kommen würde, müsste ich laut schreien. Aber, als ob sie meine Gedanken hören konnte, kam sie auch sogleich. Nun waren die Haare also trocken und ich sah mich letztendlich im Spiegel. "Oh mein Gott, das bin ja ich!", rief ich. Vor mir saß ein völlig neuer Mensch. "Sind Sie unzufrieden?", fragte die Friseurin irritiert. "Nein, nein. Ich bin begeistert. Es ist nur so..." - "Ungewohnt? Ich versichere ihnen, Sie sehen ganz wunderbar damit aus." Ich musste ihr sogar recht geben, ich sah WIRKLICH gut aus. Ich hatte in bisschen was von ...die Sängerin von Die Happy! Und als ich den Friseur-Salon verließ, freute ich mich auf mein neues Leben als geheimnisvolle Dunkelhaarige, die den Männern den Kopf verdrehen würde...

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Eingereicht am 14. Oktober 2003.
Herzlichen Dank an die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin.