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Der Tanz

Gaby Schumacher


Sie hörte die Musik. Die Klänge, die sie über alles liebte, die ihrem Herzen die Freiheit, die Zärtlichkeit vermittelten, die sie Zeit ihres Lebens so sehr gesucht hatte. Immer, wenn ein Walzer, ihr Walzer gespielt wurde, fühlte sie sich in eine andere Welt versetzt. In eine Welt der Harmonie.
Vor ihrem inneren Auge flimmerte ein zart-nebulöses Bild: Eine von bunten Blumen übersäte Wiese, über die ein leiser Windhauch strich, über der am Himmel die Singvögel ein verzaubertes Lied zwitscherten. Und mitten auf der Wiese sie selbst, angetan mit einem romantischen Abendkleid, dessen weit schwingender Rock sie im Rhythmus der Musik über den Wiesengrund trug. Es war, als ob sie schwebte. Während sie sich unaufhörlich wieder und wieder im Kreise drehte, breitete sie ihre Arme zur Seite und ließ die Luft an ihnen vorbei streichen. Genoss dies gleich der zärtlichen Berührung durch einen imaginären Partner.
Sie warf den Kopf in den Nacken, um sich los zu lösen von dem Gefühl der Einsamkeit, der Sehnsucht nach Zweisamkeit. Sie konzentrierte sie sich darauf, Abstand zu nehmen von allem, was sie so sehr bedrückte, sich hinzugeben dem Glück des Augenblickes. Um Kraft daraus zu schöpfen für die nüchterne, kalte Zeit danach. Die Realität, die für sie einen einzigen Kampf bedeutete. Den Kampf um ihre eigene Gesundung, die Erholung von großem Schmerz, der ihr angetan worden war.
Die Meisten hätten gelacht, dass es sie so berührt hatte. Sie hätten gesagt: "Vergiss es!" Natürlich hatten diese "die Meisten" Recht. Doch sie war anders. Sie litt und vermochte nicht einfach abzustellen, was in ihrem Innern vorging. Sie suggerierte sich ein, es wäre vorbei, es wäre Vergangenheit, nun dürfe sie leben.
Aber sie wusste: Es ginge nie ganz vorbei, wäre niemals ganz vergessen, würde sie gedanklich immer wieder einholen. Natürlich würde die Erinnerung daran verblassen. Vergehen könnte sie nie.
In diesem Bewusstsein lebte sie. Gerade deshalb gab sie sich völlig diesen verzauberten Momenten hin. Sie waren Balsam für ihre Seele, halfen ihr, immer öfter wirklich glücklich zu sein. Jeder nachfolgende Tanz war ein wichtiger Schritt der Erholung, bedeutete ein paar Minuten tiefes Glück für sie. Dieses Gefühl hielte sie fest. Für immer.
Die Musik war längst verklungen. Aber das junge Mädchen ignorierte die um sie her eingetretene Stille. Sie hatte die Wirklichkeit hinter sich gelassen und tanzte entrückt durch die Welt der Träume, der Blumen und der Melodien.
Freude sollte fortan ihr Leben bestimmen. Sie war endlich frei.

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