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... und wehe, du lachst!

©  Konny Schmidt


Der Vater und sein erwachsener Sohn, seit vielen Jahren in Afrika, sind per Jeep tagelang auf Safari im Busch, schlafen am Lagerfeuer unter wilden Tieren und ernähren sich von dem immer knapper werdenden Vorrat an Trockenfleisch und Bohnen. Jetzt wird auch das Trinkwasser knapp, Waschen muss ausfallen.
Mit letzter Kraft erreichen sie, von der Sonne ausgedörrt, Kleidung und Schuhe mit einer hartnäckigen Schicht hellen Staubes bedeckt, die rettende Terrasse einer vornehmen Lodge. Ihr fragwürdiges Äußeres wird vom Portier nicht einmal mit einem Wimpernzucken bedacht, während sie die Schlüssel für das Hotelzimmer entgegen nehmen. Man ist es gewohnt im heißen Afrika, dass Menschen selbst nach wenigen Stunden den Eindruck erwecken, als hätten sie Badewanne oder Dusche zuletzt vor 30 Tagen aus der Nähe gesehen.
Eine Stunde später erscheinen Hermann und sein Sohn Wolfgang, frisch geduscht, rasiert und in glänzender Laune, pünktlich zum abendlichen Buffet.
Weiß behandschuht und formvollendet weist ihnen ein vornehmer afrikanischer Kellner den kleinen Tisch am linken Rand zu, den sie mit knurrendem Magen dankbar annehmen und zwei große Gläser Bier bestellen. - Eisgekühlt, die Laune steigt, und so begibt man sich in illustrer Gesellschaft elegant gekleideter Gäste zum appetitlich angerichteten Buffet.
Der Sohn, bescheiden - denn man kann ja dreimal gehen - setzt sich bereits am Tisch nieder, um auf den Vater zu warten. Doch was sich vor seinen erstaunten Augen abspielt, lässt ihn die Speisen vergessen.
Hermann, ausgehungert wie eine Hyäne, die tagelang keinen Löwen überreden konnte, ihr einen Rest seiner Beute zu überlassen, lädt sich die herrlichsten Leckereien auf den nicht unbedingt als klein zu bezeichnenden Teller. Die Entscheidung, was man zuerst probieren sollte, fällt mit jeder neuen Zutat schwerer. So erhebt sich ein deutlicher Hügel aus der Mitte des goldumrandeten Tellers. Freudestrahlend stolziert er, den Arm mit dem Teller in vorsichtigem Abstand zu seinem frisch gewaschenen Hemd haltend, dem Tische zu.
Doch ach! - übersieht die kleine Stufe dort, in der Mitte des Speisesaales.
Strauchelt, stolpert, kann sich fangen, doch - wo ist der Teller geblieben?
Der letztgenannte, widerwillig zwar, doch unaufhaltsam, hat sich von seinem Träger getrennt und schießt wie ein entgleistes UFO in Kopfhöhe zunächst, dann tiefer sinkend, trudelnd durch die mittlere Reihe. Dabei sich seiner reichlichen Speisen entledigend, die sich genüsslich auf Tischen und Fräcken der eleganten Gäste niederlassen, zerschellt das corpus delicti mit einem ohrenbetäubenden Klirren, das nur vom Aufschrei der Damen übertönt wird, am Boden.
Schnell huschen die Kellner aus allen Richtungen, um hier die Rotweinsoße von einem Frack zu wischen, dort eine Kartoffelscheibe aus dem hochtoupierten Haar einer Dame zu befreien. Lautlos eilen sie von Tisch zu Tisch, leise Entschuldigungen murmelnd, während die angerichteten Speisen in der Küche blass erkalten.
Der Vater, nur im ersten Moment von sprachlosem Entsetzen gepackt, dreht sich wortlos um, marschiert zurück zum Buffet und belädt sich einen neuen Teller mit den köstlichsten Speisen. Er hat schließlich Hunger, was geht ihn da das Gegackere der Weiber an den unteren Tischen an?
Die Stufe sorgsam beachtend, erreicht er in ungetrübter Vorfreude den Tisch mit seinem Sohn daran, platziert den Teller fein säuberlich zwischen Messer und Gabel, wobei er es nicht unterlässt, die Serviette akkurat auszurichten.
Man weiß ja schließlich, was sich gehört.
Sein Sohn, mit verstohlenem Blick fassungslos das Chaos an den umgebenden Tischen beobachtend - denn ihn hat nichts getroffen, schließlich hat man schnelles Reagieren im täglichen Überlebenskampf Afrikas trainiert und weiß sich zu bücken, wenn ein hart gekochtes Hühnerei auf einen zuschießt, selbst wenn es schon geschält ist - versucht mühsam, sein von unterdrücktem Gelächter hochrot gefärbtes Gesicht hinter der Serviette zu verbergen.
Da passiert es - er wird innerlich förmlich zerrissen, muss sich freimachen von dem unerträglichen Psychodruck. Unter schallendem Gelächter, sich auf die Schenkel schlagend und auf dem Stuhl herum zappelnd, blickt er aus tränenüberströmten Augen in das vorwurfsvolle Antlitz seines geplagten Vaters, der ihm soeben mit strengem Blick zugeraunt hatte: "Und wehe, du lachst!"



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