Erdbeeren, die im Champagner baden, sind nicht wirklich die besten. Ehrlicher und kräftiger schmeckt die eine, die Du vorsichtig aus der warmen Erde befreist, in der sie schläft. Die, nach der Du Dich bückst, für die Du Deinen Rücken krümmst. Der Du liebenswerten Dreck abwischst, um sie zwischen Deine Lippen zu stecken. Deine Zunge spielt mit ihr, Du lutscht sie, beißt sie sanft, trinkst ihren Saft, schluckst sie fast zärtlich, geradezu lächerlich bekümmert, weil es endgültig ist. Und dann vergisst Du sie doch, weil Dein weißes Kleid, Deine manikürten Hände, das Buch, das Du liest, die Musik, die Du hörst, ihre süße Ursprünglichkeit banal und nichtig machen. Uwe "Dean" Deitermann war solch ein Mann. Einer, der frisch vom Feld gepflückt werden musste, um ihn so genießen zu können, wie er gedacht war. Vielleicht nicht unbedingt für Dich. Aber das spielt keine Rolle, wenn Du kosten willst, ohne zu hinterfragen, ob die Sehnsucht nicht schmerzhafter sein wird als das Gefühl, etwas versäumt zu haben. Etwas, das Deine sterile Welt zwar nicht so völlig aus den Angeln hebt, sie aber doch für den Moment durcheinander wirbelt wie ein Herbststurm, der Dir die alten, vertrauten Blätter raubt wie dem Baum, der sich den Naturgewalten beugt. Weil es sein muss. Weil Du so nicht weiter machen kannst. Auch, um zu überleben.
Während ich schreibe, um mich zu erinnern, weil der Nebel näher rückt, überlege ich, wie Dean reagieren würde, wüsste er von meinen Worten. Dürfte er wählen, würde er selbst sich mit einer Raubkatze vergleichen, so schön, so wild und frei. Mir aber gefällt es, ihn als Ur-Geschmack im Gedächtnis zu behalten. Wie die gezuckerte Milch in dem bauchigen Steingutbecher, den meine Großmutter für mich auf die Fensterbank neben die Töpfe mit der Petersilie gestellt hatte, immer dann, wenn ich vom Spielen nach Hause gekommen war. Müde, erhitzt und durstig. Glücklich nach dem ersten süßen Schluck, dem weitere folgten, die nichts vermissen ließen. Nie wieder habe ich so etwas Gutes getrunken, werde es trotzdem niemals wagen, es ihr gleich zu tun, den Becher zu füllen und viel zu viel Zucker hinein zu rühren, um mich zurückzuversetzen in eine Zeit, die zu leicht war, um ewig zu währen. Vielleicht wäre ich enttäuscht, würde angewidert das Gesicht verziehen, weil schwarzer Kaffee und trockener Weißwein mich erwachsen werden ließen.
Dean war so anders. Ein Mann, den Thomas, der zu mir gehörte wie ein zerliebter Teddybär, übersehen hätte, ohne seinen Blick von ihm lassen zu können. Mein Bild von Thomas, das sich so viele Jahre festgebissen hatte in meinem Kopf, in meinem Schoß - tatsächlich kannte ich damals nur seine Art, mich dort zu küssen, wo ich es den anderen nicht gestattete -, … es verblasst. Mein erster richtiger Mann. Sah ihn schon neben mir sitzen auf irgendeiner Bank, die mehr hätte erzählen können, als es dieses Stück Papier erlaubt. Leichter Tremor, falsche Zähne. Aber immer noch dieses gefällige Blitzen in den Babyaugen, ewig blau, nicht schwarz, wie meine. Thomas kommt in meinem Leben nicht mehr vor. Manchmal spukt er in Träumen, für die ich mich schelte, schimpfe mit mir, weil ich denke, was würde sein, wenn es anders gekommen wäre. Triviales Geheule. Dean hätte mit ihm nichts anfangen können. Zu organisiert, zu fest zementiert in dieser Bodenständigkeit, die ihn überlegen machte, ohne seinen Charme zu stehlen. Ein Mann, der seine Wimpern wie eine Diva tanzen ließ und dabei kühl sein Übermorgen plante.
Dean plante nicht. Er sagte: "Manchmal will ich mehr von allem. Manchmal will ich fliegen." Ließ die roten Früchte auf meinen Brüsten kreisen, zerdrückte sie sanft und bespritzte mich mit dem Saft. Malte einen Erdbeermond auf meinen nackten Bauch, steckte seine Zunge in meinen Nabel und leckte ihn aus. "Ich schmecke Dich in 360.00 Kilometern Höhe." Ich lachte, während er mit geöffneten Augen, um mich beobachten zu können, seine klebrigen Lippen auf mich drückte … Augen, die so grün wie junges Gras waren, das satter wird, wenn der Sommer kommt. Für uns gemeinsam kam er nicht, aber ich bin glücklich, dass ich habe riechen dürfen.
Wir haben kein gemeinsames Lied. Es ist schön, zu lauschen und sich zu erinnern, wenn Du dabei träumen und Dich selbst wiegen kannst. Thomas und ich, das war Cohen, dieser Cocktail aus rauer Whisky-Tabak-Stimme und Räucherstäbchen, die Patschuli-Vanille in den Schoß und in die Lenden jagen, zu ungestüm und unbeschwert, um ignorieren zu können. Damals. So long, Marianne, it's time, to meet again … Ist es, war es Zeit? Nein. Er nannte mich Magdaba, das traf den Rhythmus, wenn er übermütig mitsang, ohne Gespür für den sanften Schmerz, der mich wehmütig machte. Ich heiße Magdalena, nach der Patentante meiner Mutter, die ihren Sekt mit Kandis würzte und alberne Rüschenblusen trug, um traurig zu sein.
Dean. Er war da, um mir zu zeigen, wie hoch die Früchte wirklich hängen, nach denen Du greifen willst, um sie ein einziges Mal schmecken zu dürfen. Ich spielte mit den schwarzen Locken auf seiner Brust, biss wie ein tollpatschiger Welpe in seine Muskeln, bestaunte ihn und badete in seinem Schweiß, ohne an Rosen zu denken. Er roch nach nassem Leder, stieg mir prickelnd in die Nase wie der Moder, der mich lockt und gefangen nimmt, wenn ich auf dem Friedhof mit meinen Unbekannten spreche.
Thomas war mein Mann für zehn Jahre. Die waren und nicht mehr sind, ohne wirklich kostbar gewesen zu sein. Ich habe ihn verlassen. Dean sah ich nie wieder. Egal. Ich trage hochhackige Schuhe, die mich torkeln lassen, ohne betrunken zu sein. Bin bemalt und brillant und weine trocken, wenn ich mir vorstelle, Sterne würden auf mich regnen. Ich warte ab, bin verwöhnt. Dean hat mir Erdbeeren geschenkt. Und einen Mond, der sich auf meinem Bauch eingebrannt hat, um irgendwann von mir entdeckt zu werden. Hinfliegen möchte ich. 360.000 Kilometer, nicht zu weit, denke ich. Noch einmal. Mehr will ich nicht.