Charly hat Geburtstag
© Elke Link
Wie froh war ich, dass heute endlich wieder die Sonne schien und ich meinen dicken Pulli gegen meinen Badeanzug austauschen konnte.
Es war unser letzter Tag hier in Gargnano am Gardasee.
Eine wundervolle einträchtige Woche lag hinter mir und meiner besseren Hälfte. Es war eine Lese- und Schreibwoche, die ER mir gönnte. Ja - gönnen ist das richtige Wort - er opferte sich schier auf - für mich, die ja doch so vollkommen andere Vorstellungen von Urlaub hat, als er.
Er saß still unter seinem Sonnenschirm, las immer wieder in das von ihm schon total ausgelesene Exemplar einer Zeitung. Plötzlich hörte ich ihn unter seinem Sonnenschirm schnarchen, weil er wahrscheinlich von dem roten Bardolino, den wir zum Essen getrunken hatten, müde geworden war. Er war ein Schatz. Wie er so da lag, die Beine weit von sich gestreckt, seine Bayern-München-Kappe tief ins Gesicht gezogen.
Ich genoss es, dass er schlief, denn ich wollte mit meinen Gedanken alleine sein.
Schon seit Tagen marterte ich mich unentwegt. Ich hatte mir doch vorgenommen, im Urlaub eine neue Kurzgeschichte zu schreiben, aber es wollte mir partout nichts einfallen. Und nun stand ich hier, hoffte, dass das Glas Wein mir die erforderliche Leichtigkeit verleihen würde, einen produktiven Einfall zu bekommen.
Ich schaute auf diesen majestätischen See, auf den die weißen Wolken große dunkle Schatten warfen. Dazwischen blitzte der azurblaue Himmel und die helle Sonne, die immer wieder versprach, die Wolken zu vertreiben.
Ich schaute hinüber zum Monte Baldo, der jetzt - in der ersten Maiwoche - besonders prächtig aussah, als sei er mit einem dicken flauschigen Laubteppich überzogen.
"Wer ist Charly?", lautete die Frage, die mich aus meiner Traumwelt riss.
"Sag mir, wer Charly ist!", quetschte er sich nochmals durch die Lippen.
"Charly?", war meine Reaktion, die ihm offensichtlich nicht genügte.
Moritz unser Hund, blickte gelangweilt von seinem Kissen auf.
"Auch das noch", schien sein Blick zu verraten. Lilly, sein kleines Hundefrauchen, versuchte mit ihrem zuckersüßen Blick, ihre aufkommende Belustigung in Schach zu halten. Sie kann so ganz versteckt grinsen, dann öffnet sie so ein bisschen den Mund und ihre kleinen Zähnchen werden sichtbar.
Also, Moritz und Lilly schien der Name CHARLY überhaupt nicht aufzuregen. Sie kannten ihn schon.
Kurz und gut: Mein "Herrchen" stand immer noch im Türrahmen und hielt mein Terminbuch extrem verachtend von sich, als würde es beißen.
"Kannst Du mir jetzt mal sagen, WER denn CHARLY ist? Dein CHARLY hat am 21. Mai Geburtstag - schreibst du dir neuerdings von allen Männern, die du kennst, die Geburtstage auf????
Ich verkniff mir das Lachen, versuchte möglichst schuldbewusst dreinzuschauen, mimte die Sünderin, gab es zu, Charly schon mehrfach per Internet Grüße geschickt zu haben und erzählte, dass ich sogar ein Foto von ihm hätte, ein Foto …
"Zeig mir sofort das Foto", tobte mittlerweile mein Bester.
Die Atmosphäre nahm gespenstische Formen an.
Es war kaum auszuhalten, wie langsam sich mein Laptop hochlud, endlich - unter "Fotos" hatte ich es abgespeichert, dann "Foto Charly" und … uns blickten Charlys treue Hundeaugen an … die dann dafür verantwortlich waren, dass wir die letzte Flasche Prosecco "pitschten" und wieder glücklich sein konnten.
Hätten Moritz und Lilly sprechen können, hätten sie dieses Missverständnis sofort aufgeklärt. Aber Frauchen brauchte das Datum gar nicht in ihr Terminbuch zu schreiben, denn Moritz und Lilly hätten sie schon daran erinnert, dass dieser große Schäferhund, der weit weg, im Norden Deutschlands wohnt, und der der Protagonist vieler Kurzgeschichten seines Herrchens ist, Geburtstag hat.
HAPPY BIRTHDAY - Charly!!!
Eingereicht am 08. Mai 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.