Abenteuer im Frisiersalon. Kurzgeschichten aus dem Internet. Edition www.online-roman.de  Dr. Ronald Henss Verlag, Saarbrücken.  160 Seiten 10 Euro ISBN 3-9809336-0-1
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Ein Beitrag zum Kurzgeschichtenwettbewerb "Im Frisiersalon"

Frau in Rot

Eine Kurzgeschichte von Daniel Klaus


"Ich würde mir gerne die Haare schneiden lassen", sagte sie.
"Ja, dafür bin ich da", sagte der Frisör.
"Aber da wäre noch was", fügte sie ein wenig zaghaft hinzu, "ich brauche eine neue Farbe. Wissen Sie, ich möchte, dass meine Haare eine neue Farbe annehmen, die alte Melodie habe ich lange genug gehört, und jetzt sehne ich mich nach einem neuen Ton."
"Haben Sie dabei an etwas Bestimmtes gedacht, junge Frau", fragte der Frisör.
Frisöre fragen solche Dinge immer sehr einfühlsam, weil von ihnen ein gewisses Maß an Taktgefühl verlangt wird. Das gehört zu ihrem Beruf.
"Ja, das habe ich", erwiderte sie, durch die Einfühlsamkeit des Frisörs in ihrem Entschluss bestärkt, die Noten auf ihrem Kopf neu zu mischen, "ich dachte da an ein Rot. Ein Pumuckl-Ketchup-Kirschen-Rot. ‚Lola rennt' in noch hübscher."
"Flammende Lenden, feuersprühender Hüftschwung, all das auf Ihrem Kopf", hakte er nach.
"Ja", über ihr Gesicht glitt ein Lächeln, das ihrer Freude über einen so einfühlsamen Frisör Ausdruck verlieh, "pralle Tomatenrundungen an den richtigen Stellen und immer ein Knopf zu weit offen. An so eine Art Rot habe ich gedacht."
Als sie bemerkte, was sie gesagt hatte, errötete sie ein wenig.
"Ich glaube, dass ich da etwas für Sie tun kann", erwiderte der Frisör optimistisch.
Er hielt kurz inne und betrachtete sie im Spiegel.
"Aber Sie sind sich hoffentlich darüber im Klaren", fuhr er fort und bei diesen Worten schaute er sehr ernst und genau in ihre Augen, "dass Rothaarige unersättlich sind. Nicht dass Sie sich hinterher beschweren, Sie hätten davon nichts gewusst. Ihre Haare sind 13 cm lang. Das menschliche Haar wächst im Monat etwa 1,05 cm. Das bedeutet 371 Tage und 11 Stunden reinste Wollust. Darüber sollten Sie sich im klaren sein."
Sie dachte nach. Ihre Stirn zog sich zu einer marmorierten Denkstruktur zusammen.
"Ich glaube, das geht in Ordnung", sagte sie nach einer Weile angestrengten Nachdenkens, "man sollte in seinem Leben einfach einige Dinge ausprobieren, um zu wissen, ob sie einem gefallen oder nicht. Wenn ich damit nicht klarkomme, weiß ich ja, dass es in 371 Tagen und 11 Stunden wieder vorbei ist."
Hundertprozentig überzeugt hörte sie sich nicht an.
Eine kleine Pause entstand. Man hörte eine Haarspitze fallen. Dann räusperte sich der Frisör.
"Ich bewundere Ihren Mut", sagte er "deshalb möchte ich Ihnen einen Vorschlag machen. Wenn Sie nach ein paar Tagen merken sollten, dass Sie diesen Tango auf ihrem Kopf gar nicht aushalten", und jetzt sprach er mit einer der einfühlsamsten Stimmen, die man sich vorstellen kann, "dann werde ich Ihnen Ihre alte Farbe wieder zurückgeben. Im Normalfall geht das nicht, aber bei ihnen würde ich eine Ausnahme machen. Ich werde ihre alte Farbe einfach ein paar Tage länger aufheben und nicht wie gewöhnlich gleich in den Restmüll tun."
Er war der einfühlsamste Frisör der ganzen Stadt. Dafür war er bekannt. Es hatte schon ein Artikel über ihn in der Zeitung gestanden. Deshalb war sie hierher gekommen.
"Ich habe mich entschlossen", sagte sie jetzt mit fester Stimme, "geben Sie meinen Haaren den Klang, über den wir uns unterhalten haben", und dann legte sie ihren Kopf sanft nach hinten in das Waschbecken hinein.




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Eingereicht am 31. August 2003.
Herzlichen Dank an den Autor.
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