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Afrika gefällt!
© Niels Dallmann
Sonntag Nacht, der Regionalzug blieb erneut aus. Es war ein Jammer; ständig kehrte ich zu spät zu meiner Kaserne zurück. Es waren ja nur noch fünfeinhalb Monate, tröstete ich mich. Ich Depp musste mich ja weiterverpflichten, als Sanitäter. Eine Menge Übungen hatte ich bereits absolviert, aber echte Wunden gab es nicht zu versorgen bei der Bundeswehr, nur ab und zu ein paar Magenverstimmungen, gelegentlich ein unerfahrener Rekrut, der vergessen hatte, seine Waffe ordentlich zu sichern. So war mein Job eher langweilig
als aufregend. Ein Soldat von heute war eben kein Abenteurer, mehr ein mittlerer Verwaltungsbeamte mit Waffenschein.
Eine wenig erotische Frauenstimme kündigte die Verspätung wegen Gleisbauarbeiten an; ein Blitz sei in einen Baum eingeschlagen, der jetzt wohl die Gleise blockierte. Wenigstens hatte ich einmal eine plausible Ausrede für mein Zuspätkommen.
Geschlagene 2 Stunden wartete ich in der kalten Nacht auf dem Bahnhof. Meine Füße froren ein, mein Atem schien sofort einen Aggregatzustand zurückzufallen, meine inneren Organe begannen auszufallen; kurzum: es war die Hölle, und zwar eine ziemlich kalte! Ein frierender Soldat, eigentlich unehrenhaft und lächerlich, wenn man bedenkt, welche Qualen ich in der Grundausbildung erleiden musste. Aber das lag schon eine Weile zurück...
Die Bahn kündigte sich an, hielt natürlich am anderen Ende des Bahngleises, ich stieg ein und fuhr meiner Heimatkaserne entgegen.
Erkältet und mit laufender Nase begrüßte ich die Wache schiebenden Kameraden. Sie ließen mich durch und gaben mir den Tipp, dass bei den Rekruten noch das Ende der ersten 3 Monate gefeiert würde.
Ich entschloss mich jedoch schlafen zu legen, wenigstens noch die eine Stunde, und sehnte mich nach wärmeren Gefilden. Ich träumte von der Karibik, von schönen Frauen und sanfter Musik; von Cocktailabenden und meinem Mädchen aus Ipanema...
Der nächste Tag sollte dann den Schock bringen. Auslandseinsatz! Eine humanitäre Mission, und ich als Sanitäter, mit meiner miserablen Ausbildung sollte den studierten Medizinern beistehen, im Kampf gegen AIDS. Afrika! Drei Monate fernab der Heimat, drei Monate ohne Freunde, drei Monat jeglicher Zivilisation entzogen. Ich malte mir in meinen Gedanken die abenteuerlichsten Dinge aus:
Ich, verfolgt von weißen Löwen und schwarzen Massai, sollte kleine Kinder mit Medikamenten versorgen, stets darauf bedacht, nicht selbst angesteckt zu werden. Das Elend dort stellte ich mir schrecklich vor:
kein Wasser, keine Ernte, keine ärztliche Versorgung, und ich sollte dort hineingehen?
Wahrscheinlich würde ich verloren gehen, dann wäre ich im Busch gefangen und würde den Eingeborenen mit ihren grausamen Opfer- und Fruchtbarkeitsritualen ausgeliefert sein.
Der versprochene zusätzliche Sold hatte mich jedoch schnell wieder überzeugt. Ich sah es als meine Pflicht an zu helfen. Das Geld würde mir auch nützen, meine Schulden nach dem Verkehrsunfall zu begleichen.
Noch am selben Abend packte ich meine Sachen und meldete mich bei meiner Einheit auf dem Flugplatz. Es hieß, unser Einsatz wäre ein Notfall; aber eigentlich sei ganz Afrika ein einziger Notfall, fügte einer der Militärmediziner hinzu.
Der Flug dauerte nicht lange und gespannt wartete ich auf das, was mich erwarten würde: blühende Landschaften oder menschliches Elend. Zunächst war es beides, aber trotz aller Warnungen meiner Kameraden faszinierten mich die schwarzen, afrikanischen Frauen; es kam, wie es kommen musste: Ich war infiziert mit dem Virus der Liebe und dem des Todes. Mir blieb nur eine Möglichkeit: ich wollte den Rest meines Lebens in einem kleinen Dorf der Eingeborenen in Eintracht mit der Natur verbringen, fernab der elenden Städte,
irgendwo im tiefsten schwarz-afrikanischen Regenwald. Dies tat ich auch, bis eines Tages eine Gruppe weißer Männer in das Dorf hineinspaziert kam. Ich hatte gehofft, sie würden mich mit "Dr. Livingston, I presume" begrüßen, aber es waren Arbeiter eines deutschen Möbelfabrikanten. Mit Motorsägen in ihren Händen bemerkten sie nur lapidar: "Afrika gefällt!"
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