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Kurzgeschichte Kurzgeschichten

Die Mutter aller Gefechte

© Teodor Horvat


Ich war schon immer gegen den Krieg.
Gegen irgendwelche Gewalt oder Blutvergießen.
Aber, niemand darf jemanden etwas Schlechtes antun
und dabei ungestraft bleiben.
Es war einmal, vor dem Krieg, ein ganz gewöhnliches Dorf. In dem Dorf wohnten alle Bewohner in kleinen weißangestrichenen Häusern mit einem Bauernhof hinter dem Haus. Vor dem Krieg wohnte ich auch in dem Dorf und besaß ein Haus. Mein Haus wurde aus Ziegelsteinen gebaut und mit rotem Dachziegel bedeckt. Das war ein Bauernhaus mit Küche, Stube und Vorratskammer. Aus der Küche roch es immer gut nach hausgemachtem Kuchen und aus dem Schornstein ging ein Rauch.
Unter dem Dach auf dem Dachfuß, befand sich ein Schwalbennest, im das die Schwalben jedes Frühjahr wieder kamen.
Die Haustauben flogen hin und her durch das Dachfenster ins Dachstübchen.
Im Hühnerstall befanden sich zahlreiche weiße Hühner (Leghühner) und ein Hahn mit langen Schwanzfedern.
Das Krähen des Hahns am Morgendämmerung bedeutete, dass ein neuer, schöner Tag begann und mit der Gackelei empfahlen die Hennen ihre frisch ausgelegte Eier.
Diese Tiere, besonders die Vögel gaben uns die Möglichkeit ein Stück Natur in unseren Leben hineinzuholen.
Damit denke ich vor allem an frei lebende Flugvögel wie meine Tauben.
Die Tauben unterscheiden sich von allen anderen gefiederten Haustieren dadurch, dass sie an einen geeigneten Taubenschlag als Unterkunft gewöhnt, ohne Gitter, und wurden im freien Flug gehalten. Man konnte stundenlang die Tauben in ihrer Vielfalt der Form und Farbe beobachten. Wer einmal ein liebevolles Verhältnis zu den Tauben gespürt hat, kommt so schnell nicht von ihnen los, da sie uns mit den Leistungen in der Luft immer wieder faszinieren. Die Liebe zu den Tauben treffen wir bei allen Völkern an. Auch in der Literatur und der Kunst spielen die Tauben von alters her eine wichtige Rolle. Die weiße Taube gilt als das Symbol des Friedens.
Im Dorf lebten wir in Frieden miteinander und waren glücklich mit dem, was wir hatten.
Aber dann kam auch das große Unglück vor unsere Tür. Das Unglück hieß Krieg.
Es war an einem ganz gewöhnlichen Sommertag, den ich nie vergessen werde.
Noch von weitem sah ich, wie aus östlicher Richtung in unseren kleines Dorf, entlang der Hauptstraße, viele ausgerüstete Panzerwagen und Lkws kamen. In dem Lastkraftwagen saßen bewaffnete Soldaten mit großen ungepflegten Bärten. Wie ich später erfuhr, waren diese bärtigen Männer nicht richtige Soldaten, sondern mehr nichtmilitärische Einheiten. Obwohl sie die alte kommunistische Armee bewaffnet hatte und zusammen mit Rebellen und nichtmilitärischen Einheiten gegen uns war.
Sie terrorisierten das Volk. Plünderten ihre Häuser, vergewaltigten die Frauen, quälten und töteten die Männer. Durch Anwendung der Gewalt zwangen sie die friedliche einheimische Bevölkerung ihre Wohngebiete zu verlassen. So musste ich auch, zusammen mit meiner Mutter und noch vielen Leidensgenossen das Haus verlassen und irgendwo auf der Welt, wo noch friedliche Menschen leben, ein neues Zuhause suchen. Es war für mich bestimmt nicht leicht. Mein Haus und alle meine unvergesslichen Kostbarkeiten zu verlassen müssen. Nur mein treuer Hund blieb in dem Hof und guckte traurig hinter mir nach. Er konnte leider nicht mit uns kommen. Man sagt mit Recht, dass die besten Freunde des Menschen die Hunde sind. Aber eines Tages werde ich ganz bestimmt zurückkommen, dachte ich. Und kam erst nach sieben langen Kriegsjahren wieder zurück.
Zuerst kam ich als Heimsuchender über Budapest nach Deutschland.
Als ich in Deutschland ankam und aus dem Zug stieg, sah ich gegenüber dem Bahnhofsgebäude, in der Bahnhofstraße ganz friedliche Menschen.
Niemand mehr wollte mich töten oder aus dem Land vertreiben. Als ob ich in einer ganz anderen Welt war. Vielleicht darum, weil nach einer Legende die Gründung der Stadt die Folge eines Traums war. Nach dieser Legende während einer Jagd verlor die Markgräfin ihren Fächer. Bei der Suche um diesen Fächer wollte sich der Markgraf unter eine Eiche ausruhen, schlief jedoch dabei ein. Im Traum erschien ihm der verlorene Fächer und nahm die Form einer fächerartig angelegten Stadt an. Als der Markgraf dann den Fächer tatsächlich fand, schwor er, die in Traum erblickte Stadt zu erbauen. So legte Karl Wilhelm eigenhändig den Grundstein für sein neues Schloss. Er warb um Ansiedler und durch so genannte "Gnadenbriefe", versprach ihnen das kostenlose Baumaterial wie auch Steuerfreiheit für weitere zwanzig Jahre. Sie kamen aus allen Teilen des Europas und begannen, die im Traum erblickte Stadt zu bauen. In der ersten Generation bot daher die Stadt bzw. deren Bewohner, die in eingeschossigen, rotangestrichenen Modellhäusern wohnten, ein recht "internationales" Bild. Damit wurde das Projekt "Fächerstadt" verwirklicht.
Zuerst arbeitete ich in der "Fächerstadt" nur gelegentlich. Dann ging ich etwa sechs Kilometer südlich von der Stadt in eine große Kreisstadt, Ettlingen. Die Stadt lag im Übergang der Rheinebene in den nördlichen Schwarzwald, teilweise in der Ebene, teilweise jedoch schon auf den ersten Bergen des Schwarzwalds. In der Stadt bekam ich eine Arbeitsstelle in einem Altersheim auf eine Pflegestation. Außerdem in dem Heim konnte ich als Pflegepersonal auch wohnen. Aus dem Fenster meines Zimmers hatte ich eine wunderschöne Sicht an den Hombach Park. In dem Park war ein großes Horbachsee mit einem Springbrunnen.
Auf dem See schwammen viele Seeenten und zwei schneeweißen Schwäne. Um den ganzen See herum war ein Gehweg. Neben den Gehweg, weiß angestrichene Bänke und ein Rosengarten. Manchmal saß ich mit unseren Hausbewohnern auf einer Bank. Wir fütterten die Seeenten und sprachen über das Leben.
Dabei erfuhr ich so manches über ihre Heimatstadt. Ettlingen hatte auch im Laufe der Zeit mehrfach unter verschiedene Kriegsfolgen zu leiden. Schon im ersten Weltkrieg und vor allem in den Jahren des zweiten Weltkrieges musste die Ettlinger Bevölkerung unsagbares Leid erdulden. Die Stadt lag tagelang in der Hauptkampflinie. Auch die Nachkriegszeit brachte Elend und Not über Ettlingen und seine Bewohner.
Die Arbeit in dem Altersheim auf eine Pflegestation war vor allem, wie unsere Oberschwester Frau Herta sagte, sehr menschlich. Da ich auch ein medizinischer Arbeiter war, gefiel mir diese Arbeit ganz gut. Nach einiger Zeit ward ich ein sehr geschätzter Mitarbeiter.
Trotz allem, nach dem Gesetz für Kriegsflüchtlinge musste ich wieder Deutschland verlassen und nach Kroatien zurückkommen. Obwohl mein Haus damals noch immer von den Serben besetzt war. So kam ich wieder zurück ins Kriegsgebiet. Ohne Zuhause, ohne Arbeit und auch ohne Geld.
In verwüsteten Städte und Dörfer dauerten noch immer die Verbrechen der Aggressoren- und Rebellen. Manche Städte wie Vukovar waren schon ganz zerstört, andere wie Dubrovnik eingekreist. Ein Drittel Kroatiens war schon außerhalb der kroatischen Staatsregierung.
Das Land lag unter ständiger Gefahr der offenen Aggression. Die Baumstämme der Rebellen hatte man schon längst weggeschmissen.
Nachdem die alte kommunistische Arme die Rebellen angerüstet hatte und ihnen den Rückhalt versicherte, zog sich zurück.
Durch die Anwesenheit der zwischenstaatlichen Friedenskräfte fühlte sich die separatistische Rebellenführung bekräftigt und hatte auf den breiten Gegenden des ehemaligen Landes die ethnische Säuberung fortgesetzt. Die freien Teile des Landes waren überfüllt mit mehreren hunderttausenden Flüchtlingen und Vertriebenen aus Kroatien und Bosnien.
Von dem mittleren Kroatien bis Slawonien, Baranja und Dalmatien, konnte man nur heimlich kommen und dabei das Leben riskieren.
Das Land stand unter Waffenembargo. Die verschiedener Machthaber aus der ganzen Welt hatten schon ihre eigenen Interessen dabei und nur sahen mit gewisser Gleichgültigkeit zu, wie unseren geplagtes Volk sterben und flüchten müsste. Dabei waren dagegen, dass wir uns verteidigen. Über vielen Städten und Dörfern läutete Luftalarm. Das Herz des Landes war schon unter Räuberherrschaft. Aggressionsplan war ganz klar: Alle umkreiste Teile des Landes mit schon eroberten Gebieten und benachbartes Bosnien und Herzegovina, miteinander verbunden. Erschaffung des "Großserbien" mit dem Ausgang auf warmes Meer. Und zuletzt die zwischenstaatliche Gemeinschaft mit schon ausgeführtem Ziel gegenüberzustellen.
Erfolgreich ausgeführte Operation "Blitz" im Frühjahr zeigte, dass sich die Verhältnisse auf der Front, wesentlich geändert hatten. Dass sich kroatische Armee in Zwischenzeit auch bewaffnete. Wuchs in moralischen und strategischen Sinn und als ernstliche militärische Macht fähig, war nicht nur sich zu Verteidigen sondern auch ihre Stärke auf dem Kriegsfeld zu verwenden. Dazu kam noch sehr starker Wille unseren Befreiungssoldaten, um zu siegen und die hohen Qualitäten zahlreicher ständiger Soldaten.
Vor unserer Staatlichen Führung war historische Verantwortung. Verkündigte staatliche Unabhängigkeit mit der Freiheit zu erfühlen, ohne dabei nur eines Stück des eigenen Landes verlieren. Zuerst versuchten unsere Politiker und Diplomaten, den Krieg zu stoppen aber leider ohne Erfolg. Mit der politischen Reife und Diplomatik, wenn man es könnte und mit der Kraft der Verteidigungsmacht, wenn es nötig war. Unter Führung den ersten kroatischen Präsidenten bereite man die Befreiung des Landes vor. Von den ersten Sicherheitsbehörden und Vaterlandsverteidiger entstand die moderne Armee, welche das Kroatien beschützt und befreit hatte. Nach vielen erfolglosen Friedensverhandlungen geschah endlich der entscheidende Befreiungskampf, genannt "Sturm". Kriegsoperation "Sturm" war eine von entscheidenden Aktionen, die zur Beendigung des Verteidigungskampfes und zur Befreiung des ganzen Landes führte.
Im frühen Morgen, genau um 5 Uhr, wie ein kroatischer Soldat sehr bildhaft mitteilte, erhob sich über von Serben besetzten Gebieten ein mächtiger Sturm oder die Mutter, der allen Gefechten und kehrte in nur vier Tagen alle Feinde unseres Landes.
Für serbische Rebellen und anderen nichtmilitärischen Einheiten öffnete sich die Hölle. Auf ganze Kampflinie eröffneten die kroatischen Befreiungssoldaten das Schnellfeuer aus 200 Kanonen, 350 Panzerwagen und vielen Minenwerfer. Schon am ersten Tag hatten die kroatischen Kräfte durch eine entschlossene und energische Aktion, die ersten Kriegslinien der Serben auf 30 taktisch wichtigen Richtungen durchgebrochen. Kroatische Arme und Sicherheitsbehörden befreiten so genannten Sektoren im Norden und Süden auf eine 700 km. Lange Kampflinie.
Gleichzeitig wurden durch elektronische Medien die Meldungen des kroatischen Präsidenten für die Bevölkerung, welcher serbische Nationalität war, übertragen:
1. Alle Rechte für die serbische Bevölkerung wurden garantiert.
2. Angehörigen der nichtmilitärischen Einheiten sollten sich ergeben und auch für solche wurde Amnestie angeboten.
3. Kroatische Bürger, die serbischen Nationalität waren, sollen zu Hause bleiben und kroatischer Regierung erwarten.
Die Kriegsoperation genannt "Sturm" war eine ausgezeichnete Befreiungsoperation, der Höhepunkt unseren Vaterlandkrieges und bedeutete die Beendigung des langen und schweren Kampfes für die Befreiung des Landes, Unabhängigkeit und Gesamtheit des Kroatiens.
Noch heute, zehn Jahren nach dem "Sturm" war es wichtig darüber zu schreiben, damit der "Sturm" ein Denkmal für zukünftige Generationen blieb und damit wir unsere eigene Geschichte allein schrieben. Die echte Wahrheit über die Aggression auf Kroatien und die echten großserbischen Ziele in diesem Teil Europas durften wir nicht vergaßen.
Die Verheimlichung der Wahrheit kann nur die Konfrontation mit der Lehre, welche auch die verlierende Kräfte ziehen müssen, erschweren.
Die Lehre über dem das die Zeiten der gewaltigen Reden über großstaatlicher Hegemonie vergangen sind, es gibt keine mächtigen Völker, und das die Gleichberechtigung und Zusammenarbeit, einziger Garant für dauernde Ruhe ist.
Die Kriegsoperation "Sturm" wurde dadurch ein Symbol, die Willensfreiheit des Volkes, Leitungsreife und Verantwortung vor kommenden Generationen.
"Der Sturm" ist ein Symbol der Kraft und die Fähigkeiten des Kroatiens ein Schritt in die neue Zeit zu machen.
Als ich wieder nach sieben langen Kriegsjahren in mein Dorf zurückkam, sah ich das übliche Bild. Während des Krieges verwandelte sich auch mein Dorf in einen Ort des Elends und der Armut. Dabei wusste ich dass in anderen Gegenden auf der Welt, die zu dieser Zeit weitgehend von Krieg verschont blieben, die Bürger wohlhabend und glücklich waren, was ich wegen meines verlorenes Heimatsdorf nie mehr würden konnte.



Eingereicht am 19. August 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.


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