Adieu Cherie
© Elisabeth
Claudia komm endlich, es ist spät. Ungeduldig rief Peter aus dem Auto nach mir. Ich wusste es selbst, wollte aber noch ganz schnell meinen Lieblingen einige Leckereien für den Tag ohne mich in ihre Schüsselchen geben.
Ich warf noch einen prüfenden Blick umher. Zu meiner Zufriedenheit fand ich alles in Ordnung, dazu strahlte die Sonne. Es würde ein wunderschönerTag werden, so dachte ich.
Die kleine Tür zum Garten war offen, aber so gesichert, dass sie nicht zuschlagen konnte. Lucky, Gundi, Cherie und Mia konnten also wann immer sie wollten auf der Wiese sonnenbaden, oder im Schatten einer der vielen Bäume und Sträucher dösen. Falls das Wetter ihnen doch nicht gefiel, bot sich ihnen die Möglichkeit, in dem großen Raum, den wir von der Scheune abgeteilt hatten, ihre Körbchen aufzusuchen. Nur Gundi, die große Schäferhündin, die wie ein Löwe aussah mit ihrem extrem dichten Fell am Hals,
hatte natürlich eine große Holzliege, worauf sie majestätisch lag. Der mittelgroße schwarze Lucky, der mit seinen riesigen Ohren wie ein Dingo aussah, war erst ein Jahr und tobte verspielt mit der kleinen Mia, unserem zugelaufenen Siamkatzenmädchen.
Die zweite Majestät in dem Quartett war Cherie, die wunderschöne rauchgraue Perserkatze. Sie war schon 12 Jahre und lebte seit sieben Jahren bei uns. Hatte sie in den ersten fünf Jahren ihres Lebens einige unschöne Erlebnisse, so wurde sie hier entschädigt. Sie musste sich nicht verstecken, wenn der Hausherr zurück war. Sie wurde nicht mehr jeden Tag gebadet und gefönt. Aber das tägliche Kämmen und Bürsten, das ihr anfangs so verhasst war, dass wir manches Mal blutige Hände hatten, liebte sie jetzt.
In den ersten Tagen und Wochen ihres Hierseins, konnten wir sie nur an der Leine in den Garten führen. Sie duckte sich und kroch fast vor Angst auf dem Boden. Doch nach und nach verlor sich ihre Angst und Panik. Sie wurde die selbstbewusste stolze Queen-Mum aller Katzen der Umgebung.
So kam mir das alles in den Sinn, während ich zum Auto ging und wir endlich losfuhren. Das große Tor war verschlossen, alles war in Ordnung und ich konnte mich auf einen Stadtbummel freuen, wenn ich Peter am Flugplatz abgesetzt hätte.
Ich genoss die Sonne, die gutgelaunten Menschen, den Trubel der Großstadt, gönnte mir ein Eis und war recht glücklich. In vier Tagen konnte ich Peter wieder abholen, aber dann würden wir gleich in unsere Burg, wie wir unser altes Bauernhaus nannten. fahren
Nachdem ich einige hübsche Teile erworben hatte, fuhr ich gutgelaunt Richtung Heimat. Ich stoppte an unserem Tor den schweren Geländewagen, stieg aus und hörte schon das freudige Jaulen von Lucky und das tiefe, für andere furchteinflössende Bellen von Gundi. Ja, ja, meine Lieben, ich komme ja schon, lachte ich und schloss auf. Den Ansturm, der folgte, kannte ich ja aus unzähligen Begrüßungen. Egal, wenn die Klamotten jetzt schmutzig wurden, ich war ja zu Hause. Mia strich um meine Beine, Lucky
sprang an mir hoch, Gundi drückte sich an mich und Cherie thronte auf dem Torpfosten, wartend auf ihre Streicheleinheiten. So war es immer, wenn ich nach Hause kam. Danach stieg ich wieder in das Auto, um es in die Garage zu fahren. Die beiden Hunde und die zwei Katzen kannten dieses Ritual und blieben brav auf dem Rasen vor dem Haus, während ich langsam an ihnen vorbei fuhr.
Dann geschah das Entsetzliche. Beim anfahren, spürte ich eine Unebenheit. Mir stockte das Blut in den Adern. Zitternd stoppte ich wieder, stieg aus und sah meine kleine Cherie wie ein Stofftier zwischen Vorder- und Hinterrad liegen. Mir wurde eiskalt. Entsetzt beugte ich mich zu ihr. Mensch und Tier schauten sich im Erkennen des letzten Atemzuges an. Liebevoll, abschiednehmend, wissend, es ist vorbei. Ein Schluchzen drängte sich bei mir hoch. Verzweiflung machte sich breit. ich hielt ihr Köpfchen,
das innerhalb von wenigen Sekunden schlaff in meiner Hand lag. Laut und verzweifelt weinend kniete ich am Boden, die tote Cherie streichelnd, nicht fassend, dass sie nicht mehr aufwacht. An meiner Seite spürte ich die Hunde. Sanft stupsten sie mich an. Ganz still waren sie. Sie haben begriffen was geschehen ist. Mia beobachtete aus einiger Entfernung das Geschehen, wie ich durch meinen Tränenschleier wahrnahm. Verzweifelt fragte ich mich, wie das geschehen konnte. In all den Jahren, seit die Tiere
bei uns waren, blieben sie immer brav wartend auf dem Rasen sitzen bis das Auto vorbei gefahren war. Warum heute nicht? warum lief sie unter das Auto?
Blind vor Tränen, schluchzend, entsetzlich traurig, suchte ich eine Holzkiste in der Scheune, legte Cheries Decke hinein und bettete sie sanft in ihr letztes Körbchen.
Noch einmal fühlte ich nach ihrem Herzschlag. Nichts. Der schwere Wagen hatte die kleine, unter ihrem dicken Fell ganz zarte Katze zermalmt.
Meine Verzweiflung war groß. Selbstvorwürfe peinigten mich, während ich ihr Grab im hinteren Teil des Grundstückes, unter der alten Weide, schaufelte. Die offensichtlich geschockten Hunde begleiteten mich still und saßen genauso still einige Meter abseits. Ein letztes Mal suchte ich nach einem Lebenszeichen bei Cherie, wissend, das es unmöglich war. Lange blieb ich unter dem großen Baum auf der Erde sitzen und nahm Abschied von einer aussergewöhnlichen Gefährtin. Nur die Nähe der Hunde gab mir etwas
Halt.
Langsam, still und gedrückt von einem großen Schuldgefühl ging ich mit Lucky, Gundi und Mia zum Haus.
Die strahlende Sonne von heute Morgen war inzwischen der Dunkelheit gewichen.
Eingereicht am 27. März 2006.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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