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Das Schloss im rötlichen Sand

©  Waltraud Müller


Afrika - wer noch nicht dort war, den zieht es in das ferne Land. Bekannt durch viele Filme, Tierparadies, Weite und Größe! Ewige Sonne, riesige Bäume, saftiges Land. Vogel Strauß, der die Touristen auf seinem Rücken duldet, Affen, die sich füttern lassen.
Kleine Häuser, mit schwarzen "Nannis" - die manche Kinder der "Weißen" hüten. Löwen, Panther, Giraffen, Elefanten . . . in nicht allzu weiter Entfernung - die Einheimischen können gut damit leben - haben sich damit abgefunden.
Doch gibt es auch die andere Seite dieses Landes. Alte Traditionen, die nicht abzugewöhnen sind.
Für diese Geschichte müssen wir weiter ausholen:
Es war Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, als die ersten Kolonialbeamten und Siedler nach Namibia kamen, um dieses Land fruchtbar zu machen. Nicht viele Frauen waren ihren Ehemännern gefolgt, die Unannehmlichkeiten in dieser Wildnis schreckten sie zu sehr ab. Doch für Hans Heinrich von Waller, dem zukünftigen Schlossbesitzer, erfüllte sich ein Traum. Mit dem Geld seiner wohlhabenden Frau ließ er mitten im Nirgendwo, eine Burg erbauen, mit Türmchen und Zinnen. Richtete mit wertvollem Mobiliar einen Rittersaal und diverse Salons ein, kaufte weites Land und züchtete Pferde. Seine Gattin gab Gesellschaften, scheute sich nicht, weite Strecken alleine zum Einkaufen zurückzulegen. In der nahen Stadt erkannte sie die Not der Männer und eröffnete ein Freudenhaus, das bald mehr einbrachte, als die Pferdezucht ihres Mannes! Das Ehepaar zählte zu den Reichsten und Angesehensten dieses Landes!
Treu waren sie sich gegenseitig nach außen hin schon! Sie galten als mustergültiges Ehepaar! Nun, er hatte auch viel zu verlieren.
Sklaven versüßten dennoch seinen Alltag! Als einmal seine Marie abwesend ihren Geschäften nachkam, schwängerte er sämtliche Gehilfinnen. Danach trieb er sie vom Hof!
Doch sein ausschweifendes Leben sollte überraschend ein Ende haben. Mit Freude meldete er sich zu den Fahnen und fiel bald danach im Krieg!
Er hinterließ Heinz Peter, seinen vergötterten Sohn.
Die trauernde Witwe tröstete sich mit einem jungen Vorarbeiter.
Aus dieser Beziehung erblickte Sohn Baldius sobald die Welt. Er vertrug sich leider mit dem Halbbruder aus erster Ehe seiner Mutter nicht. Dieser hatte das Wesen des Vaters geerbt und respektierte die Sklaven überhaupt nicht.
Misshandlungen waren an der Tagesordnung. Skrupellos brachte er es mit Diamantenschmuggel zu noch mehr Reichtum.
Eines Tages trieb er es doch zu bunt. Heinz Peter hatte mitbekommen, dass eine kleine Sklavin, jung und überaus hübsch, Baldius sehr ans Herz gewachsen war. Sie war die Tochter von Baldius Nanni - seiner Kinderfrau.
Dieses Mädchen beachtete den Arbeitsgeber und Herrscher über unzähligen Sklaven nicht, sie hatte sogar Angst vor ihm!
Es geschah im Stall, wo das Lieblingspferd Baldius guter Hoffnung war und jederzeit das Fohlen auf die Welt kommen konnte!
Brutal riss er dem verstörten Mädchen die Kleider vom Leib, warf sie gegen die Wand, ihre Nase blutete, sie schrie, schlug um sich, doch es half alles nichts. Der viel stärkere Mann vergriff sich an der Schwarzen, vergewaltigte brutal. Ihre Jungfräulichkeit, ihre Träume vom Traumprinzen, alles Gute das vielleicht irgendwann von ihr aufgenommen wurde, alles zerfiel - dieser brutale Kerl zerstörte ihre Kindheit, ihre Jugend, zerstörte das Heiligtum!
Arbeiter hörten ihre Schreie, trauten sich aber nicht, einzugreifen. Doch einer von ihnen lief zu Baldius und holte ihn zu Hilfe. Zu spät! Als er eintraf, gewahrte er nur noch, wie sein Bruder sich von dem Mädchen, das langsam an der verschmierten Wand zu Boden glitt, entfernte. Spott lag in dessen Gesicht als dieser ihm berichtete und prahlte, dass er es dieser
Kleinen gezeigt hatte, wie es ein Herrscher seiner Untergebenen "gibt"!
Von Blut beschmiert, die Hände vor ihrer Blöße verschränkt, sah sie stumm vor sich hin. Baldius legte seine Jacke um ihre Schultern und setzte sich neben sie.
Nach diesem Geschehen gab es einen Aufstand von Seiten der Arbeiter! Nichts war mehr so, wie vordem.
Xanti, das von allen bemitleidete Mädchen, wurde schwanger. Natürlich erhielt sie keine Unterstützung seitens ihres Herren.
Oft saß sie mit Baldius im weißen Sand unter beraubenden Sonnenuntergängen am Rande der Wüste.
"Flieh mit mir!, sagte er eines Tages zu ihr.
"Du willst meinetwegen deine Heimat aufgeben? Was willst du machen?" "Arbeit finde ich überall!" Eines Tages waren beide verschwunden!
Das erzürnte den Schloss- und Großgrundbesitzer, er wurde fuchsteufelwild.
Heinz Peter beschloss, einen Medizinmann aufzusuchen. Seinem Bruder gönnte er kein anderes Leben, weder mit dem Mädchen noch außerhalb seiner Viehherde, die zu beaufsichtigen, dessen Arbeit war!
"Der Zeit nach, könnte das Kind schon geboren sein!
Medizinmann unternimm etwas!"
"Soll ich es töten?"
"Nein, es soll entstellt sein, das Leben lang!"
Der Aufgesuchte stellte eine Puppe her, so groß wie ein Kleinkind. Abends gab es ein Fest, Tanz mit vielen bunten Gestalten, laute Trommeln, gespenstische Beleuchtung, flackerndes Feuer, bunte, grelle Farben, Rufe, Gesang und Geschrei. Nackte Körper verrenkten sich zur Zeremonie.
Zu guter Letzt - stieß die größte, am schaurigsten anzusehende mit hässlicher Maske gekleidete Gestalt, unter tierischem Geheule, lange Nadeln in den Kopf dieser Puppe, dann wollte er auch eine in das Herz stoßen, doch der weiße Herr unter den Zuschauern, schrie Einhalt! Töten wollte er nicht!
Ganz geheuer war ihm doch nicht, bei diesem Glauben der Ureinwohner. Er hatte ihnen viel Geld geboten, dass sie für ihn diese Veranstaltung machten.
Er glaubte ja nicht, dass es etwas bringen würde, doch im Laufe des Abends verging ihm der Mut! Das Heulen der Löwen durchbrach danach die plötzliche Stille, als die Gestalten verschwunden waren. Das Lachen einer Hyäne klang schaurig, in den Ästen erwachte Leben.
Ihm war, als ob ihm etwas den Körper entlang kroch. Ein Biss - ein Schrei - . Nächsten Tag fand man ihn - tot!
XXXXXX
Das in Freiheit geborene Mädchen, hatte weiße Hautfarbe und blonden Flaum am Köpfchen. Baldius war ganz vernarrt in dieses herzige Kind.
Sie hatten Glück gehabt! Er und die Hochschwangere kamen nach Europa, schafften es nach Österreich. Dort heiratete er seine dunkelhäutige Xanie.
Er selbst hatte, dank mitgebrachtem Geld gutes Auslangen. Ein Häuschen und redliche Arbeit. Sie waren zufrieden - wenn - ja, wenn Tochter Susi ihnen nicht so große Sorgen bereitet hätte.
Eines Tages, plötzlich über Nacht, war eine Gesichtshälfte ganz verunstaltet. Hässliche Narben brannten feuerrot in diesem ansonsten so hübschen Gesicht. Kein Arzt konnte helfen. Mit den Jahren verblasste zwar die Farbe, doch die Narben waren auch chirurgisch nicht entfernbar.
Nun, da seine liebe Frau letzten Jahres verstarb, wollte er sich aufmachen, das weite Land und seinen Halbbruder aufzusuchen, seiner Tochter die alte Heimat zeigen. Er hatte dem Mädchen alles erzählt, auch dass sie nicht sein eigen Fleisch und Blut war.
XXXXXX
So sind sie in Namibia gelandet. Hatten eine Traumreise hinter sich. In Windhoeks besuchten sie die Einkaufsstraßen, die bekannte Fidel Castro Straße, die Christuskirche und den "Südwester Reiter".
Bestaunten den Brandberg, der als höchster Berg Namibias gilt. Unzählige wunderbare Sonnenuntergänge über weitem Land waren unauslöschbar in ihren Herzen verankert.
Susi wurde in Österreich zur Lehrerin ausgebildet, daher interessierten sie die Schulen sehr. Katastrophale Zustände herrschten in den meisten Orten.
Pater Bauer, ein Missionar, führte und unterstütze die beiden Reisenden in allem, was in seiner Macht lag.
Dank zahlreicher Spenden konnten im Laufe der Zeit, Schulen errichtet und junge Afrikaner ausgebildet werden. Doch manches ist nur ein Tropfen auf heißen Stein, konnten sie feststellen!
In einer Europäischen Schule in Ombili wird den Kindern auch Kochen und Handarbeiten gelehrt.
Auf den Märkten und an den Straßen, sind für den Tourismus viele Handarbeiten zu bewundern, von denen die Bevölkerung hauptsächlich lebt. Ein Heer an Schnitzfiguren, Schmuck jeder Art, Holzketten und Steine, Gebrauchsgegenstände und Souvenirs.
Im staubigen Sand spielen Kinder, deren Köpfe nach traditioneller Weise frisiert werden. Nur ein kleines Haarbüschel ziert das Haupt.
In der Weite des Marienflusstales begegneten sie Frauen, die ihren Körper und Haare mit roter Paste einrieben. Diese Erdpaste schützt sie vor Parasiten. Viele Traditionen prägen das Leben der Himba noch wie vor früheren Jahrhunderten.
Die Fuß- und Handgelenke zieren Ringe aus Perlen und Kupfer, um den Hals tragen sie unzählige Ketten, die aus Lederbändern gefertigt sind.
Baldius kam mit seiner Tochter und der Touristengruppe, derer sie sich angeschlossen hatten, am Kunene vorbei, an dem Krokodile lauerten.
Ein rostiger Markierungspunkt aus Schrott auf der Straße, erfüllte seinen Zweck und führte sie in die richtige Richtung.
Sie besuchten den Etoscha - Nationalpark. Wildlife zum Anfassen!
Unbeeindruckt von Motorenlärm knabberten Zebras an Halmen neben der Straße, in der Ferne schwankten Giraffen, eine Nashornfamilie ließ den Boden erbeben - Antilopen und Elefanten besetzen die Tümpel. Die meisten Wasserstellen, an denen sie vorbeikamen, wurden von Tieren eingenommen.
Der Höhepunkt war eine Begegnung mit dem "König" der Löwen, der angrifflustig zu ihnen sah , dabei aber seine Familie mit den drolligen Kleinen nicht aus den Augen ließ.
Lustige Affen ließen sich bei ihrer Kletterei in den kargen Ästen nicht stören.
Nächstens kamen sie an der Robbenbucht vorbei. Noch den darauffolgenden Tag roch man den Fischgeruch im Wagen und in der Kleidung.
Dünen und Meer, erforschten sie in Walvis Bay.
Entdeckten karge Landschaft, die eine lebensfeindliche Schönheit ist, in der nur angepasste Tiere und Pflanzen überleben können. Sie sammelten wunderbare Erfahrungen, erblickten zauberhafte Gegenden in denen Gras und Bäume wuchsen.
Nach langer Fahrt erreichten sie Lüderitz und somit waren sie ganz Nahe dem Diamantengebiet.
Die Erfrischung nach dieser wunderbaren Besichtigung und Entspannung, fanden sie in der grünen Oase, dem einladenden Meer.
Hier endete die Besichtigungstour, nächsten Tag wollten sie zu dem Schloss, den Halbbruder und die Mutter aufsuchen, ihr die Enkelin präsentieren.
XXXXXX
Ein junger "Schwarzer" - kurz Niro genannt - mochte sein weiteres Leben nicht bei seinen Eltern und sechs Geschwistern verbringen. Er wollte mehr.
Er wollte heraus aus dieser, für Fremde faszinierenden Welt! Für ihn war die ewige Hitze, ein Gräuel. Hübsch war er, groß und schlank. Er arbeitete bei Tag und wenn nötig auch bei Nacht, hatte das Glück eine Schulbildung abgeschlossen zu haben.
Ihn zog es nach Europa, doch schien ihm sein Wunsch unerfüllbar.
Als er so traurig auf den weißen Strand blickte, die bunten Sonnenschirme anstarrte, das ruhige Meer mit keinem Blick würdigte, als die rote Sonnenkugel am Horizont sich anschickte, hineinzutauchen in das herrliche Nass - da - kullerten sogar einige große Wasserkügelchen aus seinen tiefdunklen Augen.
Touristen kamen auf ihn zu, riefen ihm Wünsche zu.
Cocktails, bunt bestückt mit Früchten, Schirmchen und Strohhalmen wanderten durch seine flinken Hände.
Plötzlich entstand Tumult! Die Masse drängte zum Meer.
"Ist hier ein Arzt?", rief es von dort. Oh', Niro wäre gerne Arzt! Er lief zu der angesammelten Schar. Was er erblickte ließ sein Herz Purzelbäume machen. Ein Mädchen richtete sich gerade von dem leblosen Körper, dem sie Wiederbelebungsversuche zugefügt hatte, auf. Geradewegs begegnet sie seinen Blick. Das Abendrot spiegelte sich in ihrem goldigen Haar. Der Bann wurde jäh unterbrochen, als gurgelnde Geräusche die Menge ah' und oh' rufen ließen. Der vorerst leblose Körper wurde von Krämpfen geschüttelt, erbrach das salzige Wasser. Der wieder unter den Lebenden verweilende Mann mit weißem Haar und kleinem Spitzbart, sah die um sich Stehenden gerührt an.
"Ich danke Euch! Oh' es war grauenhaft. Irgendetwas zog mich in die Tiefe, ich glaubte, mein Leben sei zu Ende! Danke!" "Susi hat das gemacht, deine Tochter ist zur rechten Zeit aufgetaucht!" "Wo ist sie - ?" "Vater, ich bin da!" "Ja, mein Kind, doch meine ich die Puppe!" "Welche Puppe?" Die Menge schaute um sich.
"Ich wollte diese grauenhafte Puppe aus dem Wasser ziehen - sah aus wie ein Baby - dachte auch zuerst, dass es eines ist! Grauenhaft!"
Niro war inzwischen nah genug herangekommen, dass er diese Worte vernahm. Er ging ein Stück den Strand entlang, da sah er auf dem Wasser einen Gegenstand treiben. Er watete auf ihn zu - wirklich, es war eine wasserdurchtränkte Puppe mit Nadeln, die tief in dem maskenhaften Gesicht steckten. Die Farbe war etwas zerlaufen, doch noch gut erkennbar. Leuchtendes Rot tropfte aus den Einstichstellen! Es sah furchtbar aus!
Entsetzt wandte sich der ältere Mann von dem Anblick ab, als Niro mit seinem Fund näher kam.
"Sie - diese - hat mich in den Strudel gezogen, indem ich selbst mich unmöglich befreien konnte - danke liebe Leute" - wandte er sich an die Menge. "So etwas bringt immer Unglück - werft sie weg, vernichtet sie!" Plötzlich stand eine imposant bemalte große schwarze Figur vor den Versammelten. Hinter der Maske ertönte eine tiefe, befehlende Stimme: "Gebt sie mir! Dieses Werk darf nicht zerstört werden!" Die triefende Puppe wurde Niro aus den Händen gerissen. Mit großen Schritten eilte die Gestalt damit davon. Das Baströckchen wippte um die strammen Schenkel, der muskulöse Körper mit bunten Zeichnungen versehen, entschwand den verdutzen Blicken der überraschten Menge!
"Halt - lasst ihn nicht entkommen!" Der rasch zu Kräften kommende Mann forderte die Umstehenden auf, dem Medizinmann zu folgen!
XXXXXX
Abends im Bungalow, in dem die Reisenden untergebracht waren, erzählte Baldius seine Geschichte. Niro saß neben dem Mädchen Susi. Immer wieder musste er ihr Gesicht bewundern. Die eine Hälfte war so wunderschön, ebenmäßig und zart, die Gegenseite verunstaltet.
Dann horchte er auf!
Baldius war bei der Stelle angekommen, wo sein Bruder die Sklavin nötigte.
Als er dann hörte, dass bei der Geburt von Susi, deren Gesicht in Ordnung war, erst später und ganz plötzlich die Zerstörung einsetzte, da war für ihn fast klar durchschaubar: "Das war ein Woodu!" "Was sagst du?" "Ganz sicher! Das war ein Woodu - ein Zauber - eine Verwünschung der Medizinmänner! Ihr Bruder, Baldius, wird das in Auftrag gegeben haben!" Alle sahen mit großen Augen auf Niro.
"Dann könnte diese Puppe etwas dazu beigetragen haben - diese oder eine ähnliche?" "Ja, sie hatte doch Nadeln im Gesicht - !" Ein Geräusch ließ alle zusammenfahren, ein Gegenstand fiel mit "plumps" durch die offenstehende Türe inmitten des Zimmers.
Bei schummriger Beleuchtung konnte man nicht sogleich ausnehmen, was das war.
Baldius erkannte die Puppe, ergriff sie und zog sogleich an einer Nadel.
"Au" - Susi hatte das ausgestoßen und sich an die Wange gegriffen.
"Vorsicht!", rief Niro und nahm dem älteren Herren den Gegenstand vorsichtig aus den Händen. "Nicht an den Nadeln ziehen - sie können einen Widerhaken haben!" Ganz zart drehte er eine Nadel. Susi spürte auf ihrer Wange einen höllischen Schmerz.
"So geht das nicht! Es ist eindeutig die Puppe vom Fluch Ihrer Tochter!" "Was sollen wir denn tun?" "Das Hospital ist weit - es gibt noch eine Möglichkeit! Am Rande der Oase, in den Dünen wachsen Wüstenblumen. Richtig angewendet können sie heilen, auch schmerzfrei machen. Wir wenden sie oft bei Zahnschmerzen oder kleinen Operationen an. Gepflückt bei Morgentau entfaltet sie ihre ganze Energie!" "Kannst du uns zu ihr führen?" "Ja!"
So wanderten die beiden "Weißen" mit den dunkelfarbigen Einwohnern zu den Wüstenblumen, die so hohe Heilungschancen versprachen.
Niro, der sich sehr europäisch gab, seine Hautfarbe ein schönes Kakaobraun hatte, zog einen Karren hinter sich her. Die Puppe nahmen sie sicherheitshalber mit.
Und wirklich, dank der erst kürzlich vergangenen Regenperiode, entdeckten sie die jetzt saftigen Gewächse vor Felsformationen und Akazien. Weiter entfernt lagen Sterndünen, die vom stetig wehenden Wind geformt waren.
Susi begab sich in die zärtlichen Hände Niros. Sie vertraute ihm. Er holte das Mark aus den kaktusähnlichen Gewächsen, gab ihr davon zu essen, verdünnte mit Wasser und füllte Becher die er ihr reichte. Zuletzt strich er die Gesichtshälfte mit einer verpulverten Paste ein.
Danach holte er vorsichtig die Nadeln aus der Puppe. Als die letzte heraußen war, schrie Susi kurz auf. Ein stechender Schmerz durchfuhr die gemarterte Gesichtshälfte. Niro fertigte einen Verband, den er davor in Paste eingelegt hatte, presste ihn auf die wunde Stelle, die sich stark rötete und wickelte ihr Gesicht, sodass sie wie eine Mumie aussah. Nur Augen und Mund waren frei.
"Das lässt du bestenfalls einige Tage oben. Gut wäre, wenn du öfter die Paste wechseln würdest, damit sich der Heilprozess rasch fortsetzen kann." "Papa will schon morgen zu seinem Gut fahren! Komm doch mit!" Natürlich wollte auch Papa, dass dieser tapfere Bursche mit ihnen kam. Egal, wie die Wundheilung vonstatten ging, Niro hatte Mut bewiesen!
Vor der Abreise verbrannten sie die abscheuliche Puppe am Strand, wo alles anfing und vielleicht das Leid ein Ende genommen hatte.
So kam es, dass eine alte Dame überraschend einen staubigen Geländewagen durch das breite Tor des Gutes "von Waller" einfahren sah. Flink und neugierig verließ sie die Schlossterrasse, um nachzuschauen, wer da angekommen sei.
Ihre Brille zurechtrückend gewahrte sie einen älteren Herrn, einen jungen Schwarzen und - einen weißen Kopf !
"Hallo, Mama!", rief Baldius und lief ihr entgegen.
"Baldius? Bist du das wirklich? Ja, dass ich das noch erleben darf! Nie habe ich etwas von dir gehört! Warum hast du nicht geschrieben?" "Das durfte ich nicht, wegen Heinz Peter!" "Dein Bruder ist doch schon lange tot - gleich nach deinem Verschwinden! Es war sehr schwer für mich, dies hier" - sie zeigte rund um sich - "alles alleine zu bewirtschaften. Doch es klappte! Habe fleißige Helfer gehabt! Nun bist du da - jetzt bist du der Herr über alles!" "Ich habe dir deine Enkelin mitgebracht!" Susi kam näher. Sie erzählten der Aufhorchenden von dem Schicksalsschlag und der nun hoffentlich raschen Besserung.
Durch das Gelände spazierend, gewahrte Baldius, dass alles gut erhalten war.
Die Pferde auf der grünen Koppel gesund und wohlgeraten waren, abseits Schafe grasten, Ziegen meckerten und Hühner einher liefen. Alles machte einen friedlichen Eindruck. Auch seine Mutter - war lustig und fidel.
Schön und friedlich war es hier, Niro gefiel es sehr gut.
Nach einigen Tagen, die mit viel Erzählungen ausgefüllt waren, nahm Niro Susi den Verband ganz ab. Die Wunden waren gut verheilt, die Narben fast verschwunden.
"Nun kannst du selbst die Paste auflegen, brauchst mich nicht mehr!" "Aber was redest du denn da? Willst du nicht bei mir bleiben?" "Du bist eine Schlossherrin, ich habe nur einen Teil zur Genesung beigetragen". Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und sah sie traurig an.
Sein zärtlicher Blick suchte in ihren zartblauen, mit dunklen Wimpern umschatteten Augen. Er fand, was er suchte, konnte es aber nicht glauben.
"Ja, du Dummer! Ich will dass du hier bleibst, bei mir! Ich habe dich lieb gewonnen, deine Aufrichtigkeit, deine Fürsorge, deine Zärtlichkeit - das alles möchte ich nicht mehr missen! Dieses Gefühl - dir gegenüber - muss Liebe sein!" Da nahm er sie in die Arme und seine Lippen legten sich auf ihren weichen Mund.
Niro und Susi - ein schönes Paar!
Susi eröffnete eine Schulklasse, vorerst für die Kinder des Personals.
Unterrichtete sie zur Freude ihrer Eltern auch in Deutsch.
Niro entpuppte sich als Naturheiler. So Mancher suchte seinen Rat, holte sich Kräuter und Arzneien, die der junge stolze Ehemann irgendwo in der Weite der Steppe fand, zusammenbraute und die für jede Art von Wehwehchen halfen.
Stolz und gerne spazierte Großvater Baldius mit dem Kinderwagen seiner Zwillingsenkelkinder durch sein Reich. Die Kleinen waren die Sensation und der Stolz aller auf dem Gut Lebenden. Das Mädchen erblickte mit weißer Hautfarbe und blonden Löckchen die Welt, der Knabe schaute kakaobraun mit kohlrabenschwarzen Äuglein interessiert auf das, was nun kommen sollte.
Vor dem Tore des Gutes "von Waller" steht noch heute ein Medizinmann! Er hüpft auf strammen Beinen, das Baströckchen schwingt um seine nackten Oberschenkel. Das Gesicht, mit viel Naturfarbe zur Maske bemalt, zeigt große feurige Augen. Der breite rote Mund öffnet sich immer wieder zu lauten Tönen und Rufen: "Utta . . . hulla . . . ubba . . . ugga . . . ugga . . . hu hu hu! Der Speer in seiner rechten Hand klopft auf den Boden, seine andere Hand wirbelt durch die Luft. - Plötzlich ist Stille.
Menschen die vorbeikommen, verweilen einen Moment bei diesem Gesellen. Der schwarze, hinreißend anzusehende Mann ist ein Bewegungsmelder, der jedes Mal, wenn sich Leute seinem Umfeld nähern, zu hüpfen und schreien anfängt.
Aber - er ist total ungefährlich!



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