ISBN 3-9809336-0-1
Lust am Lesen
Lust am Schreiben
Ein Beitrag zum Kurzgeschichtenwettbewerb "Im Frisiersalon"
Nur keine Null-Acht-Fünfzehn-Frisur
Eine Kurzgeschichte von Manfred Osterfeld
Es war mal wieder soweit. Über ein halbes Jahr hatte ich mich der Entscheidung widersetzt, aber jetzt war es nicht länger hinauszuschieben. Ich konnte einfach nicht mehr übersehen, nichts mehr zu sehen. Meine Haare verdeckten mir die Sicht. Mittlerweile war ich den Widrigkeiten des täglichen Lebens hilflos ausgeliefert. Ich musste also dringend meine Abneigung gegen das Haarschneiden überwinden und zum Friseur.
Es scheint allerdings ein elementares Gesetz zu sein, dass mir derartige Erkenntnisse nur in der Fremde zuteil werden. So verhielt es sich auch jetzt. Ich war gerade für einige Tage in Berlin, um meine Freundin Lisa zu besuchen. Kurzerhand fragte ich sie um Rat. Allerdings musste es ein Szenefriseur sein, denn ich wollte keine Null-Acht-Fünfzehn-Frisur. Lisa empfahl mir wärmstens den "Headhunter" in der Glogauer Straße.
Am nächsten Tag machte ich mich gleich auf den Weg. Ich merkte schnell, dass die Glogauer Straße eine dieser Straßen ist, in welcher an den meisten Fenstern nicht Gardinen oder Vorhänge hängen, sondern Laken und Handtücher. In solchen Gegenden werden Menschen erstochen; das wusste ich aus einschlägigen Fernsehsendungen. "Berlinbesuch endete tödlich! Friseurkunde erschlagen! Zum Zeitvertreib!" würden die Schlagzeilen in der Bildzeitung lauten.
Eingereicht am 07. September 2003.
Herzlichen Dank an den Autor.
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