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Kurzgeschichte Kurzgeschichten

Enttäuschung

© Wolfgang Scholmanns


Nach einer heftigen Auseinandersetzung mit meiner Freundin war ich an diesem Sonntagmorgen total verzweifelt. Ich setzte mich ins Auto und fuhr ziellos durch die Gegend. Irgendwann fiel mir ein Freund ein, der mir vor einiger Zeit mal das Angebot gemacht hatte, ihn doch einmal zu besuchen. Als ich dann vor ein paar Monaten, ganz in der Nähe seines Hauses war, fiel mir diese Einladung wieder ein. Da ich aber nicht überraschend bei ihm erscheinen wollte, rief ich ihn vorher an, um meinen Besuch anzukündigen. Aber er hatte keine Zeit und sagte mir, dass er schon etwas anderes vorhabe. Ich dachte so bei mir, na ja, musste ich mit rechnen, denn mein Anruf kam ja auch so überraschend. Diese kleine Episode, sei nur am Rande erwähnt, doch sie kam mir nach dem heutigen Erlebnis ganz schnell wieder in Erinnerung. In den letzten Monaten haben wir uns manchmal in einer Kneipe getroffen, haben uns über alle möglichen Dinge unterhalten und wir hatten beide das Gefühl, dass wir uns immer besser verstehen würden und dass sich zwischen uns ein inniges Vertrauensverhältnis aufgebaut habe. Dieses Vertrauensverhältnis, bewegte mich an diesem Sonntagmorgen dazu, zu ihm zu fahren, um ihm mein Herz auszuschütten. Kurz bevor ich mein Ziel erreicht hatte dachte ich, dass ich besser vorher anrufen sollte, um nicht allzu überraschend bei ihm zu erscheinen. Ich hielt an, kramte mein Handy aus der Tasche hervor und wollte gerade seine Nummer wählen, als ein ungutes Gefühl in mir aufstieg. Wie würde er reagieren, würde ich wieder eine Abfuhr bekommen, oder war es vielleicht auch unverschämt von mir, ihn an diesem heiligen Sonntagmorgen mit meinen Problemen zu belästigen? All diese Fragen hielten mich dann von meinem Vorhaben ab und ich wollte einfach nur noch nach Hause fahren. Ich staunte nicht schlecht, als er mir dann auf einmal auf der Straße, die an seinem Haus vorbeiführt, entgegenkam. Er führte seinen Hund aus. Als ich die beiden nach ein paar Metern erreichte, hielt ich an und grüßte ihn freundlich Ich bemerkte an seinem Verhalten, dass ich nicht willkommen war, was noch durch seine Bemerkung, er müsse schnell wieder nach Hause gehen, um Kaffee zu kochen, weil seine Schwester gleich zu Besuch kommen würde, bekräftigt wurde. Ohne mir noch weiter Beachtung zu schenken, ging er dann auch los. Ein stechender Schmerz durchzuckte meine Brust, denn mit so einer herzlosen Reaktion, hatte ich nach unseren letzten, so viel versprechenden Gesprächen nicht gerechnet. Zuhause angekommen, setzte ich mich an meinen Computer und schickte meinem Freund eine Nachricht, in der ich ihm mitteilte, dass ich seine Reaktion nicht verstehen kann, und dass ich sehr enttäuscht von seinem Verhalten bin. Den Grund für sein Verhalten teilte er mir dann vier Tage später mit als ich ihn in unserer Kneipe traf. Er wich meinen Blicken aus und es kam mir so vor, als ob ihn irgendetwas bedrückte. Nach einer Weile, fragte ich ihn dann, was mit ihm los sei. Er sagte: "Es ist alles in Ordnung, und es geht mir gut." Das konnte ich ihm natürlich nicht glauben und teilte ihm dieses auch mit. Daraufhin sah er mich an und sagte: "Ich habe deine Nachricht gelesen! Mein Zuhause, ist mein ganz privater Bereich, meine kleine Insel. Da möchte ich keinen Besuch. Hier in der Kneipe ist das etwas anderes, da bin ich ein ganz anderer Mensch." Was war das? Hatte ich richtig gehört, ein ganz anderer Mensch? Ich schluckte ein paar Mal, bevor ich ihm sagte, dass ich gedacht habe, wir wären Freunde, und dass man sich doch freut, wenn ein Freund zu Besuch kommt. Daraufhin, entgegnete er mir: "Also, zu mir nach Hause kommen nur meine Familie, und mein engster Freundeskreis, und dazu gehörst du nicht." Da war er wieder, dieser Blitz, der voll in mein Herz traf. Hatte ich mich so geirrt, mich so in diesem Menschen getäuscht? Ich zahlte meine Rechnung und ging in Gedanken versunken nach Hause. Diese Geschichte, ließ mir keine Ruhe, ich konnte es einfach nicht glauben, was mir da widerfahren war. Am anderen Morgen, hatte ich das Bedürfnis, ihm eine letzte Nachricht zukommen zu lassen. So setzte ich mich wieder an meinen Computer und teilte ihm mit, dass er mir ja nun deutlich gemacht habe, wie es sich mit unserer Freundschaft verhält und dass ich sein Verhalten akzeptiere. Allerdings würde ich jetzt einen gewissen Abstand von ihm halten. Im letzten Satz, brachte ich noch mal zum Ausdruck, dass ich ihn trotzdem mag. Ich dachte dabei, an die tollen Gespräche, die wir geführt hatten, und daran, dass wir in vielen Dingen einer Meinung sind. Außerdem haben wir sehr viel gemeinsame Interessen, eigentlich alles Schätze, die eine Freundschaft aufblühen lassen. "Na ja", dachte ich, "mal wieder um eine Erfahrung reicher geworden." Ein komisches Gefühl begleitete mich, als ich mich eine Woche später mal wieder aufmachte, um unsere gemütliche Kneipe aufzusuchen. Wie würde unser Aufeinandertreffen wohl aussehen, wenn wir uns heute Abend begegnen? Als ich eintrat, sah ich ihn schon an der Theke stehen. Er grüßte freundlich und ich erwiderte seinen Gruß. Wir versuchten im Laufe des Abends zu vermeiden, dass unsere Blicke sich kreuzten. Aber das war gar nicht so einfach, er sah nämlich immer wieder zu mir herüber. Es war schon seltsam, dass zwei Menschen, die sich offensichtlich mögen, sich immer so nett und interessiert unterhalten haben, jetzt so weit von einander entfernt schienen. Eine Weile verging, da stand er plötzlich vor mir und sagte: "Ich möchte gerne, dass wir uns trotz allem weiterhin gut verstehen." Ich sagte ihm, dass er sich keine Sorgen machen solle, wir würden schon auf einer anderen Ebene wieder zueinander finden. Damit war die kurze Unterhaltung beendet. Vorsichtig wurden noch einige fragende Blicke ausgetauscht, bevor ich mich dann auf den Nachhauseweg machte. Wenn wir uns heute manchmal sehen, ist es schon ein eigenartiges Gefühl. Unsere Gespräche sind kurz und knapp, nicht mehr so intensiv wie früher und von dem, was ich unter Freundschaft verstehe, entfernen wir uns immer mehr.


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