Lust am Lesen
Lust am Schreiben
Ausfüllen von Formularen bei "Selbständigkeit" des Ehemannes
Von Kerstin Schwarz
Wie ich es hasse, wenn in irgendeinem Formular die Frage gestellt wird: "Ist Ihr Mann selbständig?" Natürlich muss ich da ein "Ja" ankreuzen, obwohl mein Füllfederhalter sich ins Papier einkratzt und versucht, sich mit all seinen Kräften dagegen zu wehren und die Feder sich spreizt, als wollte sie Spagat machen.
Mein Mann und selbständig? Ha, dass ich da nicht lache!
Gut, in der Geschäftswelt ist er ein Mann, der einen eigenen Kleinbetrieb führt und mit dem er die Familie ernähren wollte, aber die Wirklichkeit sieht doch ganz anders aus.
Wer füllt denn die Formulare aus? Wer schreibt denn ans Finanzamt? Wer hält das Geld zusammen? Wer beantwortet die unangenehmen Fragen per Post oder am Telefon? Wer bügelt die Fehler aus und bittet bei den Behörden um Nachsehen?
Und ganz zu Schweigen von den alltäglichen Dingen, wie Wäsche waschen, Bügeln, Kochen, Kinder versorgen etc. Hier könnte schon jede Ehefrau ohne zu zögern ein "Ja" ankreuzen, aber danach fragt ja niemand.
Schon an dem Tag, als ich meinen Mann kennen lernte, musste ich ihn retten, als er wie ein stolzer Hahn vor mir her schritt und um mir zu imponieren, rückwärts lief, um stolz seine Brust zu präsentieren. Ups! Schon war eine kleine Mauer im Weg und er stolperte rücklings und verschwand im gleichen Augenblick hinter derselben... und aus meinen Augen. Frisch verliebt rannte ich natürlich sofort zu der Stelle, an der er verschwunden war und ich sah ihn einen kleinen Berg hinab kullern. Also kam ich ihm das erste
Mal zu Hilfe und zog ihn wieder den Berg hoch und wusch anschließend seine verschmutzen Kleider.
Dann, bei unserer Hochzeit, sah ich ihn bei der Bezahlung der Rechnung kreidebleich werden und überlegte schon, ob ich nicht doch eine Auffrischung des Erste Hilfekurses hätte machen sollen, als ich den Werbeaushang in der Kaufhalle gelesen hatte. Schnell eilte ich zu ihm und er stammelte etwas von 1502,86 Mark und es waren doch nur ein paar Leute und er habe doch nur 400 Mark dabei... Beruhigend sprach ich auf ihn ein "Liebling, das da ist das Datum! Hier steht der Rechnungsbetrag!" Die 400 Mark reichten
voll und ganz und mein Mann bekam nach einiger Zeit seine Gesichtsfarbe wieder und der Kellner sein Geld.
Danach ging es mit der Haushaltsführung in unserem jungen Glück weiter. "Schätzchen, wo hast du...?" "Weißt du, wo ich meinen Schlüssel hingelegt habe?" "Wo sind denn nur die Socken?" Dabei lagen die von Anfang an immer im gleichen Schubfach in seinem Schrank und liegen noch heute dort. Wie er bis dahin ohne mich gelebt hatte, ist mir heute noch ein Rätsel.
Dann begann das Computerzeitalter. "Liebling, wie konnte ich noch mal in das Programm rein kommen?" Diese Frage habe ich schon 100 Mal gehört, aber ihn zu überzeugen, einen Computerlehrgang mitzumachen, ist zwecklos. Dass er den Schalter für den Kasten überhaupt findet, ist schon eine Anerkennung wert.
Dann kann ich mich noch gut daran erinnern, als er das erste Mal einem Laptop begegnete und zwar im Zusammenhang mit einem Bankangestellten, der uns ein Homebankingprogramm verkaufen wollte.
Ich weiß nicht, welcher Teufel mich geritten hatte, aber als mein Mann diesen kleinen Koffer, der so gar keine Ähnlichkeit mit unserer riesigen Computeranlage hatte, so verwundert und respektvoll anschaute und die Worte des Bankangestellten in sich aufsog und dies alles gar nicht fassen konnte, überfiel mich der Schelm.
In dem Moment, als er uns erfolgreich nach etwa zwei Stunden das Überweisungsformular auf dem Bildschirm erklärte und mein Mann das Ausfüllen und Versenden nun endlich begriffe hatte, drückte ich auf den Knopf, der das CD-ROM-Laufwerk öffnete. Als die Plastöffnung zum Hineinlegen der CD erschien, schaute mein Mann neugierig auf das Geschehen. Ich erklärte ihm ganz trocken, dass man nur noch das Geld hineinlegen müsste und auch dieses prompt an die Bank weiter geleitet würde. Mein Mann war davon überaus fasziniert
und der Bankangestellte wusste nicht, was er in diesem Moment sagen sollte. Irgendwie habe ich ihn sehr verwirrt und er verließ schleunigst unser Haus, ohne sich zu verabschieden.
Meinem Mann zu erklären, dass dies ein Scherz von mir gewesen sei und er ja nicht das Geld in diese Öffnung stecken sollte, dauerte dann auch noch eine Weile.
Tja, und dann die Urlaubstrips! Da ist ja von Selbständigkeit auch nicht viel zu merken. Ich packe die Koffer und räume sie am Urlaubsort wieder aus. Auch hier kommen die üblichen Fragen "Schatzi, hast du das dabei?" "Schatzi, wo hast du denn meine Unterwäsche?" Also, das Übliche, was ich zu Hause auch tagtäglich höre.
Und dann immer diese blöden Fragen. "Geht es hier lang oder hier lang?" Woher soll ich denn das wissen?
Und dann wieder neue Erfahrungen mit der Technik! Mein Mann wollte das erste Mal Geld am Automaten abholen. Ich frage noch naiv, ob ich mitkommen soll. "Nöh, Schatzi! Ich krieg das schon hin." Also warte ich im Auto. 5 Minuten, 10 Minuten, 20 Minuten. Langsam wird es mir mulmig zu mute. Sie werden ihn doch nicht überfallen haben? Endlich kommt er ans Auto geschlürft. "Liebling, kannst du mir mal helfen? Ich kriege es doch nicht hin!" Also komme ich wieder zu Hilfe. Natürlich konnte es nicht
klappen. Der Überweisungsautomat spuckt nun mal kein Geld aus. Egal, wie oft man die richtige PIN eingibt.
Das gleiche gilt für die Stereoanlage, für die Waschmaschine, für den Fernseher, für den Videorecorder und für unseren elektronischen Wecker. Da kann ich hundert Mal versuchen, es ihm zu erklären, er hört nicht hin. "Du machst das schon!" ist seine lapidare Ausrede. Wenn ich die Dinger nicht bedienen könnte, wäre mein Mann aufgeschmissen.
Und dann sind da noch die Renovierungs- und Reparaturarbeiten. Das ist erst ein Graus. Wenn ich nicht ständig daneben stehe und aufpasse! Da tritt er in den Malereimer, wenn ich ihn nicht rechtzeitig wegstelle. Da sucht er sein Werkzeug, obwohl er es selbst eben erst verlegt hat. "Schatzi, weißt du wo ich den Hammer hingelegt habe?" Da stolpert er über die Leiter. Da knallt die Sicherung durch. Allein diese Arbeiten wären schon ein Buch wert.
Sie können mir glauben, ich habe in den fast zwanzig Jahren Ehe genug geholfen, um Katastrophen zu verhindern.
Und dann soll ich in die Formulare "Selbständig!" rein schreiben? Ich kann den Füllfederhalter vollkommen verstehen, aber die Bürokraten nicht, die meine Meinung einfach nicht akzeptieren wollen und behaupten, ein Mann, der einen eigenen Betrieb hat, ist selbständig. Da müsste was ganz anderes angekreuzt werden, nämlich: "Ist ihr Mann alleine lebensfähig oder nicht?"
Und ich kann mir vorstellen, dass viele "Selbständige" ohne ihre Frauen nicht lebensfähig wären.