Ein Teil des Gefüges
© Wolfgang Scholmanns
Sie liegt noch nicht lange zurück, diese Zeit, in der mein Geist in den Mantel dichter Nebel gehüllt war und ich den Glauben an das Leben verloren hatte. Was sollte ich noch auf dieser Erde, in dieser Welt?
Während dieser Zeit besuchte ich manchmal einen kleinen Waldsee, klagte ihm mein Leid und bat ihn um Hilfe. Aber bei meinen letzten Besuchen hüllte er sich immer in erbarmungsloses Schweigen.
An irgendeinem Tag, der so finster war, dass ich das Gefühl hatte, Verzweiflung und Trübsinn wollen mich in die Tiefe des Grabes locken, führte mich mein Weg wieder zu den Ufern des kleinen Sees. Ich setzte mich auf einen Baumstumpf, legte meinen Kopf in beide Hände und ließ die Bilder vergangener Tage in einem Film trüber Farben an mir vorüberziehen.
Plötzlich spürte ich angenehme Wärme, schaute über die Bäume hinweg Richtung Himmel, und sah einen wunderschönen Stern, der sein Licht, gebündelt zu einem warmen Strahl, auf die Wasseroberfläche meines Sees schickte und dort einen Punkt markierte. Dieser Punkt zog meinen Blick magisch an und ich hatte das Gefühl, dass mein See mich dazu aufforderte, meinen Blick an dieser Stelle in seine Fluten zu versenken.
Ich folgte diesem Gefühl und sah mich mit vielen anderen Personen eifrig an einem Bauwerk arbeiten. Wir waren uns alle sehr ähnlich, und doch unterschied uns einiges voneinander.
Alle waren füreinander da, so als würde einer den Anderen brauchen. Zwar hatte jeder seinen eigenen Platz und dennoch befanden wir uns alle in einem einzigen Raum. Nach längerem Hinsehen erschien mir das Bild der Betrachtung wie ein Gefüge, in dem jeder der Anwesenden, egal ob groß oder klein, dick oder dünn, den gleichen Wert hatte. Wenn auch nur ein einziger aus diesem Gefüge fehlen würde, es bräche zusammen und jeder einzelne würde seinen Halt verlieren.
Ich spürte auf einmal ein starkes Gefühl in mir aufsteigen, ein Heimweh nach den Quellen des Lebens, ein Verlangen, sich mit allem Lebendigen, Schaffenden, Wachsenden befreundet und eins zu fühlen. Ja, dieses Gefüge zeigte mir den Schlüssel zu den Geheimnissen der Welt.
Ich möchte diesen mir wichtigen Teil der Dinge stets im Blickfeld meines Bewusstseins haben, nicht für den Wert meines Ich, sondern dass ich zwischen dem Bezirk meines Bewusstseins und des Unterbewussten eine gute flüssige Beziehung habe.
Und dann noch ... den Glauben, dass uns kein Glück oder Unglück geschieht, dem wir nicht einen Sinn und eine Wendung ins Wertvolle geben können, den möchte ich behalten und weder für mich noch für andere aufgeben.
Eingereicht am 18. Juni 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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