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Kurzgeschichte Afrika Kurzgeschichten
Erzähl mir was von Afrika. Band 1. Dr. Ronald Henss Verlag   ISBN 3-9809336-2-8  ca. 150 Seiten   8,90 Euro.

Mein Bild von Afrika

©  Lisa von Siegburg


Bis zur Taille reicht ihr das glatte hellbraune Haar. Das zweiteilige, mit erdfarbenen afrikanischen Mustern bedruckte Kleid, zeigt eine wohlgeformte, zierliche Figur. Samtige Braunaugen, blicken freundlich, doch zugleich einen gewissen Abstand wahrend, dem Betrachter aus einem herzförmigen Gesicht entgegen. Ein vorsichtiges Lächeln schenkt der ungeschminkte, schön geformte Mund.
Hübsch sieht sie aus wie sie da steht, vor den riesigen strohgeflochtenen Wandteppichen.
Auf der Rückseite des Fotos steht "Lisa - 21 Jahre".
Meine Güte, vor fast genau dreißig Jahren ist dieses Bild entstanden.
Oh, ich erinnere mich gut an diesen Hotelflur, meine den trockenen Duft der runden Wandteppiche zu spüren. Es war im Turtle Bay Hotel in Malindi, ein kleiner Ort in der Nähe von Mombasa. Wie die Fürsten wurden wir damals empfangen. Täglich brachte ein "Boy" mir frische Orchideen und obschon die alten keineswegs verblüht waren, erneuerte er beharrlich das Blumenarrangement auf dem kleinen Schminktisch. Die Betten verschwanden bis zum Boden unter großzügigen Moskitonetzen und auf einem dieser Netze war es auch, dass ich den ersten lebenden Gecko meines Lebens entdeckte. Er stellte sich tot, ich erstarrte vor Schreck. Vieles noch befremdete mich auf diesem Kontinent. So irritierte mich der Linksverkehr ebenso wie die Möglichkeit, bei einem harmlosen Spaziergang auf eine Schlange zu treten.
Marginalien - gegen das Zauberhafte, das Faszinierende, das es zu entdecken galt. Mensch und Natur hier völlig anders und doch wieder so ursprünglich vertraut. Schnell lernte ich bei den Gesichtszügen zu differenzieren, sie waren nicht weniger unterschiedlich als die der Europäer, obschon mein Gehirn anfangs nur ein Signal sendete: schwarz. Bald erfasste mich die Lebensfreude der Afrikaner, ihr natürliche, unprätentiöse Art. Es war die Zeit, als in Afrika Aids noch unbekannt war. In den Nachtclubs lebten vor allem die Jungen ihre Tanzlust, ihren Lebenshunger, aus. Touristen waren noch kleine Plage, sondern als gut betuchte Gäste gern gesehen.
Ich erinnere mich an einen Diskothekenbesuch mitten im Hinterland. Streng genommen war die Disko nur eine größere offene Hütte, ausgeräumt zum Tanzen und mit einigen bunten Scheinwerfern versehen. Der Bump war in Mode und wurde ausgelassen zelebriert. Bump ist eine hocherotische und zugleich fröhliche Tanzform, bei der das gegenseitige kurze Berühren von Armen, Beinen oder Po im Takt der jeweiligen Musik zu erfolgen hat. Ich war in Tanzstimmung und bumpte mit einem jungen Afrikaner, wobei wir laut und herzlich lachten, wenn wir uns verfehlten. Das weiße Hemd meines Tänzers färbte sich unter den Scheinwerfern abwechselnd rosa, grün oder violett, was ein leichtes Schwindelgefühl bei mir erzeugte. Da er es bis zum Gürtel offen trug, hatte ich ungehinderten Blick auf einen riesigen Tigerzahn, der an einer dünnen Goldkette baumelte. Eigentlich verbuchte ich solchen Schmuck unter kitschig bis gewöhnlich; hier jedoch an diesem jungen Afrikaner, hatte er etwas Urwüchsiges, passte an diesen Ort, zu diesem temperamentvollen Menschenkind. Bei einem ruhigen Musikstück tanzten wir schließlich enger
zusammen, stets jedoch auf Abstand bedacht, als ich plötzlich die Hand meines Tänzers an meinem Haar spürte. Ich drehte mich weg, ging schnell zurück zu meinem Begleiter, der schon ungeduldig und wohl auch leicht angesäuert, auf mich gewartet hatte.
Etwa zehn Minuten saßen wir bei unseren Drinks, als sich ein junges Paar hinter uns setzte. Irgendwann beugte sich der junge Mann nach vorne, es war mein Tänzer. Umständlich und sehr um die richtigen Worte bemüht, stellte er uns seine kleine Schwester vor. Wir unterhielten uns freundlich und schließlich stellte sich heraus, dass auch sie von meinem langen glatten Haar fasziniert war. Ihre Bitte, es einmal nur anfassen zu dürfen, war mir zwar peinlich, abschlagen wollte ich ihr den Wunsch aber nicht. Also gestattete ich verlegen lächelnd wenigsten ihr, von Frau zu Frau sozusagen, diese Berührung. Zärtlich, fast andachtsvoll strich sie daraufhin einige Male behutsam mein Haar entlang, stets ein "Beautiful, so beautiful", murmelnd.
Erst durch diese unerwartete, unverhohlene Bewunderung meiner, in meinen Augen vollkommen banalen, Haarpracht, wurden mir die mich umgebenden Lockenköpfe bewusst. Durchweg krause schwarze Haare sah ich jetzt, dick und gesund. Ein Gefühl der Minderwertigkeit erfasste mich. Ich mit meinen feinen, glatten hellbraunen Haaren, es war doch nicht schön, es war nur dürftig, so ganz ohne Locken, unvollkommen eben.
Viele Blicke, vielleicht auch bewundernde, folgten mir, als wir schließlich die Buschdiskothek verließen.
Einmalige, wunderbare Erlebnisse brachte dieser Afrikaurlaub damals noch, die meisten davon verblassten im Laufe vieler Jahre Alltag. Die ambivalenten Gefühle aber gerade dieses Abends in der Buschdisko sind bis heute abrufbar geblieben.
Ich lege das Bild zurück in die Fotoschachtel mit der Aufschrift "Historische Fotos".
Sie wird warten müssen, diese Lisa auf dem Bild. Ohne je zu altern wird sie ihre Erwartungen und Träume bewahren.
Ich aber werde die Sehnsucht nach dem schwarzen Kontinent vor dreißig Jahren stets verbinden mit einem ganz besonderen Gefühl.



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Erzähl mir was von Afrika. Band 1. Dr. Ronald Henss Verlag   ISBN 3-9809336-2-8  ca. 150 Seiten   8,90 Euro.




Erzähl mir was von Afrika
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