Afrika abseits Safari und Palmwein
© Wolf Reifenrath
Somalia ( Auszüge aus meinem Tagebuch)
Kurz vor Mitternacht klingelt der Wecker, müde, verschwitzt, von Moskitos geplagt müssen diejenigen von unserem Team aufstehen, die Tankstellendienst haben. Als Einsatzkräfte einer Hilfsorganisation sind wir in Mogadischu stationiert. Treibstoff ist rationiert, es gibt von der Regierung Kupons für je 10 Ltr. Benzin, die nur an bestimmten Tankstellen eingelöst werden können. Da es je Fahrzeug, gleichgültig ob Landrover oder Lkw nur 10 Ltr. gibt, fahren wir mit mehreren Fahrzeugen zur Tankstelle, wo um diese
Zeit schon 30 - 40 Kfz stehen. Bis zur Öffnung der Tankstelle werden es mehr als 100 sein. Motto: wer zuerst kommt, ....
Die Luft ist samtweich, Temperatur um 29 Grad, der Himmel sternklar wie meist in somalischen Nächten. Die Fahrer dösen vor sich hin, einen 20 Ltr. Kanister zwischen die Beine geklemmt, damit dieses Wertobjekt nicht so einfach gestohlen werden kann, alle Türen soweit möglich verriegelt. Wir kennen inzwischen einige Tricks der Somalis, welche Meister im Diebstahl zu sein scheinen.
Es klopft ein Somali auf der Fahrerseite an und verwickelt den Fahrer in ein Gespräch, sei es, das er vorgibt, Hilfe zu benötigen, sei es, dass er nur um eine Zigarette bettelt. Ist man nicht hellwach, wird von einem Komplizen des Bittstellers die Beifahrertür in Sekunden geöffnet und alle Gegenstände, die man neben sich liegen hat, sind verschwunden. Die nächtlichen Diebe verkaufen das Diebesgut bei nächster Gelegenheit, weshalb einem meiner Leute ein paar Nächte nach dem Diebstahl seine teure Sonnenbrille
zum Kauf angeboten wurde. Die Diebe zu verfolgen ist meist sinnlos, sie laufen schneller als ein Weißer.
Bei Sonnenaufgang erwacht die Stadt nach den Rufen und Gebeten der Muezzins von den Minaretten zum Leben, die Tankstelle wird geöffnet. Irgendwann während der Nacht wurde Diesel oder Benzin angeliefert, es reicht meist nur maximal 50 Fahrzeuge. Mit Bakschisch kann man seine Chancen verbessern. So haben wir einen nächtlichen Tankstellendienstplan um zu jeder Zeit etwas mobil zu sein. Somalia ist ein großes Land, Tankstellen sind rar.
Wir sind ein internationales Team aus 12 Nationen und wohnen verstreut über die Stadt. Da es so gut wie keine Straßennamen gibt, orientiert man sich an wichtigen Punkten, wie Kilometer four in der Nähe des Flughafens, Arco di Trionfo zur Erinnerung an die frühere Kolonialmacht Italien, Down town oder den Farben der Häuser, wie z.B. Green House, Yellow House, Red House, in dem ich mit einigen Leuten wohne. Es sind jeweils Häuser mit einem Innenhof, in dem mindestens ein Fahrzeug geparkt werden kann, ein verschließbares
Tor vorhanden ist und Tag und Nacht ein Wächter anwesend ist. Einen Wagen auf der Straße stehen lassen, bedeutet fast immer den Verlust von mindestens allen Rädern und der Batterie. Auf einen Gegenstand muss man besonders achten, die Außenspiegel. Keines unserer Fahrzeuge hatte seine Außenspiegel länger als 48 Stunden, sie wurden so schnell gestohlen, dass wir an Zauberei glauben mussten. Wir haben den Eindruck gewonnen, dass alle Frauen Somalias mindestens einen Außenspiegel besitzen, da Spiegel einen Luxus
darstellen. Selbst am Tag im belebten Zentrum müssen die Spiegel vom Fahrer abmontiert und sichergestellt werden.
Eines Nachts werde ich durch lautes Rufen und Klopfen an der Haustür geweckt, es ist Ibrahim, unser Nachtwächter. Es stellt sich heraus, dass ihm seine Hose und sein Hemd gestohlen wurden. Statt wach zu sein, hat er seine einzige Hose und sein Hemd sorgfältig auf einem Stuhl im Innenhof abgelegt um auf einer Matte auf dem Boden zu schlafen. Bei Tageslicht wurde entdeckt, dass der oder die Diebe an einer Stelle auf der Mauerkrone die fest einzementierten Glasscherben herausgekratzt hatte und in den Innenhof springen
konnte. Mangels anderer Beute wurden nur Hose und Hemd des friedlich schlafenden Ibrahim mitgenommen, wobei der Stuhl für den Rückweg über die Mauer eine ideale Hilfe gewesen war. Der Clou war am nächsten Tag die Forderung Ibrahims, ihm eine neue Hose zu beschaffen. Es war nicht so einfach, ihm klarzumachen, dass er selber schuld an dem Verlust war, da wir ihn nicht zum schlafen bezahlten.
Anlässlich eines Staatsbesuches des Präsidenten von Sierra Leone musste ich mit einem Kollegen in die Stadt, wo es von Sicherheitskräften wimmelte. Wir stellten unseren Toyota abgeschlossen für etwa 10 Minuten in der Nähe eines Polizeipostens ab und wunderten uns bei Rückkehr über eine große Menschenansammlung um unser Fahrzeug. Näher kommend stellten wir fest, dass neben der offenen Fahrertür zwei Polizisten standen und einen mit Stockhieben Ruhiggestellten Dieb festhielten, welcher das ausgebaute Funkgerät
in der Hand hielt. Gemeinsam ging es zum Gericht, wo Dieb samt Beute in Verwahrung genommen wurden. Es gab sogar eine Quittung, aber das Funkgerät haben wir nie wieder gesehen, man benötige es als Beweisstück für den Prozess, und das könne sehr lange dauern. Allein Allah wüsste wann, was uns doch klar sein müsste.
So war es auch Allahs Wille, wann ich meine Papiere einschließlich einer Photoerlaubnis (mit Passbild) bekommen konnte. Ich musste zuerst einen Antrag stellen mit Begründung, warum ich Photos machen wolle. Die Auflagen waren streng und alle Photos unterlagen der Zensur .Es kostete mich mehr als einen Monat bis mir die Erlaubnis Nr. GDHB / 36/407/81 ausgehändigt wurde. Einmal war der einzige unterschriftsberechtigte Beamte krank, dann war der stempelberechtigte Beamte abwesend. Dann hatte ich Mühe, beim zur
Aushändigung befugten Somali das Büro mit der Erlaubnis zu verlassen, da ich ihm unbedingt eine weiße Frau beschaffen solle. Er zeigte mir zu diesem Zweck eine Auswahl von Passbildern weißer Frauen, die in Somalia tätig waren. Da ich das Schlüsselwort für alle Probleme zum Glück kannte, stellte ich diesen Menschen mit einem Insh'allah zufrieden.
An einem schönen Abend, wobei zu bemerken ist, dass alle Abende schön waren, fuhr ich mit vier Kollegen in einem Pkw Richtung UNHCR Hauptquartier. In der Nähe des alten Leuchtturmes überholte uns ein Polizeimotorrad Marke BMW mit Blaulicht und Sondersignal und setzte sich vor uns, stoppte uns mit der Weisung, zum Polizeihauptquartier zu folgen. Wir waren uns keiner Schuld bewusst, hatten weder die zulässige Geschwindigkeit überschritten noch irgendjemand unzulässiger Weise überholt noch eine Ziege überfahren.
Letzteres konnte dem Fahrer einige Zeit Gefängnis eintragen.
Im Hof des Polizeipräsidiums kam nach einiger Zeit ein etwas italienisch sprechender Leutnant um uns unsere Verfehlung mitzuteilen. Wir hätten mit fünf Personen in einem Pkw gesessen, das wäre nicht erlaubt. Die deutschen Polizisten hätten ihnen das beigebracht, daher auch die BMW- Kräder und die Ausbildung von Verkehrspolizisten durch Fachleute aus der Bundesrepublik. Unser Hinweis auf die täglich überfüllten somalischen Fahrzeuge, Pkw mit bis zu neun Personen, Pickups mit kaum zu zählend innen und außenhängenden
Fahrgästen wurde lächelnd abgetan, das wären ja eigene Leute, wir aber während Ausländer und hätten pro Person 500 somalische Shilling zu zahlen. Meiner Bitte um eine Quittung wurde entsprochen, aber die Durchschrift im Quittungsblock wurde vor unseren Augen gleich zerrissen. Beide Seiten waren zufrieden gestellt. So belehrt, schieden wir in Frieden mit einem Problem: wie kommen wir in unsere Unterkunft, die immerhin sieben Km entfernt lag. Während wir die Verfahrensweise berieten , zuerst drei und dann zwei
Personen oder umgekehrt, wobei die zweite Rate bei der Polizei warten solle oder schon ein Stück des Weges laufen, kam der Leutnant zu uns und erkundigte sich nach dem Grund unseres Zögerns. Nachdem er unsere Nöte angehört hatte, fragte er uns, warum wir nicht alle fünf in dem Wagen fahren wollen. Überrascht wiesen wir darauf hin, dass das doch verboten sei und wir möglicherweise von einer anderen Streife wieder gestoppt würden, worauf wir uns sagen lassen mussten, dass wir die Strafe doch schon bezahlt hätten,
und im Falle eines Falles nur die Quittung vorzeigen sollen. Somalische Logik. Erleichtert fuhren wir mit fünf Personen in einem Pkw nach Hause.
Unter afrikanischen Bedingungen ist der Fahrzeugverschleiß enorm, unsere Kfz-Handwerker sind wahre Künstler und können aus drei Wracks ein fahrtüchtiges Vehikel auf die Piste bringen. Die Geländereifen haben trotz ihres groben Profils keine Chance gegen die Massen von zentimeterlangen Dornen auf den kaum als solche zu erkennenden Fahrspuren. Mit Tawab flog ich deshalb nach Hargeisa, der früheren Hauptstadt von Britisch Somaliland, jetzt Teil der Republik Somalia. Unsere Aufgabe: Überführung neuer Toyota,
die über Dschibuti ins Land gekommen sind. Von Hargeisa bis Mogadischu sind es 1600 Kilometer, eine meist durch Wüste führende Strecke. Am frühen Nachmittag verfinsterte sich der Himmel, ein schweres Unwetter zog auf. Da nach dem zu erwartenden Regen, viele Wadis Unmengen von Wasser aus dem äthiopischen Hochland zum Teil meterhoch führen, ist es ratsam, einen sicheren Platz anzulaufen. Wenn das nicht möglich ist, dann kann man Stunden und Tage im Freien bleiben, entweder im Wagen oder darunter. Ein Fass mit
Treibstoff muss an Bord sein wie auch genügend Trinkwasser und Holzkohle oder ein Kerosinkocher. Wir erreichten Burao noch rechtzeitig, fanden sogar Unterkunft im einzigen Hotel am Platz, allerdings nur für Männer, die Krankenschwester, die mit nach Mogadischu wollte, musste im Fahrzeug übernachten.
Das so genannte Hotel ist ein steinerner Flachbau mit einem Innenhof, um den die Zimmer mit jeweils ca. 3 qm angeordnet sind. In einer Ecke vor einer Art Lagerraum befindet sich ein Fass mit einer trüben Brühe, aus der zum Waschen mit einer Blechbüchse die nicht als Wasser zu erkennende Flüssigkeit geschöpft werden kann. Die Waschecke wird ergänzt durch einen Scherben eines Spiegels und einen großen Haarkamm, der die Mehrzahl seiner Zinken allerdings schon vor langer Zeit verloren hat. Beim Bezug unserer Zimmer
stellten wir bei Kerzenlicht fest, dass die wohl ehemals weiße Bettwäsche, ein Luxus in dieser Gegend, besser nicht zu benutzen sei. Die mitgeführten Schlaftücher, Tischdecken aus China, preiswert auf allen Märkten Afrikas zu erhalten, waren uns weit angenehmer. Wir reklamierten in aller Form die halbschwarze Bettwäsche und waren auf Vorwürfe hinsichtlich unserer Ansprüche gefasst. Aber keineswegs, der Besitzer dankbar, dass wir die Wäsche nicht nutzen wollten. Er machte uns klar, dass er froh sei, nun Bettwäsche
für wichtige Gäste zu haben. Allah hätte wieder einmal alles in seinem Sinn geregelt. Auch wir dankten Allah und verzichteten auf die Körperpflege, spülten stattdessen den Mund mit Whiskey, der nicht nur in Somalia als Desinfektionsmittel Verwendung findet.
Nachdem das Unwetter am nächsten Tag wieder der brennenden Sonne gewichen war, konnten wir unsere Fahrt nach Mogadischu mit den üblichen Reifenpannen fortsetzen. Irgendwo zwischen Garoe und Belet Huen stand ein Toyota-Pickup, dessen Fahrer uns Zeichen zum Anhalten machte. Wie er uns erklärte, war sein Tank leer. Wir machten ihm Vorwürfe, dass er so leichtsinnig war, über 1000 Kilometer ohne eine einzige Tankstelle an der Strecke auf die Reise zu gehen. Er fand unsere Vorhaltungen unverständlich, da Allah ihm
schon helfen würde. Natürlich wollten wir wissen, wie er sich die Hilfe Allahs vorstelle, worauf die entwaffnende Antwort lautete: Allah hat Euch gesandt und ihr gebt mir Diesel. Da in Afrika normalerweise jeder jedem hilft, gaben wir ihm 10 Liter mit der Bitte, dass Allah auch weiterhin helfen würde. Der Gläubige dankte uns überschwänglich und wir hoffen, dass er inzwischen am Ziel angekommen ist.
Wir jedenfalls waren froh, als wir den Militärkontrollposten am Stadtrand von Mogadischu erreicht hatten, dass wir beschlossen, an der nächsten Laubhütte ein Glas süßen Tee zu trinken. Diese Zeit hatte dann jemand genügt, um aus einem verschlossenen Fahrzeug einen auf dem Schwarzmarkt in Hargeisa erworbenen Sack Zucker zu stehlen.
Zucker und süße Sachen waren Mangelware, weshalb jeder von uns auf Weihnachten und die damit verbundenen Pakete aus der Heimat hoffte. Im Gegensatz zur Bundeswehr, die später eine eigene Versorgungsluftbrücke hatte, waren wir auf All Italia angewiesen, was einem Lotteriespiel ähnelte. Entweder ein Paket kam vollständig an, oder der Empfänger erhielt ein Stück Packpapier mit seiner Adresse oder es kam gar nichts an. Da somalische Postangestellte weder Englisch noch Deutsch lesen können, landeten die meisten Sendungen
in einem Extraraum zur freien Verfügung. Nachdem wir das ausgekundschaftet hatten, hat sich von Zeit zu Zeit ein Trupp unserer Einsatzkräfte mit sanfter Gewalt Zugang zu den Lagerbeständen verschafft und alles herausgeholt, was eine bekannte Adresse trug. Ich erinnere mich, dass einer meiner Leute grinsend erzählte, dass seine Oma im Begleitbrief schrieb, dass er doch bitte die Kekse und Süßigkeiten an die kleinen Negerkinder verteilen möge. Die kleinen Negerkinder waren dann alle Leute unseres Teams.
Ghana, Streiflichter aus meiner Arbeit
Nach dem durch lange Kriegszeiten Not leidenden Somalia erscheint einem Ghana wie ein Paradies. Von der Küste Richtung Norden bietet sich eine sattgrüne Landschaft zum Verweilen an. Im Gegensatz zu Somalia, wo es nur zwei Flüsse gibt, den Juba und den Shebele, deren einer kraftlos die Küste nicht mehr erreicht, einfach im Sand versickert, ist Ghana reich an Flüssen, von denen der bekannteste der Volta mit seinen verschiedenen Armen ist, etwa 80 Kilometer der Hauptstadt Accra den größten künstlichen Stausee,
den Voltastausee bei Akosombo formt.
Das Vorhandensein von Wasser ist natürlich Ursache für die Malaria und Gelbfiebererkrankungen, weshalb vor der Entdeckung des Impfstoffes gegen Gelbfieber die frühere brit. Kolonie Goldküste das Grab des weißen Mannes genannt wurde. Alte Friedhöfe aus dem 19.Jahrhundert, besonders der bei Aburi sind Zeugen der hohen Sterblichkeit von Europäern, insbesondere von deutschen Missionaren in frühem Alter.
In Kooperation mit dem Gesundheitsministerium lag mein Arbeitsschwerpunkt auf medizinischem Gebiet. Mit ghanaischen Dorfgesundheitshelfern und Gemeindeschwestern waren wir im gesamten Land bis zur Grenze zu Burkina Faso in den Dörfern tätig, wobei es vor allem um Hygiene, sauberes Wasser, Toilettenbau und Familienplanung ging. Ich lebte in den Dörfern unter gleichen Bedingungen wie die. Einheimischen, genoss jeden Regen, der das Wasser vom Wellblechdach als Dusche herunterströmen ließ; gewöhnte mich an Speisen
wie Buschratten, Fledermäuse und Riesenschnecken aus den Wäldern. Meist war das Ziel mit einem Geländewagen zu erreichen, auch wenn die Straßen oft den Namen nicht verdienten. Manchmal musste ich mit meinen Helfern den Wagen zurücklassen, da ein Fluss den Weiterweg unmöglich machte. Auch ein Einbaum konnte uns manches Mal, wenn auch etwas wackelig, zum Ziel bringen. Trotz fehlender Telefonverbindungen waren wir immer angemeldet. Die aus Afrikaerzählungen bekannte Buschtrommel funktioniert noch und erfüllt nach
wie vor die Aufgabe der Nachrichtenübermittlung.
Daher ist der Dorfplatz jedes Mal hergerichtet mit schattenspendenden palmwedelbedeckten Bambusgerüsten und Sitzgelegenheiten für den Häuptling und seine Vasallen nebst der Queenmother gegenüber den Sitzen für die Gäste. Trommler und Muschelhornbläser befinden sich an einer Seite, umringt ist alles von den Bewohnern des jeweiligen Dorfes. Jetzt erst werden mit Hilfe eines Linguisten, der zwischen dem Häuptling und den Gästen das Sprachrohr darstellt, die Gäste namentlich nach Rang begrüßt. Wichtig ist hierbei
die Bennennung des Besuchsgrundes. Dann folgt die Vorstellung des Dorfchefs, seines Schatzmeisters, der Ältesten und der Queenmother, gefolgt von Tänzen zu Ehren der Gäste, und, wenn die Queenmother es möchte, gemeinsamen Tänzen mit den Gästen.
Je nachdem, ob das Dorf reich oder arm ist, fällt auch das Festessen aus. Wie überall in Westafrika, stellt Fufu, kartoffelbreiähnlich, das Hauptnahrungsmittel dar. Mit einer Soße, Huhn, Ziegenfleisch oder Fisch wird auf Blättern serviert. Es kostete mich doch etwas Überwindung, ein zu meinen Ehren gereichtes rohes, glibberiges, in der Entwicklung befindliches Gelege eines frisch geschlachteten Huhnes zu schlucken. Ablehnen wäre mehr als unhöflich, weshalb man genügend Wasser zum nachspülen erbitten sollte.
Meine ghanaische Kollegin Dede Tetteh-Ofori konnte mich immer rechtzeitig instruieren und warnen.
Da Empfangszeremonien manches Mal Stunden dauern können, übernachteten wir häufig ein bis zwei Nächte in einem Dorf. Manches Mal benötigten wir für die Durchführung eines Kurses eine Woche, sei es, dass eine Impfaktion oder Untersuchungen der Kinder, sei es, dass die Gewinnung von sauberem Trinkwasser oder gemeinsamen Aktionen mit traditionellen Heilern, also Medizinmännern oder -frauen auf der Tagesordnung stand. Zur Unterbringung räumte meist der Schatzmeister sein Bett für mich, meine Kollegin musste sich
dafür oft ein Bett mit der Frau des Häuptlings teilen, was beim Umfang der Frauen in Ghana nicht immer problemlos war. Das größte Privileg war für mich ein persönlicher Nachttopf. Allerdings ist es mir einmal passiert, dass eine solche Mitternachtsvase fehlte und ich bei Sternenhimmel die Dorfgemeinschaftstoilette lange suchen musste und anschließend den Rückweg ins Dorf nur gelenkt vom Bellen der Hunde mit viel Mühe fand.
Bei einer Fahrt konnte ich in einem Hotel in Takoradi in einem richtigen Bett übernachten. Ich wurde informiert, dass von 17.00 bis 18.00 Uhr Wasser laufen würde, ich könne sogar duschen. Wer in Afrika arbeitet, weiß, was eine Dusche bedeutet, ich freute mich über diese Nachricht und musste feststellen, dass ich Handtuch und Seife vergessen hatte. Ich eilte zur Rezeption und erwähnte mein Missgeschick. No problem, Sir hieß es dazu nur. Von einem Stück Seife wurde mir eine kleine Scheibe angeschnitten und zum
Handtuch wurde erklärt, dass ich warten müsse bis mein Zimmernachbar mit dem duschen fertig ist, dann könne ich das Handtuch bekommen. Ich bekam es tatsächlich, aber nicht nur nass sondern auch als ziemlich zerrissenes Exemplar. Ich entschied mich daher für eine Lufttrocknung.
Nach 18 Monaten im Busch und einer heftigen Malaria erhielt ich eine Einladung in den Wasa-Amenfi Distrikt in der Nähe der Elfenbeinküste. Dort erfuhr ich, dass der Ältestenrat aufgrund meiner Aktivitäten beschlossen hätte, mich zum Häuptling zu ernennen. Nach Einweisung in die Sitten und Gebräuche des Stammes durch den Registrator erhielt ich auch eine Unterweisung in die Trageweise des golddurchwirkten Umhanges, genannt Kentecloth, und wurde auch mit Unterwäsche und Sandalen ausgestattet. An einem durch einen
traditionellen Priester festgesetzten Tag fand eine feierliche Zeremonie statt. Der Paramountchief nebst Ältestenrat und Queenmother empfing mich mitsamt zwei Ehrenjungfrauen und Gefolge, teilte mir über den Linguisten den Grund der Feier mit und ließ mir eine Krone aufsetzen. Der Priester puderte mich mit weißem Kalkstaub und ich hatte einen Eid zu leisten. Dieser Eid an einen mächtigen Gott verpflichtet mich, bei Not und Gefahr dem Stamm zu Hilfe zu eilen, als Entschuldigung gilt nur Krankheit und Hochwasser.
In einer Sänfte, angeführt von zwei Muschelhornbläsern trug man mich durch das ganze Dorf, dessen Straße von Schaulustigen gesäumt war. Anschließend fand ein gemeinsames Festessen mit frischem Palmwein statt, bei welcher Gelegenheit mir der Paramountchief mitteilte, dass ich nun berechtigt wäre, zehn Frauen zu haben. Er hatte aber volles Verständnis für mich, als ich ihm erklärte, dass zehn Frauen auch zehnfache Probleme bedeuten würden. Ich dachte dabei nicht zuletzt an einen ghanaischen Freund, welcher neun
Frauen hatte und dadurch recht häufig einen Zusammenbruch hatte.
Seit der Ernennung zum Häuptling habe ich den ghanaischen Namen Nana Kwabena Wolf I
Erzähl mir was von Afrika
Dr. Ronald Henss Verlag
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14 Autoren aus Deutschland und Österreich zeigen
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