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Kurzgeschichte Kurzgeschichten

Das Ding

© Frank Moné


Ich hielt es in meinen Händen. Endlich. Was hatte es mich alles gekostet, bis es so weit war. So viel Entbehrungen. So viel Aufregungen. Gelogen und betrogen hatte ich dafür. Einzig das Töten blieb mir erspart. Gehetzt blickte ich mich um. Ich brauchte einen ruhigen, einsamen Platz, an dem ich mir meinen Schatz ansehen konnte. An dem ich zur Ruhe kam und mir ungestört Gedanken über mein weiteres Vorgehen machen konnte. Ich wusste wohin. Nach allen Seiten sichernd legte ich den Weg zurück. Niemand schien mich mehr als gewöhnlich zu beachten. Dann kam mein Ziel in Sicht. Hinein in die schützende Dunkelheit. Eilig verschloss ich den Eingang. Schwer atmend setzte ich mich einfach auf den kühlenden Boden und kam langsam zur Ruhe. Mit dem nackten Arm wischte ich mir den Schweiß von der Stirn, strich die nassen Haare aus dem Gesicht und legte meine Beute mit äußerster Vorsicht vor mir ab.
Hatte ich das Richtige getan? War es das alles wert? Oder hätte ich noch warten sollen? Erbitterte Zweifel plagten mich und Tausende Szenarien bildeten in meinem Kopf ein schmerzhaftes Wirrwarr. Ruhig, ganz ruhig. So weit, so gut. Was war schon passiert? Noch hatte ich die Möglichkeit umzukehren. Also, keine Panik. Ich berührte zaghaft den breiten, weichen Lederstreifen, in den das Ding eingewickelt war. Zuerst zupfte ich das rechte Ende auf, dann das linke. Zum Vorschein kam ein kleines schweres Behältnis, ähnlich einer winzig kleinen Schatztruhe. Darin ruhte es. Geschützt vor der Außenwelt. Ich war dem alten, weisen Mann dankbar, dass er es noch einmal mit einem weiteren Schutz, eben dieser kleinen Truhe, versehen hatte. Das gab mir noch etwas Zeit, obwohl ich wusste, dass ich den Moment der Wahrheit dadurch nur weiter verzögerte. Ihr heiligen Götter, wie sah das Ding aus? War es so wie sich erzählte? So, wie ich es mir vorstellte? Ich atmete tief ein, hielt die Luft an. Meine Hände wurden feucht und sie begannen zu zittern, als ich ängstlich den verzierten Deckel Stückchen um Stückchen anhob. Meine Lunge schrie nach Sauerstoff und stoßartig verließ die verbrauchte Luft meine Lungen. Beinahe wäre der Deckel dadurch wieder zugefallen. Im letzten Moment konnte ich es verhindern. Verdammt! Verdammt! Verdammt! Konzentrier dich, du Barbar. Ich hob die Truhe ein wenig an und ein verirrter Sonnenstrahl traf das Innere. Ganz kurz nur erstrahlte es in einem fast überirdischen Glanz. Zu hell um etwas zu erkennen. Ich stellte es wieder auf den Boden und schloss verärgert die Augen. Was soll das, fragte ich mich. Du bist doch kein unreifer Jüngling mehr. Du wolltest das Ding haben, jetzt sieh es dir auch an. Unvermittelt sprang ich auf und schrie mir die Anspannung aus dem Körper. So lange bis ich heiser war. Gut. Besser. Viel Besser. Ich nahm einen neuen Anlauf. Als wollte ich es anbeten, kniete ich mich davor hin. Je weiter ich mich vorbeugte umso schneller schlug meine Herz wütend gegen meine Rippen. Ich konnte es fast sehen ... Jetzt ... Da ... Und ich sah.
Ein illuminierender Glanz lag auf dem Ding. Es spiegelte selbst das hier drin herrschende Dämmerlicht auf unnatürliche Weise wider. Es bestand aus einem wunderbaren seltenen Metall. Allein zur Beschaffung dieses Elements waren in der Vergangenheit schon Tausende verhungert, verdurstet, umgebracht worden oder vor Erschöpfung gestorben. Mutiger geworden schob ich es ein wenig zur Seite, damit es wieder von einem Sonnenstrahl getroffen wurde. Noch ein Stückchen. Jetzt. Es spiegelte den Sonnenstrahl wider und der traf direkt auf meinen Körper. Ich sah an mir herunter, wie in eine weiche Aura gehüllt umspielte mich die Macht des Dings. Ich genoss einige Zeit dieses Gefühl. Es erhob mich, machte mich zu etwas Besonderem, aber ich durfte nicht zu lange warten. Ich hatte noch eine Entscheidung zu treffen. So zwang ich meine Augen wieder zu dem Ding und ich entdeckte Zeichen auf seiner inneren Rundung. Schweiß lief mir in die Augen und die Zeichen verschwammen, ganz so, als sollte, nein als durfte ich nicht sehen was dort enthüllt wurde. Aber tief in meinem Innern, kannte ich die Bedeutung der Zeichen. Und das ließ mich frösteln. Die Zeit der Entscheidung war schon nahe. Was sollte ich tun? Wie sollte ich entscheiden? Es hing so viel davon ab. Es hing von mir ab. Für mich, die Siedlung, ja möglicherweise für die ganze Welt. Mit dem Ding, bzw. mit dem was es darstellte, konnte ich die Welt verändern. Und es hatte seine Macht ja schon demonstriert. Es konnte Menschen zusammen führen, zusammen halten. Es konnte, im übertragenden Sinne, sogar Leben entstehen lassen, Dynastien gründen. Es konnte soviel Gutes tun. Aber wo Licht ist, ist auch Schatten. Man berichtete mir noch heute früh, dass sich wegen dem Ding die Menschen immer wieder töteten. Ganze Familien waren ausgerottet worden. Es hatte schon fürchterliche Kriege entfesselt. Die eine Seite hatte Gott geschmiedet, die andere mit Sicherheit der Teufel. Ich musste mich entscheiden. Jetzt und hier. Und ich traf meine Entscheidung.
Fein säuberlich packte ich alles zusammen, ging duschen und zog mich um. Ich war mir sicher, dass Sabine JA sagen würde und hoffte, dass ihr der Ehering gefiel.



Eingereicht am 27. April 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.


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