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Kurzgeschichte Kurzgeschichten

j-ung-lücklich

© Sarah Schuster


-1-
Ein neuer Tag neigte sich dem Ende zu. Wenn man es jedoch genauer betrachtete war es keineswegs ein neuer Tag, es war nie ein neuer Tag gewesen ... es war stets bloß ein weiterer Tag im Halbschwachsinn ihrer jugendlichen Verworrenheit. Ein altes Spiel, ein alter Tag. Es fühlte sich an als erstarben die Tage bedeutungslos vor ihren Füßen. Nichts hatte sich verändert seit sie ihm zum Abschied sagte er solle gut auf sich aufpassen.
Nichts schien sich zu fügen oder annähernd Sinn zu ergeben. Ihr Verstand hing in der Luft, unfähig Fuß zu fassen in einer Realität, die Liebe nicht verschenkte, sondern einen hohen Preis verlangte. Überraschung: Wer nach großer Liebe und Sonnenschein sucht, sollte sich dem bewusst sein, nichts ist umsonst. Sie hatte immerzu das Gefühl sie müsste weglaufen ... immer weiter, immer schneller ... bevor es zu spät war. Bevor sie schließlich aufhörte sich vor dem Leben zu fürchten und ihr somit letzten Endes alles einerlei war.
Sie war jung und unglücklich, ein Klischee erster Klasse. Jugendlicher Sinn für Überdramatik und die zerrissene Orientierungslosigkeit des erwachsen Werdens - doch bemerkenswerter Weise auch eine eigene, kleine überaus wirkliche Welt ... allgemein bekannt und damit auch allgemein gültig, das war ihr bewusst. Sie war jung und unglücklich, aber was sollte sie tun, um dies zu ändern? Sie war planlos überfordert mit ihren Gefühlen, so aussichtslos, dass sie ihre Augen davor verschloss. Vollkommen aussichtslos, so dass sie ihre Gedanken nicht ordnen konnte und aus den Augen verlor was sein wird oder nie werden konnte. Vollkommen vernarrt in ihn, das war sie und sie wusste es, doch konnte sie nichts dagegen tun außer davon zu träumen die Flucht zu ergreifen ... bloß davonzulaufen. "Ich sehe mich an meinen Problemen ersticken ... ich muss weglaufen ohne zu wissen wie ich hierher gekommen bin.
Würgen an der Wirklichkeit, doch lass ich es zu, dass sie beißend scharf mir in der Kehle brennt und schnürt, weil ich hilflos bin. Hilflos überfordert mit dem, was ich fühle. Du fehlst, das ist nichts Neues - und bist du da wirst du mich gleich wieder verlassen, weil sämtliche Umstände gegen uns sind. Ich dreh mich im Kreis, vollkommen ziellos, vollkommen ... das bist du, für mich und nicht anderswie andersrum. Also was zum Teufel soll ich machen?
Weiß nicht wie ich zeigen soll was mich plagt, es würde auch nichts ändern.
Doch bin ich auch selbst Schuld daran, denn ich bin zu schwach zu wählen, zu planlos um mich zu entscheiden ... eine entscheidende Wahl gegen dich. Will doch nicht mehr als bei dir sein und auch nicht weniger, doch allen Anschein nach ist das schon zuviel. Bin ziellos, planlos, aussichtslos verloren in deinem Dasein ... ohne mich. Du machst mich willenlos und vollkommen hilflos, vollkommen ... das bist du ... für mich. Manchmal frage ich mich wie weit ich noch gehen kann? Ich sollte laufen, rennen, fliehen. Wie weit kann ich noch gehen ohne daran zu zerbrechen, vollkommen planlos verliebt?" Das war Anna, jung und unglücklich ... und sie lebte das Klischee.
-2-
Essen war der Tod, dem war sie sich sicher. Essen bedeutete Unglück, Schwäche, Trostlosigkeit und war auch immer eine große Niederlage für sie gewesen. "Essen ist Luxus" hatte sie immer gesagt, doch war Luxus der Tod?
War es nicht eher ein Luxus zu leben und Leben wie ein partielles Sterben?
Das Leben als Agonie ... Anna beschloss diesen Gedankengang schleunigst zu verwerfen, da sie sonst Gefahr lief sich wie so oft in eine geistige Sackgasse zu manövrieren, außerdem erschwerte ihr dumpf pochender Kopfschmerz erheblich das Denken. Erkenntnissuche hatte sie sowieso nie als eine ihrer Stärken empfunden. Das Fühlen war es was sie erfüllte, ein wahrer Gefühlsmensch - Herz über Kopf, kopfüber, Kopf gegen die Wand - könnte man sagen, aber war es überhaupt möglich gut zu fühlen? Fühlen als Stärke, qualitatives Fühlen? Sie fühlte im Übermaß, so konnte man das Fühlen leider auch gleichfalls als eine ihrer größten Schwächen ansehen, denn sie wusste nicht wohin damit. Die emotionale Last begrub sie förmlich unter sich, einerlei ob Schmerz oder Freude, Trauer oder Hass, es waren einfach zu viele ungeordnete Gefühle auf einmal in ihr am Gange, es waren einfach zu viele gewesen. Eine Sinnesüberreizung hatte sie es immer genannt. Zuviel ... zumindest genug, um daran zu Grunde zu gehen oder wenigstens den Verstand zu verlieren. "Ich weiß nicht, ich weiß nichts, ich weiß nicht ... ", wiederholte sie immer und immer wieder eher flüsternd als deutlich wahrnehmbar sprechend während sie in ihrem Bett lag und versuchte ein wenig Ruhe zu finden oder gar zu schlafen. Lähmende Müdigkeit war es, die sie furchtbar peinigte und die sie seit Wochen nicht aus ihren Knochen treiben konnte. Anna zitterte am ganzen Körper und wippte auffallend und unaufhörlich mit ihren Zehen, zeitweise durchfuhren ganze ruckartige Stöße ihren gesamten Fuß gleich den seltsam monotonen Bewegungen, die man von apathischen Menschen kennt. Dies war ebenfalls eine Angewohnheit, die sie seit einiger Zeit nicht mehr ablegen konnte. Die Tatsache, sei es auch fast unhörbar, dass sie ihre Unwissenheit aussprach und stetig wiederholte beruhigte sie auf eine absurde Art und Weise. In ihrem Kopf wütete ein einziger Feuerkreis voller sich drehender Gedanken, die verschwommen, verschmolzen ... unklare Konturen, wirre Flammen, Licht und Hitze, die sie nicht ertrug ... Vergegenwärtigung des Spottes und Gelächters ihres Verstandes über seine eigene Herrin, die dabei war die Kontrolle zu verlieren. Eins war klar, so schnell würde sie auch heute nicht einschlafen können. Seufzend und entrüstet stand sie nun wie zu oft in letzter Zeit auf, kramte einen Moment in ihrer bereits zerfledderten Handtasche und ein zerbeultes Päckchen Zigaretten und ein schwarzes Feuerzeug kam zum Vorschein. Sie hielt die Zigarette noch einen Augenblick mit ihren leicht geöffneten Lippen fest, um einen kurzen Blick auf ihren Digitalwecker zu erhaschen. 4:38 Uhr, ein kurzes Klicken, Rauschen von Gas und knisternde Glut ihrer ungesunden Sucht - bald würde die Sonne aufgehen, was die Möglichkeit des Schlafens für diese Nacht wohl komplett ausräumte.
Sie lief zurück zu ihrem zerwuselten Bett und setzte sich aufrecht mit dem auf ihrem Oberschenkel platzierten Aschenbecher auf die Bettkante. "Warum so tun als ginge alles gut? Warum, warum so tun als stünde die Zeit still seitdem du weg bist? Warum so tun als hätte ich dich bereits geliebt? Warum ihn kennen lernen und alles wird seltsam anders? Warum so tun als wollte ich ihn ... ich will ihn doch gar nicht. Oder vielleicht doch?". Nächtelang, unaufhaltsam, Stunde um Stunde ... die Erde drehte sich weiter, schneller und schneller, die Zeit fragte nicht, ob sie warten solle. Die Zeit war nicht schwach, sie brauchte keine Ruhe. Anna brauchte diese Ruhe schon ... sie drückte die Zigarette unachtsam aus und legte sich wieder hin. Während der Qualm langsam erlisch konnte man beobachten wie ihre Zehen erneut zu zucken begannen ... erst leicht, dann in ganzen Stößen.
-3-
"Kannst du Schweigen? Ich meine, kannst du ein Geheimnis bewahren?" Stille.
"Ich hasse mich ... "
Schweigen.
"Warum ich das tue? Schau mich doch an. Unfähigkeit, es ist ekelhaft ... Schwäche ist kein Wort im Duden ... Schwäche, das bin ich. Nichts kriegt man zu Stande außer weiteren Zugeständnissen: Ich bin eine Närrin ... nichts mache ich richtig. Süchtig nach allem, was einem Schaden zufügen kann ... Alkohol, Vertrauen, Drogen, Liebe, Schmerz und Streben nach Glück ... wo soll das alles nur hinführen ... mein Kopf schmerzt wieder unerträglich ... wann hört es endlich auf? Weißt du es treibt einen in den Wahnsinn, wenn der eigene Körper keine Ruhe finden will und diese elende Übelkeit ... Isst man etwas bringt es einen innerlich um, isst man nichts spielt der Körper auch nicht lange mit, auf Dauer stirbt man somit auch äußerlich.
Ich hasse mich ganz einfach, und ich hasse das, was der Hass aus mir macht.
Ein verstandloser Geist, so fühlt es sich an ... als wäre ich gar nicht bei mir.
Ein Albtraum, ein schlechter Witz ... Schmerzen in mir ... na ja ... was könnte ich dir anderes über die Hölle berichten, als dass es heiß ist? Aber was sollte es dich auch interessieren?" Stille.
"Warum solltest du mir auch helfen wollen?" Die junge Frau im Spiegel schwieg und weinte ..."Ja das hätte ich mir auch denken können!"
-4-
Anna trank den letzten Schluck des etwas zu stark geratenen Kaffees, den sie aufgesetzt hatte als das Telefon klingelte. Es war etwa 10 Uhr morgens gewesen, weshalb sich sogleich der Gedanke erschlich, dass es Stefan sein musste. Sie hatte seit einiger Zeit Ferien, sinngemäß waren also Telefonate mit ihren Freunden vor 13 Uhr undenkbar gewesen. Warum Stefan jedoch stets so früh anrief erklärte sich durch die zehn Stunden Zeitverschiebung, die ihr seelisch schon längere Zeit zusetzten, denn er war nun schon neunundsiebzig Tage von ihr entfernt gewesen. Sie zählte kurioser Weise gewissenhaft jeden Tag seit er fort war, wehrlose und zugleich naive Hilflosigkeit ... er war weg ... und sie war wieder allein, allein. Es machte alles keinen Sinn, denn er hatte ihr bereits am zweiundsechzigsten Tag eröffnet, dass er es für besser empfand die Beziehung zu beenden. Er hatte sie einfach aufgegeben ohne dass sie die Gründe dafür verstand, denn ihr zwecksoptimistisches Herz hatte immer daran geglaubt, dass alles möglich sei, wenn man es nur wirklich wollte.
"Ja?"
"Hallo, hier ist der Stefan ... "
Ja das wusste sie ... sie war sich jedoch noch unsicher, ob der freundliche Tonfall in der Stimme ihres Ehemaligen sie heute erfreuen würde oder sie doch eher krank machte. Bis sie sich jedoch entscheiden konnte, übte sie sich in Resignation. Sie hatten sich schließlich für Freundschaft entschieden, denn sie hatten sich immerhin nicht im Streit getrennt, sondern die im Angesicht der Umstände logisch vertretbarste Alternative gewählt.
Anna hasste Logik. Das Gespräch hatte wie gewohnt etwas über eine Stunde gedauert. Jegliche Tragik von Streit bis zum gegenseitig albernen Aufziehen war enthalten, eine Achterbahn zwischen den Seilen ... sie hatte den Kaffee nun bitter nötig und schob das Thema Stefan und die damit undefinierbaren Gefühle beiseite und legte sich wieder ins Bett, um zu zählen wie die Stunden verstreichen, denn sie würde sich später mit Tobias treffen, den sie nun seit ungefähr zwei Monaten kannte ... eins war dabei klar, dass gar nichts klar war. Sie war verwirrt und unbeholfen. Kommt Zeit, kommt Rat. Sie fürchtete, dass an der Freundschaft mit Tobias letzten Endes mehr dran war als sie sich eingestehen wollte ... oder war es doch nur die Angst davor allein zu sein?
-5-
"Ich verstehe dich ... hey, du bist was ganz besonderes ... " Tobias stellte sie wieder einmal auf ein imaginäres Podest, was sie jedoch momentan nur sekundär interessierte. Anna fand sich in einem spärlich belichteten Kellerraum eines Fabrikgeländes wieder. Es war etwa 3 Uhr nachts und sie hatte ein mulmiges Gefühl im Magen, die Erschöpfung und das billige Bier machten sich also allmählich bemerkbar. Trotz all der Anstrengung sich nicht von der Übelkeit beherrschen zu lassen, fühlte sie sich wohl. Um sie herum lagen hier und da Musikinstrumente - vom Bass über die E-Gitarre bis hin zu den Drums, die im hintersten Eck des kleinen Raumes Platz fanden - es war der Proberaum einer kleinen, noch unbekannten regionalen Rockband unter deren Besetzung sich auch Tobias zählte. Die Musik und die herzliche Hingabe für genau dieses Metier waren immer ihr beliebtestes Thema und gleichzeitig ihr größter gemeinsamer Nenner gewesen. Sie hatten ihre Momente, das war nicht zu bestreiten ... Momente der stillen Übereinkunft, Momente der Intimität, Momente der Nervosität ... bis sie schließlich der erste Kuss verband. Anna war sich in diesem Moment wirklich sicher gewesen, dass es die richtige Entscheidung gewesen war. Stefan Ade, das Leben ging weiter. Oder waren es die Momente vor dem besagten Kuss, die sie für richtig besann? Alles war spannend, neu ... eben ablenkend und sie konnte das Privileg genießen, sich wieder begehrt zu fühlen. Doch das war es nicht was sie wollte ... sie wollte nicht von ihm begehrt werden, der ihr nun vorkam wie eine fremde Last, sie wollte immer noch ihr Baby ... ihren Stefan, weil er ihr Engel war. Es tat ihr wirklich Leid, dass sie dabei war nun einem Unschuldigen in dieser Misere weh zu tun, aber es hätte zugegebener Maßen auch der Anfang etwas Erstrebenswertem sein können. Stattdessen war es leider das Ende etwas Belastendem, aber es ließ sich nicht verhindern und sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass es nichts Schlimmeres hätte geben können, als ungewiss zu sein oder zu bleiben. Genau diese Ungewissheit verflog in den Momenten als sie sich küssten, denn Tobias strahlte vor Glückseligkeit während Annas Gedanken sich der Realität entzogen und sich in sphärischer Freiheit zu Klarheit und Erkenntnis verwebten. Was sie im Geiste sah und fühlte war allein ihr Engel und sie sprach im fremden Traume ganz allein zu ihm. "Die ruhigen Minuten sind die schlimmsten Minuten ... die grausamen Minuten ... ganz ohne dich. Und alles scheint leer und Schmerz ist dort, wo Leere war und füllt den Schmerz mit neuem Raum ... du bist nicht da ... und auch nicht hier, bei mir, denn dort willst du nicht sein. Allein, verloren zwischen Zeit und Räumlichkeiten jage ich einen Traum, einen Traum von uns, der am Ende sowieso zerplatzt wie eine Seifenblase ohne Anfang nur mit Ende, das schon da war bevor es begonnen hat, denn ich wusste du würdest fort gehen. Unsere Zeit lief rückwärts ab bevor sie still stand und mir sagte, dass du nicht hier sein wirst und auch nicht ändern wirst, weder bald noch irgendwann. Bin irgendwo in der Endlosigkeit verloren und irgendwie ratlos darüber wie ich überleben soll ... so mit mir und ohne dich ... bloß mit irgendwem anders, der mir nichts bedeutet. Kann das Leben sein? Gelegentlich verlegen sein wegen den Worten, die mir fehlen, wenn ich mit dir reden will und dann so da steh wie ein Idiot und mir den Kopf zerbreche wie lächerlich und hilflos ich wieder einmal gewirkt haben muss ... auf dich. Und du bist überlegen, zehn zu eins für dich und deine Augen, die es mir nicht erlauben dich anzublicken, weil sie dann sehen würden, wer ich wirklich bin ... und wie verloren ich bin, so nur mit mir und ohne dich ... und wie du fehlst und wie ich dich vermisse, dann und wann und viel zu oft und immerzu ... " Eindeutigkeit ihrer Gedanken, Entscheidungen die getroffen werden mussten. Sie musste ihn verlassen ... die letzten Worte, die sie von Tobias hörte lieferten die Erklärung, er brauche nun etwas Zeit für sich. Seit jeher hatte sie ihn nicht gesehen, aber sie konnte nicht bei ihm bleiben, wenn sie noch so sehr an ihrem Engel hing. Ihn zu verlassen war somit die einzig logische Alternative gewesen ... Anna hasste Logik, denn sie tat Menschen weh.
-6-
"Bedenke, dass die menschlichen Verhältnisse insgesamt unbeständig sind, dann wirst du im Glück nicht zu fröhlich und im Unglück nicht zu traurig sein" >Sokrates< Welch Wahrheit alt verborgen, die sichere Seite, Schmerzprophylaxe ... aber auch Dämpfung des Glücksgefühls. "Wie traurig ... ", dachte Anna. So war es immer der wankelmütige Gang an den Extremen der Gefühle, den sie gewählt hatte und der sie erfüllte. Dass es sogleich immer die extremen Hoch- und Tiefpunkte waren, die sie aus dem Gleichgewicht rissen, nahm sie jedes Mal erneut in Kauf.
Fakt ist, dass Anna weiterhin regelmäßig mit Stefan telefonierte und er ihr versprach, sich auf jeden Fall noch einmal mit ihr zu treffen, komme was wolle ... wie dieses exemplarisch menschliche Verhältnis nun endete oder andauerte spielt hierbei keine bedeutend große Rolle mehr. Nun gut ... zugegeben, die Beziehung erlag angesichts der äußeren Umstände wie es in jungen Jahren so häufig der Fall ist, doch die Essenz, das Ding an Sich, ist jedoch nicht die Unbeständigkeit in Beziehungen angehender junger Erwachsener, sondern gerade die bedingungslose Hingabe, die es einigen jungen Menschen erlaubt, ihre Herzen ohne zu zögern der Liebe zu opfern ... und was wir in unseren Herzen bewahren, kann uns keiner mehr nehmen ... niemals.
-7-
Es war mittlerweile Spätsommer geworden. Die Schule würde bald wieder beginnen und die zahlreichen schlaflosen Nächte dieses Sommers hatten schwarz-violette Furchen unter Annas müden Augen hinterlassen. Sie spazierte durch eine Neubausiedlung in der Nachbarschaft und machte halt an einem leeren Spielplatz, der vergleichsweise viel zu alt zu sein schien ... er würde wohl bald abgerissen und durch einen modernen Kinderspielplatz mit neumodischen Hüpfburgen ersetzt werden wie sie alles hier eines Tages durch etwas neues ersetzten würden. Sie setzte sich auf eine Schaukel, deren Lack schon vom Holz splitterte und zupfte einen Moment ihren knielangen Rock zurecht bevor sie in ihrer zerfledderten Handtasche kramte und eine Zigarette zu fassen bekam. Sie hatte sie bereits zwischen ihren halboffenen Lippen fixiert als ihr nach erneutem Kramen klar wurde, dass sie ihr Feuerzeug nicht finden würde, denn sie hatte es zu Hause liegen lassen. Nach einem verzweifelten Seufzer nahm sie das Päckchen sowie die einzelne Zigarette und warf sie seitlich in eine Hecke ... sie würde lernen, sie nicht mehr zu brauchen ... Sie wendete ihren Blick in die Weite und dachte über die letzten Tage und Wochen, wie auch schließlich über den gesamten Sommer nach und bemerkte, wie sie die Ereignisse etwas traurig, ja gar melancholisch stimmten. "Ironie ... das Schicksal konnte schon ein Bastard sein", dachte sie und schüttelte dabei den Kopf. Da saß sie nun auf einer Schaukel irgendwo oder nirgendwo, es lief auf dasselbe hinaus, und lächelte. Es sah ein wenig verbittert aus, doch sie stieß sich mit ihren Beinen kräftig ab, schwang im hohen Bogen in die Luft und schaute seltsam erheitert gen Himmel. Ein richtiger Bastard war das, das Schicksal ... und ein neuer Tag neigte sich dem Ende zu.



Eingereicht am 30. Juni 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.


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