Abenteuer im Frisiersalon. Kurzgeschichten aus dem Internet. Edition www.online-roman.de  Dr. Ronald Henss Verlag, Saarbrücken.  160 Seiten 10 Euro ISBN 3-9809336-0-1
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Ein Beitrag zum Kurzgeschichtenwettbewerb "Im Frisiersalon"

Der philosophische Friseur

Eine Kurzgeschichte von Eaglebert


Philosophie! Jawohl - Philosophie das war seine eigentliche Berufung.
Häufig dachte er darüber nach, dass zwischen seiner Berufung als Philosoph und seinem Beruf als Friseur doch eine gewisse Diskrepanz bestand. Seine anfänglichen Versuche als Philosoph tätig zu werden, hatten ihm leider außer einigen Erkältungen wenig eingebracht. Diese hatte er von seinen Reden auf öffentlichen Plätzen, wo die Zahl der Viren und Bakterien die Zahl seiner Zuhörer bedeutend übertraf. Einzig seine Frisur erfüllte noch ab und an seinen Anspruch an einen Philosophen. Allerdings wurde er gelegentlich von Freunden und freundlichen Kunden darauf hingewiesen, dass sie als Aushängeschild eines Friseursalons nur bedingt tauglich war.
Seit Jahren war er dabei, die zweifelsohne vorhandenen Parallelen zwischen seinem Beruf und seiner Berufung heraus zu arbeiten. Er konzentrierte sich dabei auf die Symbolik. Haarwachstum und Haarschnitt als Symbol der Vergänglichkeit allen Seins. Seine bedeutendste Erkenntnis der ersten vier Jahre: Gefärbte Haare als Symbol der Verwandlung. Eine seltsam aussehende Rothaarige kommt zu ihm, durchläuft eine Metamorphose und verlässt als seltsam aussehende Schwarzhaarige seinen Salon. Eine Verwandlung wie bei einem Schmetterling, nur nicht so erfolgreich. Viel weiter war er in den acht Jahren seiner Tätigkeit allerdings noch nicht gekommen.
Er versuchte darüber hinaus aber auch stets, Gespräche mit seinen Kunden zu führen, die weit über dem Standard anderer Friseure lagen. Seinen Anspruch an sich legte er sehr hoch und er versuchte stets, philosophische Bezüge zu finden. Sein Lieblingssatz zu seinen Kunden war: "Bei mir passiert das Gleiche bei Kafka in "Die Verwandlung" nur andersherum". Nicht alle seine Kunden fanden diesen Spruch aber wirklich komisch. Denn viele seiner Haarschnitte wurden von Leuten, die seine wahre Profession kannten, auch als Symbol der Ausweglosigkeit allen menschlichen Daseins bezeichnet.
Er wenig fühlte sich sogar von Gott berufen. Er hatte festgestellt, dass der Herr ab einem bestimmten Alter weder Finger noch Arme, Beine oder Füße wachsen ließ, aber die Haare wuchsen munter weiter. Da musste ein tieferer Sinn verborgen sein. Da er weder in der kirchlichen noch in der philosophischen Literatur Hinweise auf diese bedeutende Erkenntnis fand, versuchte er sie selbst wissenschaftlich aufzuarbeiten. Für sein Werk "Gott liebt Haare mehr als Hände und Füße" fand er allerdings keinen Verleger, was ihn in tiefe Depressionen stürzte.
Er konzentrierte er sich von da an verstärkt auf seinen Versuch seinen geplanten Selbstmord mit einem philosophischen Verweis spektakulär zu gestalten. Sokrates' Giftbecher kannten zwar viele, er erschien ihm aber zu wenig Aufsehen erregend. Empedokles war zwar unbekannter, dessen Sprung in den Krater des Ätna fand er dafür bedeutend inspirierender. Sein aktueller Traum bestand darin, sich nackt und mit Haarwuchsmittel überschüttet vom Eiffelturm zu stürzen und als Wollknäuel aufzuschlagen. Trotz des Einsatzes diverser Mittel bereitete ihm die Geschwindigkeit seines Haarwuchses allerdings immer noch Probleme. Doch dann sollte es ganz anders kommen.
In seinem Friseursalon lief im Radio stets Politik, Kultur oder ein anderes für Friseure eher unübliches Programm, was übrigens von seiner Laufkundschaft durchaus ab und zu mit Befremden aufgenommen wurde. An jenem denkwürdigen Tag sagte Wolfram - der Sponti - Surbier im politischen Dialog: "Die 68er: Hat irgendwer irgendwas verstanden" die Sätze, die sein Leben für immer verändern sollten: "Politiker ist der, der politisch handelt. Der beste Politiker ist der, der am besten politisch handeln kann." Diese Worte kamen wie Feuerzungen über ihn und er fragte seinen Kunden verzückt, während er ihm versehentlich ins rechte Ohr schnitt: "Siehst du dieses Licht?" Der verneinte zwar und sein Blick würde von einem neutralen Beobachter eher als entgeistert denn als erleuchtet bezeichnet werden, aber er - er hatte verstanden.
Er konnte Dinge schön färben, er konnte Menschen so verwandeln, dass man sie nicht wieder erkannte. Und vor allem: Er konnte hervorragend einseifen und dann abrasieren! Und stets kassierte er am Ende ab. Politik. Jawohl - Politik das war seine eigentliche Berufung. Er hatte gerade seine wahre Mission gefunden. Er würde einen neuen Anlauf wagen.
Sie lächeln Sie über ihn? Tun Sie es nicht. Er wird Sie in Kürze regieren.




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Eingereicht am 08. Oktober 2003.
Herzlichen Dank an den Autor.
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