Zärtlich geschmeckter Johnny,
habe gern von Deiner Seele gefressen. Deinen Urin zu kosten war göttlich,
soll ja heilen. Und als Du Dich in meinem Mund so prickelnd direkt entleert hast,
dachte ich an Casablanca. Der Beginn unserer wunderbaren Freundschaft ist bereits
an unseren ersten Hitzewallungen erstickt, ich weiß. Hätten wir sie doch in der
Sauna genossen und nicht auf der Bahnhofstoilette. Spüre Deine Zunge in mir,
an mir, frage mich jetzt, ob sie belegt war, unappetitlich grün überzogen gar.
Vielleicht. Habe ich nicht bemerkt. Du hattest Rotes und Gelbes in den Zähnen,
irgendwo dazwischen, aber ich habe mitgekaut, ohne nachzudenken. Unbedingt gern
gerochen habe ich Dich nicht. Dein Schwanz schmeckte nach abgestandenem Grapefruitsaft,
mein Guter, ich musste öfter würgen, als es würdevoll gewesen wäre. Egal. Dein
Atem war schlimmer. Als hätte jemand in Dich rein gekotzt, der Übles gegessen
hatte. Gekochte Leber. Oder rohen Hering. Weiß nicht, strenge mich an, Dir Gutes
zu sagen. Will jetzt nicht philosophisch werden, weiß, das magst Du nicht. Hältst
mich für geistig einfach strukturiert, hast Du mir gesagt, als ich an Deinen
Ohrläppchen knabberte. Du hast da Haare, klebrig grau, die gehören da nicht hin,
wollte ich Dir schon immer sagen, trau mich jetzt, weil ich französischen Rotwein
trinke und gut deutsch sauer bin. Trotzdem. Ich liebte Dich. Dein Bauch ist so
weich und weiß, irgendwie zu dick, meinst Du nicht?! Kannst Du eigentlich noch
ordentlich Deine Eier sehen? War sehr angetan von Dir und Nietzsche, hast ja
ständig mit dem telefoniert. Labertasche, der. Und Hemingway, Dein alter Freund.
Wäre schön gewesen, den mal kennen zu lernen. Interessiere mich ja nicht unbedingt
für Fische, aber Du nanntest ihn Ernest, hat mich beeindruckt. Deine Zehennägel
müssten mal geschnitten werden, und Deine Beine sind zu kurz. Habe im Traum
nachgemessen, Deine blieben immer unter der Bettdecke, meine nicht, wieso
eigentlich? Ich liebte es, Dich röcheln zu hören. Manchmal habe ich meine
Finger in Deine Nasenlöcher gesteckt,
dann hast Du aufgehört, zu schnarchen. Aber ich hatte Angst, Du würdest ersticken,
so ganz ohne Nase. Braucht man, oder? Habe mich aufgepolstert für Dich, Du
schwörst ja auf fette Bälle, habe mich runter gehungert, sehe jetzt irgendwie
Scheiße aus. Zu viel Scheiße für Dich, nehme ich an. Hast gegähnt, wenn ich
klug wurde.
Liebte Dich, liebe Dich noch, und fick Dich selbst
Corinna
Warum wünscht sich ein Mädchen in einer Leichenhalle zu liegen und aufzuwachen in einem weißen Nachthemd aus Spitze, das dem Totenhemd ihrer Tante ähnelt? Wer ist der Tote Mann auf dem Bett, in dessen Hals ein Schraubenzieher steckt? Wem gehört der Ring, der im Garten unter einer Zeder vergraben wurde? Kann ein harmloser Teddybär zum Mörder werden? Warum kann es verhängnisvoll sein, ein Einmachglas fallen zu lassen oder als Kind an seinem Zeh zu lutschen? Wer waren die Personen, die auf dem alten Gemälde ohne
Augen dargstellt sind und was ist ihr Geheimnis? …
Karin Reddemanns Geschichten erwecken alltägliche Ängste und düstere Bilder und entführen den Leser in eine verstörte und verstörende Welt.