"Also, Liebling, dann sehn wir uns um acht. Ich freu mich auf dich."
Horst legt den Hörer auf und lehnt sich in den Bürosessel. Er schließt die Augen und denkt an seine Frau. "Ach, Susanne, jetzt sind wir schon so lange verheiratet und ich liebe dich immer noch wie am ersten Tag." Er greift nach seiner Aktentasche und zieht ein silbernes Döschen aus dem Geheimfach. Als er die graublaue Pille heraus nimmt, muss er schmunzeln. "Nein, Susanne, die ist nicht für uns beide. Die ist für die Vorspeise." Kurz darauf verlässt er das Büro.
Er startet den Wagen, legt eine CD ein und drückt die "repeat"-Funktion. Dann fährt er los. Die ganze Fahrt über erklingt das Liebesgeflüster von Jane Birkin und Serge Gainsbourg "Je t'aime moi non plus".
Vor der Ausfahrt vergewissert er sich im Rückspiegel, dass ihm niemand folgt. Auch auf dem Waldweg zur Villa ist keine Menschenseele zu sehen.
Mona empfängt ihn mit einem Augenzwinkern. "Hallo, wir haben dich schon erwartet. Same procedure as every year?"
"Ja, klar, was sonst?"
"Na, dann nimm Platz. Du kannst dich freuen. Heute sind acht Mädchen da. Ich werde sie gleich holen."
Mona hat nicht zu viel versprochen. Acht Mädchen - eine schöner als die andere. Veronice, Sandy, Mina und Angelique kennt er schon, die anderen Mädchen sind neu hier. Zum heutigen Festtag muss es was Besonders sein. Seine Wahl fällt auf Mai Lin und Angelique. Die asiatische Schönheit als Zofe und Angelique als gestrenge Herrin.
Als Horst das Etablissement verlässt, bleibt noch genügend Zeit um den Blumenstrauß in der Gärtnerei abzuholen.
"Guten Abend, Herr Berger, es ist schon alles vorbereitet. 17 Rosen. Die schönsten, die wir haben. Für jeden Hochzeitstag eine. Ist das nicht ein wunderschöner Strauß? Da wird sich Ihre Frau bestimmt sehr freuen."
"Ja, das wird sie ganz bestimmt."
Horst wechselt noch ein paar Worte mit der dicken Blumenfrau. Dann nimmt er den prächtigen Rosenstrauß und verabschiedet sich: "Jetzt muss ich aber los. Einen schönen Abend noch, Frau Landmann."
"Danke, Herr Berger, das wünsche ich Ihnen auch. Und richten Sie Ihrer Frau bitte meine besten Glückwünsche zum Hochzeitstag aus." Die dicke Blumenfrau schaut ihm hinterher und eine Träne der Rührung rinnt über ihre Wange. "So ein schönes Paar. Und so ein aufmerksamer Mann."
Bevor Horst den Wagen startet, zieht er das silberne Döschen aus der Aktentasche. Vergnügt betrachtet er die graublaue Pille auf seiner Handfläche und murmelt leise vor sich hin: "So, meine geliebte Susanne, die ist für uns beide."
Pünktlich um acht kommt Horst zu Hause an. Susanne begrüßt ihn schon an der Tür.
"Hallo, Schatz, schön dass du da bist."
"Hallo, Liebling, der ist für dich. Alles Liebe zum 17. Hochzeitstag."
Freudestrahlend nimmt Susanne den Rosenstrauß in Empfang.
"Liebling, du siehst bezaubernd aus. Noch verführerischer als sonst. Wie schaffst du das bloß?"
"Na, zu unserem Festtag muss ich dir doch was Besonderes bieten, mein Schatz. Setz dich und lass uns gleich anstoßen."
Horst kann die alljährliche "Hochzeitsnacht" kaum erwarten und leert das Glas in einem Zug. Plötzlich spürt er eine tiefe Müdigkeit. Ehe er etwas sagen kann, sinkt er auf dem Sofa in sich zusammen.
Susanne streicht ihm liebevoll übers Haar. "Schlaf gut, mein Liebling. Danke für die 17 Jahre unserer Ehe. Danke auch für die wunderschönen roten Rosen, die du mir seit unserem dritten Hochzeitstag geschenkt hast. Aber 150 Rosen sind genug, meinst du nicht auch?"
Zufrieden lehnt sie sich in den Couchsessel, leert ihr Glas und lauscht Jane Birkins und Serge Gainsbourgs "Je t'aime moi non plus".