ISBN 3-9809336-0-1
Lust am Lesen
Lust am Schreiben
Ein Beitrag zum Kurzgeschichtenwettbewerb "Im Frisiersalon"
Traum(a)Salon
Eine Kurzgeschichte von Mela Reaggenson
Endlich Freitag!
Wir schreiben das Jahr 2003. Heute ist ein Tag, der in die Geschichte eingehen wird. Karen Haller wird sich die Haare beim Friseur schneiden lassen. Was für ein Ereignis!
Kopfschüttelnd stehe ich vor dem Spiegel und betrachte kritisch meine Haare. Nein, als Frisur kann man das nicht mehr bezeichnen. Was aber auch nicht weiter verwunderlich ist, da mein Talent nicht gerade im Schneiden von Haaren liegt.
Hässlich bin ich eigentlich nicht. Ich habe ein eher rundliches Gesicht, das mich in meiner Weiblichkeit unterstreicht, einen leichten Schmollmund und Augen, die nach außen hin schmaler werden, so dass sie die geheimnisvolle Form von Katzenaugen erhalten.
Aber meine Haare...
Heute genau vor einem Jahr habe ich das letzte Mal ein Friseurgeschäft betreten. Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, es war einer dieser Tage an denen man sich besser niemals in die Öffentlichkeit begeben hätte, weil einem dann einiges Unheil und große Schande erspart geblieben wären.
Alles begann mit einer vollen Kanne Kaffee, die klirrend in meiner Hand zersprang, und meine Küche in ein Meer aus koffeinhaltiger Brühe verwandelte. Weiter ging es mit einem Auto, das partout nicht anspringen wollte, und einem verkannten Minibaseballstar der mich auf meinem Fußmarsch zu meinem Friseurtermin, zu dem ich ohnehin schon zu spät kommen würde, mit tennisballgroßen selbstgeformten Matschkugeln bewarf.
Abgehetzt, mit kleinen Erdstücken besetzt und nervlich total am Ende öffnete ich die Tür zum Friseursalon. Die wartende Friseuse empfing mich mit einem ärgerlichen Blick, und einige ältere Damen, die mit ihren aufgewickelten Haaren eher fremdartig auf mich wirkten, schauten neugierig zu mir herüber.
"Tschuldigung" murmelte ich und setzte mich in den nächsten Stuhl nahe der Tür. Was dann passierte ging alles sehr schnell. Ich hörte ein komisches Quieken, eine der Damen sprang von ihrem Platz, schnappte sich den Besen, der in der Ecke stand und rannte rot vor Wut auf mich zu. Ich schaute auf die Stelle, wo eben noch mein, zugegebenermaßen nicht sehr schlankes Gesäß seinen Platz gefunden hatte, und sah ein haariges kleines Etwas darauf, wimmernd und zitternd. Nanu, wo kommt das denn her?
Aber keine Zeit für Überlegungen. Die Lady mit den Lockenwicklern hat mich beinahe erreicht, mit einer ungeheueren Masse, schwer atmend und mit einem furchteinflössenden Blick kommt sie geradewegs auf mich zu. Ich sehe sie wild schnaubend den Besen schwingen und habe nur noch einen Gedanken: Flucht!
Tja und so kam es, dass ich panisch und immer noch erdverschmutzt aus dem Friseurladen rannte, mich in meine Wohnung rettete und schließlich selbst zur Schere griff.
Aber heute ist der große Tag gekommen: Gleicher Salon, gleicher Tag, nur hoffentlich ohne kleine verwöhnte Schoßhunde, die sich auf Friseurstühlen ausruhen, die ja eigentlich nur für Menschen gemacht sind. Und auch keine wildgewordenen alten Damen, die das Aussehen von Yetis und das Temperament von wildgewordenen Mammuts haben.
Oh, schon wieder zu spät!
Als ich abgehetzt im Friseursalon ankomme und mich auf den Stuhl fallen lasse, höre ich nur noch ein komisches Quieken und beinahe zeitgleich ein wütendes Schnauben aus der anderen Ecke des Raumes...
Zuhause angekommen, greife ich zur Schere und nehme mir vor: Nächstes Jahr, gleicher Salon, gleicher Tag...
Ich komme wieder!
Wenn Sie einen Kommentar abgeben möchten,
benutzen Sie bitte unser
Diskussionsforum.
Unsere Autorin ist sicherlich
genau so gespannt auf Ihre Meinung wie wir und all die anderen Leser.
Eingereicht am 25. August 2003.
Herzlichen Dank an die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin.