Alles aus Liebe
© Hilde G.
Es war ein eiskalter Wintermorgen und Luise lief, bekleidet mit ihrer wärmsten Jacke, einem Schal und Handschuhen die Straße entlang.
Sie kam an der Bank vorbei, der Bank, auf der sie mit ihm wunderschöne Nachmittage verbracht hatte.
Sie hatten über Gott und die Welt geredet, über alles was sie bewegte, hatten ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede festgestellt und nach einiger Zeit hatte sie sich in ihn verliebt. Sie konnte mit diesem Gefühl nicht umgehen, versuchte lange dagegen anzukämpfen, aber es klappte nicht.
Sie begann sich ihm gegenüber komisch zu verhalten, er bemerkte das, wollte wissen, was mit ihr los ist, doch sie konnte es ihm nicht sagen. Er dachte sie würde ihn nicht mehr mögen, sie bekamen Streit und hatten seitdem keinen Kontakt mehr miteinander gehabt.
Das war jetzt zwei Wochen her. Zwei Wochen in denen sie kein Wort miteinander gewechselt hatten.
Sie wusste, dass sie den ersten Schritt machen musste, wenn sie ihre Freundschaft retten wollte. Er war zu stur um nachzugeben.
Sie beschloss bei ihm zu klingeln. Vielleicht war er zuhause, würde ihr öffnen und ihr in die Arme fallen. Ihr sagen, wie sehr er sie vermisst hatte.
Als sie vor seiner Haustür stand brachte sie es nicht fertig den Klingelknopf zu betätigen.
Sie hätte nie gedacht, dass das so schwer werden würde.
Sie stand fünf Minuten mit weichen Knien in der Kälte, ohne sich zu rühren.
Plötzlich wurde die Tür geöffnet, seine Schwester stand vor ihr.
"Luise was machst du denn hier?"
"Ich wollte zu Paul."
"Der ist nicht zuhause."
"Wo ist er denn?"
"Weiß ich nicht."
"Weißt du, wann er wieder zurückkommt?"
"Nein, tut mir leid. Komm einfach später noch mal oder ruf vorher an. Bis bald."
Mit diesen Worten schloss sie dir Tür.
Luise war enttäuscht, drehte sich aber dennoch um und ging langsam nach Hause.
Doch auch dort fand sie keine Ruhe. Sie vermisste Paul, würde ihm so gerne alles erzählen.
Schließlich nahm sie das Telefon und wählte seine Nummer.
"Ja?"
Es war eindeutig Pauls Stimme. Ihr Herz begann zu rasen.
"Hallo, hier ist Luise."
"Ach ja, meine Schwester hat mir erzählt, dass du vorhin vor der Haustür gestanden hast."
"Ja."
"Was willst du denn?"
"Mit dir reden."
"Und worüber?"
"Ich wollte wissen, warum du so komisch bist."
"Ich bin komisch? Ich würde eher sagen, dass du diejenige bist die komisch ist."
"Warum?"
"Das fragst du noch?"
"Ja, das frage ich."
"Ach Luise, denk doch mal nach, du wirst doch selber am besten wissen was mit dir los war oder ist."
"Sicher, das weiß ich auch."
"Und?"
"Ich kann mit dir nicht darüber reden."
"Nein? Und ich Idiot dachte wir wären Freunde."
"Sind wir auch."
"Bist du dir sicher?"
"Ja."
"Dann schieß los, sonst können wir es mit unserer Freundschaft wirklich sein lassen."
"Das geht nicht am Telefon, wir müssen uns sehen."
"Sehen? Draußen ist es eiskalt!"
"Bitte Paul…"
"Okay ich komme vorbei."
"Danke."
"Bis gleich."
Er legte auf und Luise rannte ins Badezimmer. Sie betrachtete sich im Spiegel. Eigentlich sah sie aus wie immer. Ihre dunkelblonden Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, ihr Gesicht war blass und ungeschminkt. Sie trug einen blauen Pullover und alte ziemlich ausgewaschenen und an einigen Stellen sogar zerissene Jeans. Sollte sie sich für ihr Liebesgeständnis lieber umziehen?
Nein, wofür auch. Wahrscheinlich würde er sowieso nicht lange bleiben.
Es klingelte. Luise wurde nervös.
Langsam stieg sie sie Treppen hinunter. Sie hatte Angst.
"Na endlich.", sagte Paul, als sie im öffnete.
"Hallo."
"Kann ich reinkommen, ich erfriere gleich."
"Klar."
Sie ließ ihn eintreten. Er trug einen schwarzen Mantel, eine beige Cordhose und eine schwarze Strickjacke. Seine braunen Haare waren verwuschelt.
"Na was ist jetzt?"
"Lass uns in mein Zimmer gehen."
"Wie du willst."
In ihrem Zimmer angekommen ließ sie sich auf ihr Bett fallen. Paul setzte sich etwas distanziert auf ihren Schreibtischstuhl.
"Leg los."
"Willst du was trinken?"
"Nein."
"Was essen?"
"Luise…"
"Es ist nicht so einfach."
"Das merke ich."
"Versprich mir, dass du mich nicht auslachst, nachdem ich es dir erzählt habe."
"Warum sollte ich lachen? Ist es so lustig?"
"Nein."
"Dann fang jetzt bitte an, ich bin heute noch verabredet."
"Mit wem?."
"Kennst du nicht."
"Männlich oder weiblich?"
"Weiblich."
"Wirklich?"
"Nein."
Ihr fiel ein Stein vom Herzen.
"Eigentlich wollte ich nur unsere Freundschaft retten."
Paul sah Luise mit seinen braunen Augen lange an, sodass ihr ganz schwindlig wurde.
"Und deshalb machst du so ein Theater?"
"Ja."
"Glaub ich dir nicht."
Noch immer sah er sie aufmerksam an.
"Aber wir sind noch Freunde oder?"
"Im Prinzip schon. Du glaubst gar nicht wie sehr ich dich die letzten Wochen vermisst hab, kleine Luise."
Sie wurde ein wenig rot bei seinen Worten was ihm nicht entging.
"Na wer wird denn da gleich rot werden?"
Er setzte sich neben sie aufs Bett. Sie rutschte ein wenig von ihm weg.
"Ist sonst noch was?"
"Nein."
"Sicher?"
"Ja."
"Gut." Er legte ihr den Arm um die Schulter.
Eigentlich wollte sie ihm sagen, wie sehr sie ihn mochte, wie viel er ihr bedeutete, dass sie ihn liebte. Sie brachte es nicht über das Herz. Sie hatte Angst alles zu zerstören. Auch wenn sie nur Freunde waren konnte sie seine Nähe spüren und viel Zeit mit ihm verbringen und vielleicht würde ihre Liebe zu ihm bald von selbst verschwinden.
Paul und Luise verbrachten von diesem Augenblick an wieder jede freie Minute miteinander und hatten viel Spaß.
Luise war nach wie vor sehr verliebt, aber sie versuchte sich davon nichts anmerken zu lassen.
Und sie hoffte, dass sie und Paul noch bis in alle Ewigkeit beste Freunde bleiben würden.
Eingereicht am 29. Januar 2006.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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