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Trübe Tage

Von Sandra Fasching


Wieder ein Montag.
Der Wecker schrillt unbarmherzig im 5-Minuten-Takt, ab 7 Uhr morgens. Eine ziemlich unchristliche Zeit für eine Langschläferin. Was gäbe ich für einmal noch in die Federn kuscheln und wegnicken, denkt Christina und quält sich verschlafen aus dem Bett. Ihre Klamotten legt Christina sich schon immer am Vortag zurecht. Und das ist gut so. Ab ins Bad, Zähne putzen, Katzenwäsche, rein in die Kleidung, der gepackte Sack steht schon bereit und das Ziel für heute ist auch schon abgesteckt. Und ab. Zeit für Frühstück hat Christina nie, Hunger schon. Dass es eine liebenswerte Macke von ihr ist, für ein bisschen Bettwärme alles am letzten Abdruck zu erledigen, weiß sie schon lange.
Der gestrige Wetterbericht sagte für heute tolles heißes Badewetter voraus und hat Recht behalten. Frische sonnige Morgenluft schlägt Christina entgegen, man riecht förmlich, dass es heute sehr heiß werden wird. Die taubeschlagene Windschutzscheibe ihres Vehikels wischt sie weg, startet das Auto und düst ab, wie immer.
Christinas morgendlicher Hunger zieht sie hin zu einem Cafe mit Frühstücksterrasse in der Stadt. Es duftet herrlich nach frischem Kaffee und Croissants. Das Wasser rinnt ihr im Munde zusammen und so gönnt sie sich ein ausgiebiges Frühstück mit allem, was das Herz begehrt. Sie genießt das, zusammen mit der druckfrischen Tageszeitung abwechselnd die frischen Brötchen zu streichen und zwischendurch am Kaffe zu nippen, andere Gäste zu beobachten und sich Lebensgeschichten über sie auszudenken. Danach noch eine Zigarette, noch ein Kaffee und langsam vergeht die Zeit. Und allmählich verspürt Christina, dass es Zeit für den Badesee wird. Ihr am Vortag gepackter Sack enthält schon alles dafür Nötige. Den Bikini trägt sie schon am Leib, Handtuch, Sonnenmilch, Buch, Jause und Getränk - alles dabei. Und so genießt Christina einen der letzten Sommertage nahe des Wassers und in frischer Luft. Balsam für die Seele, Streicheleinheiten von der Sonne, sanft gluckerndes Wasser… wie schön. Christina liest das mitgenommene Buch im Laufe des Nachmittags aus, sieht auf die Uhr und fährt heim. 16.30 Ankunft.
Wieder ein Dienstag.
Das Weckerläuten kann einem den letzten Nerv rauben, raunzt Christine und vollzieht dasselbe Prozedere wie immer. Sie sieht aus dem Fenster und ist nicht überrascht, dass es nach den nächtlichen Gewittern nass und kühl draußen ist. Zum Glück hatte sie sich gestern Abend noch den Tagesablauf für heute ausgemalt. Wie geplant fährt sie um kurz vor 8 Uhr weg - mit ein paar Minuten Verspätung und in Eile wie immer. Der erste Weg führt Christina zu einem Einkaufszentrum, wo es für wenig Geld ein tolles Frühstück gab und genießt es wiederum. Sie ist ein Frühstücksfan, daran gibt es nichts zu Rütteln. Danach inspiziert sie die Modegeschäfte und Drogerien, bewundert den kleinen Blumenladen an der Ecke mit den wunderschönen Gestecken, probiert im Sportladen ein Paar Rollerblades und beschließt, es zu lernen. Christina findet, dass es sehr einfach aussieht und nun, in dem Einkaufszentrum hat sie diese Dinger an den Beinen und darf probehalber eine Runde im Geschäft drehen. Der Verkäufer meint, dass sie den Dreh bestimmt bald heraußen hätte. Optimist, fährt es ihr durch den Kopf und legt sie wieder zurück. Gegen Mittag meldet sich der kleine Hunger. Was tun? Eine Pizzaecke würde ihr jetzt gut tun. Gesagt - getan. Sie verlässt das Einkaufszentrum Richtung stadteinwärts. In ihrem heutigen Sack befinden sich die Bücher, die sie der Leihbücherei zurückgeben muss. Es waren fünf an der Zahl, die sie in drei Wochen gelesen hatte. Allesamt interessant geschrieben, Romane ebenso, wie Stoff für die Allgemeinbildung. Zur Zeit ist Christina wieder eine richtige Leseratte geworden. Sie mag es, sich im Grünen oder in einem Park auf eine Bank zu setzen, sich die Sonne in Gesicht scheinen lassen und zu lesen. Bei der Bibliothek angekommen, freut sie sich auf das Stöbern und Schmökern in den alten Wälzern, Durchblättern von Bildbänden oder Suchen nach Informationen. Stundenlang hält sich Christina meist in der Leseecke der Bibliothek auf, ohne dass es ihr langweilig wird. Allmählich vergeht die Zeit. Noch ein Blick auf die Uhr: es ist kurz vor 17 Uhr. Sie beschließt, nach Hause zu fahren.
Wieder ein Mittwoch.
Das hartnäckige und penetrante Bimmeln des Weckers erklingt. Kurz vor 8 Uhr schleicht Christina wieder aus dem Haus, in dem sie wohnt, ein Haus mit fünf Wohnungen, die Vermieter im Extratrakt. Ihre kleine Dachwohnung hatte sie sich sehr gemütlich eingerichtet. Trotz ihrer Unternehmungslust, die sie seit einigen Wochen an den Tag legt, war sie auch sehr gerne zu Hause. Sie konnte sich stundenlang im Internet oder in einem Buch vergraben oder sie malte oder gestaltete ihre Wohnung um. Sie war kein Typ, dem schnell langweilig wurde und der nichts mit sich selbst anzufangen weiß.
Sie war an vielem interessiert und fand auch schnell am Vorabend einige viel versprechende kulturelle Events. Heute beschloss sie, einmal die Museen und Ausstellungen in der nächstgrößeren Stadt zu besichtigen. Nach dem täglichen Frühstück auswärts, streunt sie durch alte Museumsgemäuer und ergötzt sich an den ausgestellten Bildern und Skulpturen. Die Liebe, mit der in Stein gehauen oder zu Leinwand gebracht wurde, kann sie förmlich spüren. Was hatte sich wohl der Künstler dabei gedacht?, durchfährt es sie. Was könnten diese Bilder erzählen, wenn sie sprechen könnten? Sie liebt es, sich Geschichten auszudenken.
Der Tag vergeht abermals wie im Flug und es ist beinahe 16.30 als sie die Tür zu ihrer Wohnung aufschließt.
Wieder ein Donnerstag…
Wieder ein Freitag…
Endlich Wochenende!
Wieder ein Montag…
Wie lange wird es dauern, bis Christina die Ideen ausgehen? Wie lange wird sie durchhalten, bis jemand es merkt? Wie lange wird es dauern, bis alle merken, dass Christina arbeitslos ist?




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