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Das Schicksal Africas
© Jessica Ihlow
Sie war die Geliebte des Zeus, genannt Africa, eine Schönheit mit einem reinen Herzen. Er liebte sie unter anderem wegen ihrer Vielseitigkeit, ihrer Wärme und ihrer Zartheit.
"Was kann ich dir geben", fragte er sie eines Nachts, "das deiner Schönheit würdig ist?"
"Ich habe dich in den einen Nächten, meine Einsamkeit in den anderen. Ich bin glücklich", antwortete sie.
Da sagte er: "Ich will dich von hier fortbringen. An einen Ort, der alles, was ich an dir so liebe, widerspiegelt. Du sollst die Mitte aller sein, weder Nord noch Süd, weder West noch Ost."
"Ich will bleiben", sagte sie und schickte eine weiße Taube in den Himmel, die nie mehr zurückkehrte. "Denn ich will unschuldig sein und niemals Leid sehen."
Am Mittag des nächsten Tages spielte Africa gerade mit ihren Freundinnen am Strand, als ein Löwe über dem Meer auf sie zugelaufen kam.
"Welch entzückendes Tier!", rief sie aus.
Sein Fell hatte die Farbe der Sonne. Obwohl ihre Spielgefährtinnen sie warnten, stieg sie auf den Rücken des Löwen. Sogleich lief der Löwe fort vom Strand über das Wasser und nahm Africa mit sich.
"Wohin gehen wir, Herr Löwe?", fragte Africa.
"Ich trage dich in ein Land, das die Form deines Herzens hat und ganz von Wasser umgeben ist", antwortete Zeus.
Als sie das Festland erreichten, setzte er sie ab und verwandelte sich zurück.
"Dies ist alles dein", prophezeite er ihr. "Du wirst im warmen Sand baden oder im grünen Wald spazieren gehen können. Für dich, meine Schönste, wird die Sonne am meisten scheinen. Du kannst von unzähligen Früchten kosten. Geschöpfe wirst du sehn, die noch kein Mensch vor dir gesehen hat."
"Ich bin schwanger", entgegnete Africa nur.
Ihre vierundachtzig Töchter verstreuten sich über das ganze Land. Sie hießen Zaire, Lesotho oder Guinea. Jede hatte ihren eigenen Namen. Es waren alles schöne Töchter, doch sie bekriegten sich. Es kamen Schatten über das Meer, die das Land überfielen, verheerend für Mensch und Tier. Sie drohten der Mutter und ihren Töchtern. Die Töchter und die Schatten beunruhigten die Mutter sehr. Ihre Schönheit wurde fortan von einem undurchsichtigen Schleier verdeckt. Zeus verließ sie und sie wartete vergebens auf ihre Taube.
Nach etlichen Jahren voller Krieg und Zerstörung, konnte man über das Meer hinweg nur noch ihre verwundeten Töchter sehen. Africa selbst war verschwunden. Was sie zurückließ, war nur ihr gebrochenes Herz.
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