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Wege nach Afrika

©  Kay Kalff


Ich sitze und suche. Ich suche meine Wege nach Afrika. Mit geschlossenen Augen versinke ich im Gedankenmeer und halte Ausschau.
Da - ein Bild, eine Art Dreieck, sandfarben im Blau. Das ist die Doppelseite "Afrika" in dem Atlas, den alle aus der Schule kennen.
Wie war das? Vergleichende Daten? Mein Geo-Lehrer als Beginn eines Weges? Viele Staaten in Afrika sind jünger als ich? Interessant! Ost-West-Erstreckung, Nord-Süd Ausdehnung - Mensch, Deutschland geht ja fast je zehnmal rein in diese Landmasse. Unfassbar.
Erinnerungen. Sinneseindrücke. Da sind doch mehr Wege nach Afrika.
Weite, weite Landschaften, mit oft kitschig-schönen Sonnenauf- und Untergängen, über Affenbrotbäumen oder Mangroven, in Lavendel - und Türkisfarben, durchstochen mit Orangetönen.
Tiere, denen ich mein Herz geschenkt habe. Buschleute, die mir ihr Leben erklärt haben.
Woher?
Phantasie, erlebt oder erzählt?
Walt Disney und Heinz Sielmann, Grizmek und Discovery? Oder John Wayne - Hatari, Hatari?
Junge Männer, die sich an alte Traditionen erinnern. Oder Ihre athletischen, dunklen Körper in Gummistiefel stecken. Das sind neue alte Traditionen. Gum-Boot-Dance aus der kolonialen Minenzeit. Heute ein Kulturereignis.
Gesehen? Gehört? Gezeigt? Gerochen? 3sat oder Arte?
Wie steht es mit Menschen? Mir persönlich bekannte Menschen? Anfang weiterer Wege nach Afrika?
Zum Beispiel Ranjah. Ein Inder in meinem Alter. Jetzt arbeitet er als Wissenschaftler in Oxford. Und er sieht nur aus wie ein Inder. Geboren und aufgewachsen ist er in Kenia. Er erzählt, wie die Engländer seinen Großvater "eingeladen" hatten, in ihren Kolonien in Afrika nach dem Rechten zu sehen.
Beschreibt in wohlklingendem Englisch tagelange Cricketspiele in grünen Oasen der High-Society. Das Spiel ist dort weit populärer als bei uns der Fußball.
Er schafft in meiner Phantasie wochenlange Safaritrecks im Geländewagen, inklusive Pannen und unübertreffbare Glücksmomente in der Natur.
Glücksmomente streifen mich auch im Bericht von Johannes. Sohn des Flugkapitäns aus Frankfurt. Fuhr mit seinem Vater einmal im Morgengrauen in Zaire mit dem Ballon durch den weiten Himmel. Über weitem Land. Galoppierende Antilopen, weit ausschreitende wie zeitlupenbewegte Giraffen. Flinke Zebras. Bewegte Bilder in meinem Kopf.
Dann Sammy. Er ist aus Kamerun. Studierte mit mir in Paris. Spricht Französisch, auch fließend Englisch und mit Phantasie Deutsch. Er hat neben seinem Job als Sohn des Clanchefs im Dorf zu Hause drei Frauen - zwei in Paris, eine in Brüssel.
Ein netter Kerl. Strahlt Freude und Güte aus. Seine dunklen Augen leuchten wenn er von den kalten Nächten und heißen Tagen im Hochland von Adamaoua erzählt, dem Kamerunberg mit 4070 Metern Höhe und dem Schnee dort am Gipfel. Der wilden Küste, den Hunderten Verwandten. Den Festen im Dorf, reich geschmückte Menschen die tanzen wie es keiner von uns je können wird. Heiße, bunte Bilder von schwitzenden und lachenden Menschen auf staubigem, rotsandigen Boden, wummernde Rhythmen, Gelächter.
Und Gina. Ihr Vater ist aus Ghana, sie war eben erst dort und besuchte die Krankenhäuser, für die sie gesammelt hatte. Und war schockiert. Wildes, schönes, weites Land mit frischer Luft, hohem Himmel. Wogende Grasseen.
Das Haus für die Kranken der schroffe Gegensatz. Eine kleine, geduckte, stickige, hüttenartige Konstruktion ohne viel Licht im Innern. Fast leere Räume, nackte Böden aus Lehm, kaum Betten, kaum Instrumente, wenig Medikamente. Nur große Augen und friedliche, ruhige Menschen. Schicksalsergeben und geduldig. Schmerzen werden ausgehalten.
"Welch ein Kontrast gegenüber unseren Patienten" sagte Gina. "Man stelle sich im Kreiskrankenhaus um die Ecke den Vierzigjährigen mit dreißig Kilo Übergewicht vor, der meckert weil er zwei Tage nach der Blinddarmoperation noch immer nicht rauchen darf, und wehe sein Fernseher im Zimmer streikt!".
Wie wahr.
Und die beiden Kolonisten. Der Dozent aus dem Osten lehnt lässig mit Strohhut am Tresen. Er ist braun gebrannt und nuckelt an seiner Zigarre. Er käme gerade aus "Deutsch-Südwest". Da hat der Wirt seine Farm.
Die Kneipe liegt im tiefsten Taunus, aber die Kolonialzeit hat sich hier scheints festgebissen.
Verklärte Geschichten einer Generation, die gerade erst aus dem Kaiserreich aufwacht oder da am liebsten wieder hin möchte.
Dass das Land heute Namibia heißt ist unerheblich für die Herren. Hauptsache sind Erinnerungen an lange Nächte in Hängematten und heiße Tage unter riesenhaften Bäumen auf dem Teakholzdeckchair mit eisgekühltem Getränk auf dem wabbeligen Bauch und dem warmen Wind auf der Haut.
Träume von der Villa am Victoriasee in "Deutsch-Ost". Mein Gott, heute heißt das Tansania. Ich gehe.
Habe ich keine eigenen Sinneseindrücke aus Afrika?
Der Scirocco - der heiße Wind aus Nordafrika. Er trug seinen roten Sand aus der Nordsahara auf mein weißes Auto. Bis nach Spanien. Und sogar bis nach Ungarn. Wie weit der bläst.
Zweimal schon sah ich dem Kontinenten Afrika und seinem heißen Atem direkt ins Gesicht.
Als ich in Dschidda mein Flugzeug verließ brüllte mich seine von der nubischen Wüste des Sudans kochend aufgeheizte, über dem rotem Meer mit Feuchtigkeit unermesslich angesättigte Luft fast von den Füssen.
Auf Gibraltar funkelten mich nachts die wachen Tanger-Augen der Küste Marokkos über das zum Isthmus verengte Mittelmeer an.
Säulen des Herakles? Atlantisgeschichten - hier? Untergang?
Oh ja. Untergang und Ende. Da drüben auf der Küstenseite von Algerien - über Tunesien, Libyen bis Ägypten. Da kämpfte er um sein Leben. Mit neunzehn. Schaufelte Sand, rannte, schoss, lud durch und fuhr seine geliebte BMW. Die sandfarbene. Mit Rückwärtsgang und Beiwagen. Er brachte sie bis El Alamein. Ein Modell davon hat er mir geschenkt. Ich hab es heute noch.
Ihn hab ich nicht mehr. Nur noch die Erinnerung an ihn. Meinen zweiten Großvater. Er ist von allen Erinnerungen mein erster Weg nach Afrika.
Welcher wird der nächste?



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