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Kurzgeschichte Kurzgeschichten

Mein Frauenabend

© Frank Moné


Der Freitagmittag fing eigentlich ganz normal an. Bis zu dem Zeitpunkt, an den sich Angelika, meine geliebte Ehegattin, den Arm brach. Vom Arzt wieder zuhause schaute sie unglücklich auf ihren Gips und meinte verzweifelt:
"Mist, was mache ich jetzt?" Bestimmt hatte sie Schmerzen und verständnisvoll bot ich ihr an, eine Tablette zu holen.
"Tablette? Wieso eine Tablette?" fragte sie.
"Na, wegen der Schmerzen", antwortete ich.
"Schmerzen? Ich habe keine Schmerzen. Aber es sieht bescheuert aus und der weiße Gips macht mich noch blasser als ich schon bin."
"Ah. Ach so," mehr fiel mir dazu im Moment nicht ein. Aber an der tiefen Verzweiflung leidend, die aus ihren Augen schaute, sie hatte heute nämlich wieder ihren heiß geliebten Frauenabend, versuchte ich sie aufzumuntern:
" Hör zu, leg dich ein bisschen hin, um die Getränke und eure Häppchen kümmere ich mich schon. Ok?" Ein kleines Lächeln und ein dankbarer Blick, der mein Herz erwärmte, waren ihre Antwort.
Angelika verschwand nach oben und ich machte mich an die Vorbereitungen. War alles da oder sollte ich noch mal in die Stadt? Fruchtsäfte und die entsprechenden Gläser, Sekt und Sektgläser, zwei große Schalen auf denen die Häppchen serviert wurden, fünf kleinere Teller, Servietten, Messer, Gabeln, kleine Piekser für die Früchte und Käsewürfel, Körbchen für das frisch aufgebackene Weißbrot, Wein und Weingläser, und und und. Alles da. Zwischendurch rief ich Klaus an und sagte meine Teilnahme an unserem DVD-Abend ab. Auch nach meiner ausführlichen Erklärung warum, zeigte er wenig Verständnis und legte einfach auf. Unsensibler Idiot! Nach anderthalb Stunden war ich mit den Vorbereitungen fertig. Erleichtert atmete ich auf. Ich richtete alles in der Küche so an, damit es nachher nur noch ins Wohnzimmer getragen werden konnte. Wie ging es meinem Schatz? Auf Zehenspitzen schlich ich nach oben. Vorsichtig fragte ich:
"Angie, schläfst du noch?"
"Schlafen? Wie kommst du auf die Idee?", war die etwas barsche Antwort. Hosen, Blusen und Kleider lagen auf unserem Bett, darunter sieben, nein, neun paar Schuhe.
"Alles passt nicht so richtig zu diesem weißen Ungetüm", zeterte meine Angebetete und drohte mir mit dem Gipsarm.
"Was hältst du von dem rotweißen Hosenanzug, oder ist es dann zuviel weiß?"
"Mhh, ich male dir ein paar große rote Streifen auf den Gips, dann paßt es", versuchte ich zu scherzen. Oh, oh. Ihr vernichtender Blick trennte meinen Kopf vom restlichen Körper. Sie entschied sich für den Hosenanzug, ohne Streifen auf dem Gips. In der Küche angekommen, begutachtete sie mein Werk.
"Fein, du bist ein Schatz", säuselte sie und mein Tag wurde wieder etwas schöner. "Beleg bitte noch zwei Teller mit großen Salatblättern, da kommen noch Dips drauf. Lass den Rand ruhig ein bisschen hervor gucken, damit man das schöne Muster auch sieht."
Ok, kein Problem für jemand wie mich. Gedacht, getan.
Keine fünf Minuten später klingelte es an der Tür.
"Ich mach schon auf, bleib sitzen", rief ich Angie zu. Schwungvoll öffnete ich die Haustür und Biggis Lächeln gefror augenblicklich als sie mich sah und machte schleunigst Platz für eine entsetzte Miene.
"Hi, Biggi, komm rein", begrüßte ich das Nichts, denn Biggi war schon nach innen geflohen. Ich hörte Biggi noch entsetzt flüstern:
"Aber Angie, was macht der denn hier." Nachdem die restlichen drei Begrüßungen (Silvia, Karolin und Moni) ähnlich verliefen, machte sich in mir ein Gefühl breit, das ich das letzte Mal beim Abschlussball hatte und fürchtete, keines der Mädchen würde mich zum Tanzen auffordern. Achselzuckend schlich ich in die Küche und lud den Wohnzimmertisch mit den Leckereien voll. Ein Ah und Oh ging durch die erlauchte Menge der anwesenden Damen und Angie verkündete stolz, dass dies alles mir zu verdanken war, da sie ja auf so grausame Weise gehandikapt war. Die urplötzlich darauf hin eintretende Stille entzog sich völlig meiner Interpretation.
Auf dem Weg in die Küche überlegte ich fieberhaft, was ich falsch gemacht hatte, als ich Karolins leise Stimme vernahm:
"Sieht man, die Salatblätter ordnet man nämlich so an, dass man vom Teller nichts mehr sieht".
Angie, dachte ich, Angie, mach sie fertig und ein böses Grinsen kroch in mein Gesicht. Gleich würde Angie mich verteidigen, diese Schnepfe zurecht weisen. Gleich...
Geräuschlos näherte ich mich der Tür damit ich nichts davon verpasste und lauschte. Sie diskutierten über die neue Mitarbeiterin in Monis Büro.
Irgendwie lief die Geschichte an mir vorbei. Und um meine Rache betrogen wurde der Drang in Richtung Messerschublade fast übermenschlich. Ich stellte die letzten Utensilien auf den Tisch und Angelika sagte in meine Richtung:
"Danke, das ist schön". Oder hatte sie gesagt: Danke, du kannst gehen? Am Boden zerstört trollte ich mich mit hängenden Schultern in mein Büro, welches an diesen Raum der unermesslichen Qualen, sprich amazonenverseuchtes Wohnzimmer, angrenzte.
Kraftlos zog ich die Falttür zu und setzte mich vor meinen Computer. Mein Computer, der einzige echte Freund des Mannes, würde mir helfen, meine Qualen zu lindern. Half Life, ein echt brutales Ballerspiel. Dort wimmelte es von furchtbaren Gestalten... Silvia, Biggi, Moni und Karolin. Ich schoss und tötete meisterhaft, aber ein verborgenes Monster schaffte es jedes mal mich aus dem Spiel zu werfen. Man konnte das Gesicht nicht sehen, aber ich wusste wie es aussah.
"Markus. Markus! MARKUS!!! Komm bitte mal rein, wir brauchen die Meinung eines Mannes."
Sie brauchten MEINE Meinung? Wie denn das? Halt. Stop. Nicht meine Meinung, sondern die irgend eines (anonymen?) Kerls! Oh, oh. Jetzt wird's haarig. Bei mir klingelten alle Alarmglocken. Unsicher torkelte ich in Richtung Scheiterhaufen, äh Wohnzimmer. In der Mitte der vier anderen Racheengel stand Silvia und präsentierte mit hochgezogenem Pulli ihren neuen Push-Up-BH, oder wie das Teil hieß. Erwartungsvoll strahlte sie mich an und schien irgendwas von mir zu erwarten. Meine Kinnlade fiel mir vor die Füße und die treulose Angie ergriff das Wort und sagte:
"Na, was meinst du?"
Ich erinnerte mich, dass Silvia tot unglücklich über ihren zu kleinen Busen war und schon eine Brustvergrößerung ins Auge gefasst hatte. Sicher konnte ich jetzt wieder Boden gut machen, indem ich Silvia beistand und ihr das sagte, was sie ganz bestimmt auch hören wollte. So stammelte ich:
"Ja, schön. Sieht gut und, äh, wirklich verführerisch aus". Während Silvia tatsächlich glücklich gluckste, meinte Moni:
"Typisch Mann, Hauptsache die Titten sind groß genug".
Was passiert, wenn sich im Innern einer einhundert Meter dicken Stahlkugel ein winziger Tropfen Wasser befindet und dieser gefriert? Er zerreißt die Stahlkugel. Und so ging es mir gerade. Na ja, fast. Denn wenn ich jetzt platzte, wer machte dann die Sauerei wieder weg?
"Danke, Markus", hörte ich noch Silvia flöten.
Mein Ballerspiel holte mich wieder runter. Dann schaltete ich den PC aus und lauschte noch den Gesprächen dieser langhaarigen Monster. Es waren schon beeindruckende Geschöpfe, ohne Zweifel. Alle redeten gleichzeitig, mit vier verschieden Leuten und doch bekamen sie alles mit. Ein einziges Durcheinander. Anders wie Männer waren sie scheinbar wirklich multitaskingfähig. Ich schickte meinem Computer einen argwöhnischen Blick. War er am Ende etwa auch eine Frau?
Ich akzeptierte resignierend die Tatsache, dass ein konstruktives Verständnis zwischen Mann und Frau wohl nicht möglich ist, in der Art wie es Millionen anderer Männer auch taten: Weiber.
"Markus, setzt du dich noch ein bisschen zu uns?"
Eine kleine verbale Rache gönnte ich mir noch: "Nein, entschuldigt mich. Ich gehe ins Bett. Migräne."
Mitfühlend nickten fünf gestylte Hyänenmähnen im Gleichtakt.
Ich lag im Bett und grinste still in mich hinein. Herrgott, die Frauen. Sie waren hart im Nehmen und noch härter im Austeilen, sie konnten nerven und einem zur Weißglut treiben, aber sie waren in allen Bereichen auch der Himmel auf Erden.
Eigentlich ... wollte ich nicht eine von ihnen missen müssen.



Eingereicht am 28. April 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.

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