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Kurzgeschichte Kurzgeschichten

Ich und Viren

© Igor Zobin


Ach ja, die Viren. Seit dem schicksalhaften Tag im Frühling 2000, als ich zum ersten Mal mit meinem 56K Modem ins Internet ging, dauert mein Kampf gegen sie an. Zunächst bekämpfte ich sie radikal: sobald das Windows zu spinnen anfing, legte ich meine Windows 98 CD ein, bootete im MS-DOS Modus neu und tippte "format c:" ein. Da es außer Windows auf meiner Festplatte nur Spiele gab, die ich später von den CDs wieder installieren konnte, war diese (zugegebenermaßen sehr wirkungsvolle) Methode für mich gut geeignet. Und überhaupt, ich mag Neuinstallationen. Neuinstallationen haben etwas magisches, wissen Sie?
Solange sie andauern, weiß man genau, alles geht richtig. Es gibt keine Viren, keine aus Versehen gelöschte Systemdateien, alles ist perfekt. Dieses Gefühl hält sich auch ein Paar Tage nach der Neuinstallation. Bis ich mich entschließe, ins Internet zu gehen, sagen wir mal um ein Paar Seiten mit schönen Fotos von schönen Frauen zu besuchen. Dann geht die Sache wieder von vorne los, ich sitze grimmig vor einem blauen Monitor und schaue mir gelangweilt die Speicheradresse an, an der ein unbehebbarer Fehler aufgetreten ist. Meine Hände jucken nach der Windows CD und ich kann mich höchstens ein Paar Wochen davon abhalten die Festplatte nicht wieder zu formatieren.
Aber das war alles früher. Als ich noch Windows 98 hatte. Aber vor einiger Zeit, bin ich, wie auch alle anderen Microsoft-Opfer, auf Windows XP umgestiegen. Eine gute Entscheidung. Zunächst war der Unterschied für mich ganz eindeutig: wenn Windows 98 im Schnitt jede zwei bis drei Wochen neu installiert werden musste, konnte sich XP in Einzelfällen sogar einige Monate halten. Dem Schicksal der Neuinstallation aber, konnte auch dieses neue winzig-weiche Produkt nicht entkommen. Irgendwann wurde ich des ständigen Formatierens satt und beschloss mehr über das Innenleben von Windows zu erfahren, um Viren und andere böse Fehler einfach beseitigen zu können, ohne gleich zu meiner radikalen Lösung zu greifen. Das lag unter anderem daran, dass sich auf meiner Platte langsam Dateien ansammelten, die nicht so einfach wieder zu beschaffen wären. Wie z.B. meine Musik Sammlung, aus bescheidenen 400 Liedern, die ich auf einer LAN Party von einem Freund gesaugt habe. Da mein Internet Anschluss immer noch der Alte war (56K, Sie erinnern sich noch?) hütete ich den Ordner Musik wie mein eigenes Auge. Und da bin ich nun: ich habe die in Windows integrierte Firewall aktiviert, ich aktualisiere mein AntiVirus jede 14 Tage, wie im Programm selbst vorgeschrieben, ich habe sogar ein super-mächtiges Tool escan, welches zum vollen Scannen meiner Festplatte eine ganze Stunde braucht und Viren an Stellen findet, von denen ich gar nicht wusste, dass es sie gibt, ich kenne alle notwendigen Prozesse und kann so schnell Viren entdecken die im Hintergrund laufen, ich weiß sogar von einigen Orten in der Registry wo sich die hartnäckigsten Würmer ab und zu verstecken. Und, glauben Sie, es hat mir etwas gebracht? Niemals!
Mein Windows ist seit gestern frisch installiert, ich war auch noch nicht im Internet, genieße also noch das "unbefleckte" System. Und das, obwohl ich alles Mögliche getan habe! 59 verseuchte Dateien habe ich entdeckt und gelöscht, allein die Datei SVSS32.exe tauchte 4 Mal wieder auf und musste erneut in den Papierkorb befördert werden. Die Registry wurde von vorne bis hinten durchsucht und um 10-20 Einträge erleichtert und trotzdem kamen die Viren, wie Blumenkohl, immer wieder. Liebe AntiVirus Hersteller! Es ist sehr schön, dass es so viele tolle Programme gibt, die alle Viren aufspüren. Aber es wäre doch sinnvoll, dass man diese Dateien so löschen könnte, dass sie nach einem Neustart nicht wieder dort sind, wo sie auch früher waren!
Aber es ist sowieso sinnlos; ich denke nicht, dass irgendein Programmierer einer respektablen Software Firma das hier gerade liest.
Zum Glück verlor ich meine Musiksammlung nicht: meine Festplatte hat zwei Partitionen, genau für so einen Fall angelegt ...



Eingereicht am 29. März 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.


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