Abenteuer im Frisiersalon. Kurzgeschichten aus dem Internet. Edition www.online-roman.de  Dr. Ronald Henss Verlag, Saarbrücken.  160 Seiten 10 Euro ISBN 3-9809336-0-1
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Ein Beitrag zum Kurzgeschichtenwettbewerb "Im Frisiersalon"

Der Frisörladen des Herrn Bischof

Eine Kurzgeschichte von Bewerber


Wie unentdeckt von der Zeit, unberührt von jeglichem Schicksal das eine Veränderung gleich welcher Art verlangen würde, stand er da - der kleine Frisörladen von Herrn Bischof. Mit etwa 9 ging ich zum ersten Mal dorthin. Sah die schönen alten Möbel die schon damals altertümlich anmutende Kassa und einen freundlichen alten Mann der immer ein Lächeln für mich übrig zu haben schien. So etwa alle 6 Wochen ging ich dort hin. Nichts änderte sich, über all die Jahre, bis es wohl schon fast 25 an der Zahl waren. Immer ging ich in diesen kleinen, manchmal gespenstisch anmutenden Frisörladen, immer wurde ich von diesem freundlichen Herrn, der zwar alt war aber nie weiter zu altern schien, mit einem Lächeln begrüßt. Und immer war ich der einzige Kunde. Nicht von Anfang an, aber schon sehr lange wollte ich ihn immer direkt danach fragen warum dies so war. Ich ging also dort hin, mit der festen Absicht danach zu fragen und vergaß es dann wieder - immer wieder. Dann nahm ich mir vor niemals wieder dorthin zu gehen und ging doch immer wieder hin. Irgendetwas zog mich dorthin, nahm mir den freien Willen zu entscheiden - ich musste dorthin. Das kann einem Angst machen. Angst die Kontrolle und Herrschaft über seiner Selbst zu verlieren. Dann war ich dort und es war als würde es so etwas wie Angst nicht geben. Der freundliche Herr empfing mich, dann wusch er mir die Haare, danach schnitt er mir sie mit einer unglaublichen Sorgsamkeit und Konzentration als ginge es um mehr als nur ums Haare schneiden. Er war nie so geschwätzig wie so viele seiner Zunft so als würde er wissen, dass ich nicht sehr viel für geschwätzige Leute übrig hatte. Ein wenig sprach er aber immer mit mir und unterhielt sich dabei über scheinbar belanglose Dinge, aber auch dies tat er in einer ganz besonderen Art und Weise.
Wenn ich jetzt so zurückblicke ist es seltsam. Ich fühle mich als wäre ich eine Marionette an einer Schnur - seiner Schnur, gewesen. Er war es der mich damals ermunterte einen kaufmännischen Beruf zu ergreifen. Er war es der mich immer auf Ideen brachte. Mein, nun mehr nicht unbeträchtliches Vermögen, entstand so nach und nach. Immer wenn ich etwas wichtiges zu entscheiden hatte, war er in meinem Kopf. Er hatte irgendwann mal etwas gesagt an das ich mich erinnerte wenn es gut für mich war mich daran zu erinnern. Ich kaufte Grund und Boden als er noch billig war und für viele wertlos schien. Ich verkaufte ihn wieder als er durch unverhoffte Umwidmung in Baugrund enorme Gewinne abwarf. Er war es der mich immer wieder ermunterte mich weiter zu bilden und zu lernen.
Ich glaube es wäre mir nicht möglich darüber zu schreiben, hätte sich nicht eines Tages doch noch etwas geändert. Ich ging also wieder in diesen Laden, diesmal aber ohne dieses altbekannte Gefühl der Zufriedenheit und des Vergessens zu erfahren. Und der Herr Bischof war auch alles andere als freundlich. Er wusch und schnitt mir die Haare in gewohnter Perfektion, doch hatte er kein freundliches Wort mehr für mich übrig. Er schien geradezu gehetzt zu sein, so als hätte er nach all diesen Jahren seine Zeit aufgebraucht und wolle mir nur noch eines, aber etwas entscheidendes, mitteilen. Er hieß mich arrogant, herablassend, selbstgefällig und vieles mehr und ich ließ es mir gefallen, denn in keinem Moment dieses seltsamen Gespräches hatte ich das Gefühl er würde es nicht gut mit mir meinen. Meine Scheu davor neue Menschen kennen zu lernen solle ich ablegen - meinte er. Neuen Dingen gegenüber aufgeschlossener sein. Mir wurde klar, dass ich eigentlich niemals irgendetwas aus diesem Laden mitnahm, kein Wechselgeld, keine Visitenkarte, nichts. In diesem Moment gab er mir eine Visitenkarte, nicht die seine und er sagte auch nichts weiter dazu. Ich steckte sie ein und versuchte die Gelegenheit wahrzunehmen, mich an alles wieder erinnern zu können, um ihm diese für mich so wichtige Fragen zu stellen: warum, weshalb ich, wer bist du? Er lächelte mit einem etwas verzweifelt scheinenden Gesichtausdruck. Das war das letzte Mal, dass ich mit ihm sprach.
Zwei Wochen später fand ich wie durch Zufall diese Visitenkarte. Es war die Karte einer Frau die sich vor kurzem und wie ich später erfuhr unter Aufbringung ihrer letzten nervlichen und finanziellen Ressourcen, mit einer kleinen Werbeagentur selbständig machte. Meine Geschäfte ließen es zu, zu expandieren. Ich war erfolgreich als Makler tätig, aber auch an einigen kleinen Unternehmungen beteiligt. Von selbst wäre ich wohl nie auf die Idee gekommen die Hilfe einer Werbeagentur zu beanspruchen, aber andererseits gefiel mir die Idee. So lernte ich in den darauffolgenden Tagen und Monaten eine sehr hübsche aber auch sehr zurückhaltende junge Dame kennen. Ihre Arbeit war hervorragend und ihre Art bezaubernd. Doch konnte ich lange Zeit nicht das geringste Zeichen erkennen das darauf hätte schließen lassen, ich würde ihr ebenso gefallen. So blieb ich, wie es nun mal meine Art ist, auch eher zurückhaltend und kühl. Erinnerte mich aber immer wieder an die Worte des alten Mannes der mich anwies offener und aufgeschlossener zu sein. Ich versuchte herauszufinden wer sie wirklich war. Ich meine was sie mochte, was sie bewegte und auch was sie verletzte - um zu vermeiden einen Fehler zu machen. Der Zufall half bei meinem so aussichtslos scheinenden Versuch ihr Herz zu gewinnen. Unser Erfolg war über alle Maßen erstaunlich. Er zwang uns mehr Zeit miteinander zu verbringen, schweißte uns zusammen. Oft versuchte ich ihr zu erklären was wir zu zweit alles zu bewegen vermochten, mehr als es ein einzelner von uns je könnte. Auch wenn sie anfänglich dafür kein Ohr zu haben schien, mit der Zeit fing sie an mich zu mögen. Sie erzählte mir später, dass sie mich anfangs für einen arroganten, selbstgefälligen und unaufgeschlossenen Menschen hielt. Erst später fing sie an die Dinge anders zu sehen - sich in mich zu verlieben. Eine große Liebe, mit vier Kindern als Ergebnis, war die Folge. Diese Liebe hielt bis heute und ich bin der tiefsten Überzeugung sie wird ewig halten.
Eins noch: als ich später nach dieser Visitenkarte, meinem einzigen kleinen Beweis suchte, fand ich einen kleinen, alten, vergilbten und unleserlichen Zettel. Ich schmiss ihn voller Enttäuschung in den, in ihrer Wohnung stehenden, Papierkübel. Dieser stand unter einem Tisch. Und auf diesem stand ein altes Foto mit einem wunderschönen altem Bilderrahmen. Aus dem Bild sah mir ein alter Mann mit warmen Blick und unverwechselbarem Lächeln entgegen - mein Herr Bischof. Es war der vor 25 Jahren verstorbene Großvater meiner jetzigen Frau.

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Eingereicht am 13. Oktober 2003.
Herzlichen Dank an den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.