Wie kann Mann nur so dumm sein
© Peter Steding
Diese Erzählungen handeln - wie könnte es anders sein - natürlich auch vom Thema Nr. 1. Nicht jedoch, in wie vielen legalen oder lustvollen Varianten dieses Thema Freude bereiten kann. Viel wichtiger sind Beispiele, die das Leben schrieb, wie aus (männlicher) Dummheit Probleme geschaffen werden, die einem und auch einer den ganzen Spaß daran verderben können. Schon das bewusste Lesen dieser Erzählungen kann helfen, Fallstricke, Hinterhalte und Risiken zu erkennen und zu vermeiden. Wichtigstes Ziel ist jedoch,
alle Sinne zu schärfen, den Zufall zum Verbündeten zu machen und vor allem nie andere zu unterschätzen. Natürlich macht ein geplantes Abenteuer weniger Spaß als ein spontanes. Aber dafür genießen Sie den Triumph, das Informations- und Handlungsmonopol zu besitzen. Es sei denn, es kam doch was dazwischen. Dumm gelaufen.
1. Die Ohnmacht der Gewohnheiten
"Wie hast Du eigentlich herausbekommen, dass ich während Deiner Abwesenheit aushäusig genächtigt habe?" Geheimnisvolles Schweigen. "Nun sag schon. Nun, wo doch alles vorbei ist..." Verschmitztes Lächeln. Zögern. "Ach, nu zier Dich doch nicht so. Also?" "Ach, weißt Du, es war eigentlich ganz einfach. Du hast nun mal feste Gewohnheiten. Du trinkst morgens, bevor Du ins Büro fährst, immer eine Kanne Kaffee. Nachmittags und abends aber selten. Ich brauchte nur die Filtertüten zu
zählen, um zu wissen, wie oft Du mindestens nicht hier geschlafen hast, während ich unterwegs war..."
Dumm guck. Auf die Idee wäre ich nie gekommen. Da achtet Mann gewissenhaft darauf, dass das Bett zerwühlt und die Wäsche gewechselt ist, dass keine Haare auf dem Hemd kleben und dass keine erklärungsbedürftigen roten Flecken am Hals oder Kratzer auf dem Rücken entstehen. Dann sonnt Mann sich in der Gewissheit, auf alles geachtet zu haben, um die kleine Freude diskret zu handhaben, und läuft voll in die Falle der Gewohnheitsänderung.
Veränderungen männlicher Grundverhaltensweisen sollten grundsätzlich misstrauisch machen. Möglich, aber ziemlich unwahrscheinlich ist natürliche Evolution. Sie endet bei Männern meistens mit der Aufnahme einer geregelt entlohnten Tätigkeit. Ursachen für tiefgreifende Veränderungen können eruptiver Natur, unerwartetes Auftauchen eines neuen Sterns oder hochschäumende Wogen sein. Hilfreich für die Analyse ist eine genaue Untersuchung des Umfeldes: Gab es in letzter Zeit personelle Veränderungen beim weiblichen
Hilfspersonal? Wurde der Betriebsausflug vorletzte Woche als besonders langweilig abqualifiziert? Forderte die Beschreibung des letzten Messeeinsatzes tiefes Mitleid wegen des Dauerstresses? Oder gibt es einfach nur einen neuen Kollegen namens Margarete? Männer sind keine Klatschweiber. Sie reden nur einfach manchmal zuviel.
Männer sind Gewohnheitstiere. Überwiegend jedenfalls. Die besten Zeugen dafür sind die Restaurantkellner: Männer bleiben einer einmal gefällten Entscheidung für ein Gericht in der Regel über Jahre hinaus treu. Selbst wenn der Koch wechselt, das Fleisch aus England kommt oder die Karte ein neues Layout erhält - das hat schon mal geschmeckt, und bei den anderen Gerichten weiß Mann nie. Und wehe, das Gericht bekommt einen neuen Namen oder verschwindet gar von der Karte: Ungehaltenheit ist noch die sanfteste Reaktion
auf diese tiefe Verunsicherung. Wahrscheinlich wird Mann das Lokal künftig meiden.
Männer zählen damit auch zu den vom Wirt gern gesehenen Stammgästen: Zumindest dem Lokal bleiben sie treu, solange es dort keine gravierenden Veränderungen gibt, und sie sind sogar noch stolz darauf, ihre Bestellung aufgeben zu können, ohne einen Blick in die Speisekarte werfen zu müssen. Das erleichtert Preisanpassungen. Frauen suchen nicht nur die Abwechslung - sie sind auch experimentierfreudiger.
2. Von fleischlichen und fleischlosen Genüssen
Essen und Trinken beanspruchen einen bedeutenden Teil unserer Lebenszeit. Das prägt Verhaltensweisen. Genaue Beobachtung des Mitessers kann Frau helfen, sowohl den Zustand des eigenen Besitzes zu überprüfen wie auch potentielle Anwärter frühzeitig zu sortieren. Wie wir im ersten Teil schon festgestellt haben, ist Mann ein Gewohnheitstier. Während er überhaupt kein Problem hat, auch heute wieder wie gestern die Rinderbrust mit Meerrettichsauce zu bestellen, prüft Frau gewissenhaft, welche der Speisen noch nie
ausprobiert wurde, neu auf der Karte ist oder am längsten im Genuss zurückliegt.
Deshalb dauert der Entscheidungsprozeß bei Frauen im Restaurant statistisch mindestens 1,75 mal so lange wie bei Männern. Wollen wir wetten? Benutzen Sie endlich mal die Stoppuhr-Funktion Ihrer tollen Armbanduhr, um zu messen, wie lange Mann und Frau am Nachbartisch für ihre Wahl benötigen. Das verkürzt die Wartezeit auf den Kellner/das Essen/die Rechnung und bestätigt unsere Behauptung. Achten Sie aber auf mögliche Gründe für ein verfälschtes Ergebnis:
1. Er entscheidet für sie
2. Er legt ihr seine Entscheidung nahe
3. Er hat seine Brille vergessen
4. Die Dame ist eigentlich ein Herr
Mit Essen sollten wir uns ausführlicher beschäftigen. Nicht nur, weil Essen zu zweit mehr Spaß macht - besonders, wenn die Gewohnheiten noch nicht so sehr vertraut sind. Schon die Katze fragte die Maus, ob sie nicht mit ihr zu Abend essen wollte. Aus zahlreichen alten Filmen, die noch über eine systematische Handlung verfügten, wissen wir, dass die Einladung zum Abendessen nur die Vorstufe zur Einladung auf "noch auf einen Kaffee" ist. Heutige Filme vertauschen schon mal die Reihenfolge, wenn es sich
nicht gerade um einen - absolut unerotischen - Report über die Spezialitäten des südlichen Westerwaldes handelt.
Eine noch nicht endgültig von der Wissenschaft anerkannte Theorie besagt, dass Eß- und Paarungsverhalten identisch oder zumindest ähnlich sind. Jetzt können Sie sich die o.a. Wartezeit auch damit verkürzen, indem Sie das Essverhalten Ihrer Nachbarschaft studieren und daraus Schlüsse auf die jeweiligen Paarungsgewohnheiten ziehen: Himmel, der schiebt ja das halbe Steak in sich hinein. Gehört der zur 3R-Truppe? Oder: Der manscht ja alles zu einem Einheitsbrei zusammen und stopft den in den Schlund - satt ist dem
wohl wichtiger als Genuss. Seien Sie jedoch vorsichtig mit der Weitergabe Ihrer Erkenntnisse. Weniger, weil der Athlet vom Nachbartisch Ihren Kommentar zu seiner durchschnittlichen Vertilgungsleistung in den falschen Hals bekommen könnte. Nutzen Sie Ihr Herrschaftswissen, um unauffällig zu eruieren, was möglicherweise anschließend auf Sie zukommt.
Schaffen wir zunächst eine Verbindung zwischen Eßgewohnheit und Zuverlässigkeit: Wenn Mann plötzlich und ohne erkennbaren Grund ein völlig anderes Gericht bestellt, sollte Frau die Augen öffnen: Hat er schon oder will er noch? Woher kennt er das neue Gericht? Was ist das besondere daran? Stärker gewürzt? Fehlt ihm der Pfeffer? Weniger Kalorien? Hat jemand eine Bemerkung über seinen Bauch gemacht? Oder hat er was im Auge, was auf Linie steht? Männer - speziell ab dem Alter, wo die verleugnete Krise beginnt - sind
leicht beeinflussbar und reagieren sensibel auf Bemerkungen über erkennbare Alterungsspuren.
Spannend wird es, wenn Mann ein neues Lokal vorschlägt. Wenig hilfreich ist die Frage, woher er es kennt, denn die Antwort ist so einfältig wie unwiderlegbar: Es waren immer Geschäftspartner. Wenn also keine gravierenden Abweichungen zwischen Arbeitsort und Lokalität bestehen, hilft nur geschickte Taktik. Schon der Blick des Kellners ist hilfreich: Mustert er Frau prüfend, so stellt er möglicherweise Vergleiche an. Eine äußerst zuvorkommende Begrüßung weist auf ein reichliches Trinkgeld beim letzten Mal hin.
Männer sind in der Gegenwart aktueller oder potentieller Liebhaberinnen deutlich spendabler als mit Geschäfts- oder Ehepartnern.
Einen deutlichen Hinweis liefert Frau ein suchender Blick mit der laut geäußerten Frage, wo wohl die Damentoilette sei: Erfolgt die richtige Antwort spontan, so wurde dieselbe Frage wahrscheinlich schon mal an Mann gerichtet. Nun brüstet er sich mit seinem Wissen. Was macht Frau mit diesem Wissen?
Werfen wir als nächstes einen Blick auf Messer und Gabel unseres Gegenübers. Ach, es ist nur ein Löffel? Ein deftiger Eintopf? Hausmannskost? Die Ansprüche scheinen nicht allzu hoch zu sein. Was auf dem Teller oder in der Schüssel ist, wird reingelöffelt. Hauptsache, der Bauch ist voll. Befriedigung wird damit auf Grundbedürfnisse reduziert. Hauptsache heiß, ein bisschen gewürzt und leicht zu erledigen. Das kann Frau manches erleichtern.
Ist der Esser der aktuelle Lebensabschnittsgefährte, so besteht wenig Anlass zur Sorge: Solange zur rechten Zeit die rechte Menge verfügbar ist, besteht keine Gefahr für den Eintopf. Und selbst wenn er ausnahmsweise mal bei einem anderen Gastgeber eingenommen wird, ist das kein Grund zur Panik: Vielleicht war der Hunger gerade mal besonders groß, statt der Linsen sollten es auch mal Erbsen sein, vielleicht war die Temperatur etwas höher. Aber grundsätzlich behält die Hausmannskost ihre stabile Position.
Frau sollte sich jedoch nicht grundsätzlich in völliger Sicherheit wiegen, solange Mann - wie gewohnt - sein Schnitzel mit Salat, sein Rumpelstück oder den Königs-Würger bestellt. Viele Männer ändern ihre Eßgewohnheit im vertrauten Kreis nicht, auch wenn sie an anderer Stelle neue Leckereien probieren.
Nutzen wir unser Wissen um die Analogie von Essen und Lieben, um bereits im Vorfeld gewarnt zu werden. Wählt der Neue - möglichst in einer Autobahnraststätte - ohne erkennbare Not den Eintopf des Tages? Sie könnten Enttäuschungen vermeiden, wenn Sie die gemeinsamen Aktivitäten auf Gartenarbeit oder Bergwandern beschränken. Dafür brauchen Sie einen anspruchslosen, zuverlässigen Kumpel, dem Raffinesse und kreative Anordnung ein Gräuel sind.
Es soll ein Tellergericht sein? Haben Sie nicht viel Zeit oder hat er es eilig? Sein verstohlener Blick in das Portemonnaie vor der Bestellung liefert einen Hinweis, was die Sache wert ist - sofern nicht bereits zuvor getrennte Kasse vereinbart wurde. Dann kommt die interessante Zeit, bevor das Essen serviert wird. Ist es nur Vorspiel, so muss der Kellner mit unfreundlichen Drohungen rechnen - schließlich drängt die Zeit. Vielleicht wartet zuhause jemand auf die Rückkehr von dem leider unvermeidlichen dienstlichen
Ausflug. Oder der Kaffee danach - "bei Dir oder bei mir?" - scheint in greifbare Nähe gerückt und wird durch die Nahrungsaufnahme nur unnötig verzögert.
Da stochert jemand lustlos in der kunstvollen Anordnung auf seinem Teller herum. Nanu? Keinen Appetit? Schon vorher was gegessen? Das könnte der Zeitpunkt sein, sich von allen Planungen für die Fortsetzung dieses Abends zu verabschieden. Es fehlt einfach die Lust am Genuss, wenn nicht gerade versehentlich Tripe à la mode de Caen bestellt wurden - sie können auch einem Gourmet den Appetit verderben.
Nicht viel besser ist, wenn Ihr Gegenüber allen Ehrgeiz hineinlegt, die Frikadelle am Stück in den Mund zu bekommen. Schon Garfield lehrt, dass jeder Bissen mindestens einmal gekaut werden sollte. Die Essgeschwindigkeit lässt sich nur steigern, indem die Bissen größer sind. Ein Steak geviertelt? Wenn es nicht gerade ein Kaninchensteak der Cuisine nouvelle ist, sollte der Versuch nachdenklich stimmen: Das gesamte Menü mit sechs großen Bissen hineingeschaufelt spricht für ein heftiges, aber kurzes Vergnügen. Nun
ja - auch dafür soll es LiebhaberInnen geben.
Ein Möhrchen auf der Gabel in den Mund balanciert. Drei Erbsen aufgespießt, leicht an das Sößchen gestippt, zum Mund geführt und einzeln mit den Lippen abgenommen. Den Teller ein wenig gedreht, damit die Fasanenbrust in der optimalen Schneideposition liegt. Ein Spitzchen abgetrennt, in den Mund geschoben und genießerisch durchgekaut. Messer und Gabel auf den Teller gelegt, das Glas gehoben, einen Blick durch den Inhalt auf das Gegenüber, ein Schlückchen genommen und zerkaut. Ein Scherzwort, ein flüchtiger Blick
zum Nachbartisch, ein geflüsterter boshafter Kommentar. Ahnen Sie, was auf Sie zukommt? Hoffentlich ist Samstag und Sie haben morgen frei.
Interessant wäre es unter diesen Aspekten, der Frage nachzugehen, warum mehr Frauen als Männer vegetarische Kost bevorzugen. Ist die Fleischeslust bei Männern ausgeprägter? Hoffen sie, es nütze ihrer Manneskraft, wenn sie kräftige Tiere verschlingen? Früher galten Stierhoden als ausgesprochen förderlich. Das Schnitzel vom armen Superschwein mit der überzähligen Rippe kann dieser Rolle kaum gerecht werden. Amerikanische Footballer essen immer nur Steak und Salat und vielleicht noch eine gebackene Kartoffel. Deshalb
sind sie äußerlich auch XXL. Fisch hingegen soll die Intelligenz fördern - so steht es schon bei Asterix. Ein weit verbreiteter Irrtum ist jedoch, dass vegetarische Kost schlank macht - glauben Sie mir. Der Verzicht auf tierisches Eiweiß steht in keinerlei Zusammenhang mit der Hüftweite.
Was aber folgert Frau, wenn Mann einen großen Löffel frisch geriebenen Meerrettich reinschiebt, die Augen verdreht, tief durchatmet und erleichtert verkündet: "Es ist soooo schön, wenn der Schmerz nachlässt..." Sollten die langen schwarzen Lederstiefel mal wieder geputzt, die Handschellen entrostet und die Reitgerte aus dem Pferdestall geholt werden? Könnte es zweckmäßig sein, die Hundeleine samt Halsband des Bernhardiners vom Nachbarn zu leihen? Oder genügen die schwarze Gesichtsmaske vom letzten Fasching
und ein paar Utensilien aus dem Nähkästchen?
Viel kritischer ist, wenn Mann mit roher Gewalt die Kartoffeln zerquetscht, dem armen toten Brathähnchen ein Bein ausreißt, sein Steakmesser quälend langsam durch die Roulade zieht oder genussvoll mit spitzer Gabel die Erbsen auf dem Teller so lange im Kreis treibt, bis sie erschöpft aufgeben. Dann ist höchste Alarmbereitschaft gefordert: Lässt er nur die Wut über seinen Chef am Futter aus, oder könnte ein Abenteuer mit ihm zur schmerzvollen Erfahrung werden?
Zugegeben: Königsberger Klopse in Kapernsauce mit Petersiliekartoffeln entwickeln erst ihr volles Aroma, wenn alles auf dem Teller mit der Gabel zerdrückt und zu einer zähen gelbgrünrotbraunen Masse vermischt ist. Aber in welchem Lokal gibt es noch Königsberger Klopse, und wer traut sich schon, den Teller unter den wachsamen Augen des Kellners als Betonmischer zu missbrauchen...
Zu jedem Essen gehört auch ein wenig Flüssigkeit. Mit der Liberalisierung der Kombinationsregeln ist leider auch ein vorzügliches Hilfsmittel zur Unterscheidung zwischen Gourmand und Gourmet abhanden gekommen - schließlich gilt die Weisheit Spörls, Frauen, die Limonade bevorzugten, seien selber Limonade, heute nur noch mit Einschränkungen. Die Entscheidung, ob Bier, Wein oder Wasser kann von vielen Faktoren abhängen: Muss er noch fahren, will er nüchtern bleiben, hat er Durst, scheut er eine Fahne. Ein Pils in
einem Steakhaus hat die gleiche Aussagekraft wie eine Cola bei Mac Donalds oder ein Federweißer in der Weinstube.
Blättert Mann lange und scheinbar wählerisch in der Weinkarte, so könnte er was davon verstehen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er zwar beeindrucken will, als einziges Entscheidungskriterium jedoch den Preis zur Verfügung hat. Glücklicherweise sind heute in Deutschland getrennte Karten für Mann und Frau eher die Ausnahme. So können Sie den Entscheidungsprozeß nachvollziehen: Der billigste entfällt schon wegen des pikierten Blicks des Kellners. Der Abstand des gewählten Getränks zum billigsten Angebot ist dem
Interesse an Ihnen proportional. Fühlen Sie sich geehrt, wenn er der Empfehlung des Kellners folgt. Dann hat er zwar keine Ahnung, aber die Sache ist ihm soviel wert, dass er nicht auf die Mark schaut. Und bietet er von sich aus Sekt oder sogar Champagner an, sonnen Sie sich im Gefühl höchster Begehrtheit.
Verwertbar sind in jedem Fall spontane Änderungen der Gewohnheiten: Hat eigener Mann bislang immer und zu allem sein Pils verlangt und bestellt plötzlich und ohne Zögern ein Mineralwasser? Dann hat vielleicht jemand eine Bemerkung über den Pilsfriedhof über seinem Gürtel gemacht. Wer war das?
Noch nachdenklicher sollte Frau machen, wenn Mann plötzlich von Pils auf Wein umsteigt. Der Verdacht liegt nahe, dass er unter dem Einfluss einer dritten Person auf den Geschmack gekommen ist. Die Unsicherheit bei der Auswahl ist ein weiteres Indiz dafür, dass dieser Wandel fremdbestimmt erfolgt. In Norddeutschland fällt das weniger auf, weil der Kellner ohnehin nur "weiß oder rot?" fragt. Südlich des Mains besteht jedoch die Gefahr, mit einer Weinkarte konfrontiert zu werden, deren Umfang jede Speisekarte
vor Neid erblassen ließe. Nennt Mann dann spontan einen Namen oder eine Marke, sollte Frau nachforschen, woher das Wissen stammt - besonders, wenn es diesen Wein in dieser Karte überhaupt nicht gibt.
Fassen wir unsere Erkenntnisse hinsichtlich verräterischer Dummheiten im Zusammenhang mit Essen und Trinken zusammen: Hilfreich ist genaue Beobachtung, und verdächtig sind alle Abweichungen vom gewohnten Standard. Für das weite Feld der Nahrungsaufnahme wie auch für alle nachfolgenden Lebensbereiche gilt, dass die Regeln prinzipiell auch auf Frau zutreffen. Allerdings ist es für Mann ungleich schwieriger, richtige Schlüsse abzuleiten. Das liegt nur zum Teil daran, dass normaler Mann weniger genau beobachtet.
Frau ist zudem flexibler. Abweichungen von der Regel sind geschlechtsimmanent. Entscheidend ist jedoch, dass Frau nicht so einfältig ist, ihre kleinen oder großen Geheimnisse unverzüglich in analoge Verhaltensweisen umzusetzen. Wie kann Mann nur so dumm sein.
3. Wenn der Ton die Musik verdirbt
"Ich glaube, unsere Stereoanlage ist kaputt. Die macht ganz entsetzliche Geräusche." Harte Schläge im Sekundentakt lassen die Sammeltassen vor Entsetzen zittern und den Benjamin vor Schreck die Blätter abwerfen. Empörtes Kopfschütteln. "Nein. Das ist die neue Platte von Crackers-Backers." "Hä? Was? Von wem?" Mitleidiger Blick über die Schulter. "Sagt Dir natürlich gar nix. Dacht' ich mir. Dabei sind die schon seit drei Wochen der absolute Hit." "Hit? Wo? Bei wem? Im
Radio hab' ich den noch nie gehört!" Spätestens an dieser Stelle könnte der Erklärungsnotstand ausbrechen. In der Plattensammlung von Heino gibt's nichts Vergleichbares. Am Radio ist die Sendereinstellung seit sieben Jahren auf HR4 eingerostet. Und auch im CD-Ständer finden sich zwar die schönsten Weihnachtslieder, Hits von gestern und vorgestern und der Hochzeitsmarsch, aber so was? Eigentlich fiel das doch bislang in die Kategorie "Lärm-Belästigung". Woher also das neue Wissen? Seit wann mag
Mann diese Art von Geräusch? Braucht er einen Herzschrittmacher? Oder sollte ihm jemand zu verstehen gegeben haben, dass ihn seine bisherige ablehnende Haltung als Grufti disqualifiziert?
Spontane Veränderung des musikalischen Geschmacks ist immer verdächtig. Fängt Mann ohne erkennbaren Grund an, die Grundeinstellung des Radios zu verändern und alternative Kanäle auszuprobieren? Bleibt er vor einem CD-Laden stehen, obwohl weder Weihnachten ist noch Tante Erna Geburtstag hat? Hörte er bisher immer nur Country und entdeckt plötzlich die besonderen Qualitäten der Spider Girlies? Hielt er Dvorák bislang für eine Wodka-Marke und schwärmt plötzlich von der sensiblen Interpretation des Violinparts im
Konzert Opus 97 durch Carmela Tungera? Wippte er früher mit den Schultern im Takt des 50er-Jahre-Rocks und schlägt plötzlich den 120er-Beat mit?
Begutachten wir zunächst die Rückstände des Hörgenusses. Ein neuer Sender am Radio gibt nicht viel her. Handelt es sich hingegen um eine neue CD, so liefert das Preisetikett erste Hinweise auf die Bezugsquelle. Spannender wird es, wenn diese neue Musik von einer raubkopierten CD ohne Label stammt. Wer hat sie wann wo gebrannt? Trägt sie handschriftliche Vermerke? Lag oder liegt sie möglicherweise im Auto herum? Sind dort noch mehr CDs ungeklärter Herkunft anzutreffen? Was steckt im CD-Schacht des Autoradios?
Auf welchen Sender ist das Autoradio eigentlich eingestellt?
Fragen nach der Herkunft der neuen Lärmquellen sind meistens unergiebig - es sei denn, Mann verrät sich durch Unsicherheit. Ganz Raffinierte sagen die Wahrheit und verlassen sich darauf, dass sie unverfänglich wirkt: "Von der Tochter eines Kollegen" ist schwer widerlegbar. Aber warum sollte die Tochter diesem alten Knacker ihre Lieblings-CD kopieren? Konzentrieren wir uns auf die Stil-Analyse. Gehört die neue Lieblingsplatte zu Brech Tanz, Tanz Boden oder Täkkno? Deren Hauptverbreitungsgebiete sind
Hüpfbuden für hörgeschädigte Teenies. Sollte Mann seiner verflossenen Jugend nachstellen? Sie wird ihn schon rechtzeitig vergraulen, denn die Jugend ist mitleidlos und drastisch: "Na, Opa?" Gefährlicher ist ein plötzlicher Hang zu irischen Balladen, französischen Chansons oder sudanesischen Hochzeitsgesängen. Hier war offensichtlich reifere Konkurrenz am Werk und hinterließ ihre Spuren. Alle Alarmglocken sollten jedoch angehen, wenn eine wundersame Verwandlung vom Anhänger heimatlicher Klänge zum Liebhaber
zeitgenössischer ernster Werke stattfindet. Diese Liebhaberschaft könnte eine ernste Angelegenheit werden.
Als Basis für unsere Erkenntnisse aus plötzlichen Veränderungen im musikalischen Geschmack und die passende Reaktion darauf genügt einfache Mathematik: Beträgt die Differenz zwischen Manns und Musiks Geburtsjahr mehr als 40, so kann entwarnt werden: Biologische Hinderungsgründe sprechen gegen längerfristigen Bestand. Bei einer Differenz zwischen 20 und 40 könnte Mann auf seinen Jungbrunnen hoffen, bei weniger als 20 könnte die Konkurrenz bemüht sein, Wettbewerbsvorteile durch Innovation herauszuschinden. Kluge
Frau sagt niemals "dafür bist Du doch viel zu alt". Besser ist "unter Deinem Niveau" oder "der Herr Sowieso mag das auch", wobei Herr Sowieso sich bekannterweise Manns uneingeschränkter Antipathie erfreut. Plötzliches Interesse an alter oder sehr alter Musik bedeutet günstigstenfalls das herannahende Ende einer sehr reichen alten Tante, um deren Wohlwollen gebuhlt wird. Ist sie weder alt noch reich noch Tante und naht auch kein Ende, ist Mann auf neuen Geschmack gekommen. Resignieren?
Anpassen? Besser wäre, auch mal über den Tellerrand zu schielen. Und Manns Reaktion auf unerwartete Änderung Fraus Musikgeschmacks erlaubt tiefe Einblicke in sein Seelenleben.
4. Metamorphose vom Gockel zum Pfau
"Nein, er kommt nicht in die Altkleidersammlung." "Aber Du hast ihn doch schon ewig nicht mehr angezogen!" "Das ist ein guter Anzug und er war mal ziemlich teuer. Und er sieht noch aus wie neu." "Ja, wie neu vor zwanzig Jahren. Der ist doch total unmodern!" "Na und? In ein paar Jahren sind die spitzen Aufschläge wieder aktuell!" Schulterzucken. Resignation. Frau mit Vergangenheit weiß um den erbitterten Widerstand, den Mann leistet, wenn es um die Entsorgung textiler
Altlasten geht. Ob es der Pullover mit den ausgebeulten Ellenbogen oder der Glencheck-Anzug aus der Endphase der Studienzeit ist - Mann trennt sich äußerst ungern von vertrautem Outfit. In Härtefällen hilft nur, selbständig Ersatz zu beschaffen und das antiquarische Stück unauffindbar zu verstecken. Sollte dann der Schmerz über den Verlust ohne Handgreiflichkeiten abklingen, kann bei günstiger Gelegenheit die Endlösung herbeigeführt werden.
Es ist die Kontinuität im Erscheinungsbild, die Zuverlässigkeit, Seriosität und Vertrauen vermittelt. Eine ganze Branche lebt gut davon, gegen Gebühr diese Weisheit in immer neuen Variationen ihrer gutgläubigen Kundschaft zu predigen. Männer haben einen sicheren Instinkt für natürliche Zusammenhänge. So liegt es keineswegs an Faulheit, mangelnder Phantasie oder fehlenden Mitteln, wenn Mann auch über Jahre hinweg den gleichen Anzug/Sakko/Pullover ins Büro anzieht. Vertrauenswürdigkeit kann Mann sich auch ertragen.
Erfahrene Sekretärinnen nutzen dieses Wissen, um einen Geburtstagskalender anzulegen, denn jeweils am Tag danach wird die neue Krawatte ausgeführt.
In der Wirtschaft (nicht der Kneipe!) kommt es vor, dass ein exotischer Vogel einem grundsoliden Unternehmen für ein exorbitantes Honorar ein neues flippiges Erscheinungsbild verpasst. Als Grund für das neue Outfit wird dann behauptet, die Firma müsste für neue (jüngere) Kunden attraktiver werden. Was schließen wir, wenn Mann sein Äußeres modernisieren will, obwohl das Verfalldatum des Anzugs noch längst nicht überschritten ist? Ist er in schlechte Gesellschaft aus Mode, Werbung oder Kunst geraten? Das wäre noch
der harmloseste Fall.
Wahrscheinlich hat die Sekretärin (oder Kollegin) eine abfällige Bemerkung über das äußere Erscheinungsbild mancher Männer gemacht. Zu erkennen ist ein solcherart angestoßener Denkprozess mit der zweifelnden Frage "Findest Du eigentlich auch, dass mein Jackett/meine Krawatte/meine Schuhe/mein... einen Ehrenplatz im Deutschen Museum verdient haben?" In diesem Fall können Sie die Chance nutzen, ihm zu bestätigen, dass seine Kleidung doch völlig der Seriosität seines Alters entspricht. Nimmt er das mit
stolz geschwellter Brust wohlwollend zur Kenntnis, können Sie von langfristig freien Mitteln für die Investition in die eigene Garderobe ausgehen. Aber kündigen Sie deren Erwerb nie vorher an, und gehen Sie allein oder mit einer guten Freundin einkaufen. Sonst riskieren Sie ungeduldiges Trommeln, den resignativen Blick zum Himmel oder die gewissenhafte Prüfung des Preisetiketts vor jedem Kommentar.
Nimmt Mann Ihre Bestätigung jedoch zum Anlass, Atemübungen vor dem Badezimmerspiegel zu veranstalten, hat ihn das getroffen. Gehen Sie behutsam vor. Ein eleganter Blazer wird mit Sicherheit vom weiblichen Büropersonal registriert und kommentiert. Aber behalten Sie die Kontrolle über die Veränderungen, denn manche Männer sind farbenblind und schaffen Kombinationen, die sich durchaus als Ersatz für eine Warnweste eignen.
Deutlich kritischer ist, wenn Mann sich selbst ein neues Outfit beschafft - möglicherweise sogar ohne Ankündigung. Ist es dann auch noch dezent aufeinander abgestimmt, mit deutlich sichtbaren Markenzeichen und daher nicht ganz billig, ist Alarm angesagt. Natürlich könnte auch ein Verkäufer (oder eine Verkäuferin) mit Geschmack eine passende Kombination zusammenstellen, aber Verkaufspersonal dieser Klasse ist dünn gesät und überwiegend in exklusiven Geschäften anzutreffen. Wer hat ihn dort hin gebracht? Warum?
Um seine Großzügigkeit zu testen? Oder wurde die gesamte Ausstattung bei eBay ersteigert, obwohl Mann gar keinen Internetanschluss hat? Hier hilft nur, Mann mit einem dezenten Hinweis auf die etwas zu lange Hose, den fehlenden Knopf an der Gesäßtasche oder den schief gebügelten Jackenrand zu verunsichern und vielleicht zur Preisgabe seiner Quelle zu bewegen. Hilfreich bei der Quellenforschung ist, wessen positive Kommentare seines neuen Erscheinungsbilds Mann explizit erwähnt. In jedem Fall sollten alle weiteren
Veränderungen aufmerksam beobachtet werden, denn von selbst ist Mann mit Sicherheit nicht darauf gekommen.
Ernst wird es, wenn die Veränderungen auch die inneren Schichten erreichen. Es kann ganz harmlos beginnen: Mann, der Doppelripp immer als praktisch und bequem ansah, bleibt im Kaufhaus nachdenklich vor dem Regal mit farbiger Herren-Unterwäsche von Boxershorts bis zum String Tanga stehen. Er hält ein Muscle Shirt prüfend an die eigene Oberweite und greift zielsicher den Slip zwei Größen unter seiner Konfektion heraus. Für wen will er sich schmücken? Es scheint schon was Ernsthaftes zu sein, denn die äußeren Hüllen
sind schon gefallen oder sollen es in Kürze. Raten Sie ihm nicht ab. Bestärken Sie ihn. Empfehlen Sie ihm ein Modell, das sein hängendes Gesäß zur Geltung bringt und dem Bauch genügend Platz zum Überhang bietet. Wenn Sie gut sind, überzeugen Sie ihn, dass ein Kettchen zum seitlichen Abschluss modern und jugendlich wirkt. Wenn Sie Glück haben, hält der Lachkrampf seines Objektes der Begierde lang genug an, um dauerhaft lusttötend zu wirken.
Finden Sie jedoch unerwartet im Korb mit der Kochwäsche farbige Dessous mit oder ohne Eingriff, ist es schon fast zu spät. Offenbar waren diese Hüllen bereits in Gebrauch, und da ein Spermaspurentest den Kriminologen vorbehalten ist, bleibt Ihnen nur der Geruchstest: Riechen sie nach bekanntem Mann oder unbekanntem Parfum? Heben Sie am besten ein ungewaschenes Stück auf, damit Sie ein Vergleichsobjekt haben. Da Mann überwiegend bekannt statt fremd geht, werden Sie künftig alle Besucherinnen, Mitbewohnerinnen,
Kolleginnen und was Ihnen sonst an Weiblichkeit über den Weg läuft, abschnüffeln müssen: "Oh, Sie riechen aber gut. Darf ich mal?", und schon haben Sie die Nase voll. Schnell umdrehen, Corpus Delicti abriechen: passt oder passt nicht? Ganz schlechte Karten haben Sie allerdings, wenn Mann selbst in der Lage ist, die Waschmaschine zu bedienen. Das soll schon vorgekommen sein.
Eingereicht am 02. August 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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