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Die Rache des Häuptlings

Von Nevart A. Junior


Es war im März 1987 als mich ein Schreiben vom geologischen Institut aus Brasilia erreichte.
Ich bekam den gut bezahlten Auftrag am Oberlauf des Xingu-Flusses nach Bodenschätzen zu suchen.
Anfang April machte ich mich auf den Weg. Ich flog nach Manaos im Norden von Brasilien. Von da aus ging es mit dem Boot den Amazonas hinauf, dann hinein in den Nebenfluss, dem Xingu. Eine beschwerliche Reise begann. Es war heiß, feucht und die Moskitos plagten mich auf der gesamten Fahrt. Mein Ziel war ein Holzfällercamp, welches sich am Oberlauf des Flusses befinden sollte.
Nach sechs Tagen erreichten wir das Camp. Meine Begleiter brachten meine Ausrüstung an Land und fuhren anschließend wieder zurück nach Manaos. Sie sollten mich nach vier Wochen hier wieder abholen.
Meine Ankunft im Lager wurde mit Misstrauen betrachtet. Die Leute glaubten zuerst, ich sei ein Kontrolleur der Holzfirma. Als ich aber erklärte, warum ich gekommen war, legte sich dieses Misstrauen sehr schnell.
Die Holzfäller, wilde, raue Gesellen, wurden von einem Mann befehligt, der sich Capitano betiteln ließ. Ein harter Bursche, der sich stets mit seiner Lederpeitsche Respekt verschaffte. Er war bei den Holzfällern gefürchtet. Wer sein Tagessoll nicht erfüllte bekam die Peitsche zu spüren.
Die Männer lebten in einfachen Holzhütten. In einer dieser Hütten waren auch einige Frauen untergebracht. Nutten aus den unterschiedlichsten Orten des Landes.
Sie lebten hier zusammen mit den Holzfällern, wuschen die Kleider, kochten das Essen und schliefen mit den Männern. Dafür wurden sie bezahlt. Es war kein angenehmes Leben, aber sie verdienten dabei besser als in den Bordellen der Städte.
Ich bekam eine kleine Hütte am Rande des Camps zugewiesen. Hier richtete ich mich ein so gut es ging.
Die vier Wochen würde ich unbeschadet überstehen.
Neben der Arbeit Bäume zu fällen und diese mit Mulis an den Fluss zu transportieren, war die andere Beschäftigung das Treiben mit den Weibern und das Vertilgen von Unmengen an Alkohol. Von beiden gab es genug.
Ich hielt mich von all dem fern und ging meiner Arbeit nach, sammelte Bodenproben und machte meine Aufzeichnungen. Die Tage verliefen gleichmäßig bis zu dem Tag, als die Sache mit Pedro passierte.
Pedro, ein Mann, brutal und ständig besoffen, bekam vom Capitano den Auftrag, weiter in den Urwald vorzudringen und nach einer bestimmten Baumart zu suchen. Es vergingen drei Tage. Pedro kam nicht zurück. Abgehauen konnte er nicht sein, denn alle Boote lagen vollzählig am Fluss. Der Capitano stellte unter Fluchen eine Suchmannschaft zusammen.
Ich schloss mich der Gruppe an. Die Männer bewaffneten sich mit Revolvern und Gewehren. Wir durchkämmten in immer größeren Kreisen den Urwald um unser Lager. Von Pedro keine Spur.
Weiter und weiter drangen wir vor. Am zweiten Tag unserer Suche stießen wir auf ein Indianerdorf. Es war verlassen. Die Indianer waren im dichten Urwald verschwunden. Sie mussten das Dorf kurz vor unserer Ankunft verlassen haben, denn die Asche der Feuerstelle war noch warm. Sie mussten unser Kommen rechtzeitig bemerkt haben.
Hinter dem Dorf fanden wir Pedro, oder besser gesagt, was von ihm noch übrig war. Pedro lag auf einem riesigen Ameisenhaufen. Die Indianer hatten einen Pflock in den Ameisenhaufen gerammt und Pedro daran festgebunden. Die Ameisen hatten Pedro bis auf die Knochen abgenagt. Was wir sahen war nur noch sein Skelett. Welch ein grausames Ende.
Die Indianer blieben verschwunden. Wir konnten für Pedro nichts mehr tun. Nach den Indianern zu suchen war zwecklos. Sie kannten sich im Urwald besser aus und es war auch gefährlich. Wie leicht konnte ein Giftpfeil aus ihrem Blasrohr uns treffen. Wir kehrten zurück ins Camp. Die Männer rätselten, was mit Pedro geschehen sein könnte. Normalerweise waren die Indianer friedlich und gingen den Holzfällern aus dem Weg. Sie vermieden jeglichen Kontakt mit dem Lager.
Zwei Wochen später, ich war allein unterwegs, kam ich erneut in das Indianerdorf. Es war wieder bewohnt. Der Häuptling, ein großer muskulöser Mann, empfing mich mit argwöhnischen Augen. Ich konnte mich einigermaßen mit ihm verständigen. Er lud mich ein in seine Hütte. Nach einer Weile der Unterhaltung brachte ich das Gespräch auf Pedro. Der Häuptling zögerte zuerst, aber dann erzählte er mir doch noch was geschehen war.
Pedro war beim Durchstreifen des Waldes auf ein Indianermädchen gestoßen, die beim Sammeln von Früchten war. Er fing das Mädchen ein und band es an einem Baum fest. Die wenigen Kleider des Mädchens riss er ihr vom Leibe. Dann vergewaltigte er das junge Indianermädchen in brutaler Weise. Immer und immer wieder missbrauchte er die Indianerin. Das ging so lange bis diese blutete und bewusstlos wurde. Erst dann ließ er von ihr ab. Pedro band sie los und ließ sie einfach liegen. Das Mädchen schleppte sich bis ins Dorf zurück und berichtete, was geschehen war dem Häuptling. Ausgerechnet sie war die Tochter des Häuptlings und dieser war entsetzt über die Brutalität des Mannes, der seine Tochter vergewaltigt hatte. Das konnte nicht ungesühnt bleiben.
Mit einem Trupp seiner Leute machte er sich auf die Suche nach Pedro. Sie hatten ihn schnell gefunden und überwältigt. Man brachte Pedro ins Dorf, wo man ihn dann nackt auszog und auf den Ameisenhaufen legte. Da die Indianer mit einer Suche der Holzfäller rechneten, versteckte sich der Stamm im Urwald.
Das also war die Geschichte von Pedro und seinem Ende.
Eine ähnliche Geschichte erlebte ich zu einem späteren Zeitpunkt, als ich Bodenuntersuchungen in der Nähe eines Goldgräberlagers im Matto Grosso Gebiet durchführte. Auch hier war ein Indianermädchen vergewaltigt worden. Die Indianer fingen den Mann ein. Sie verschleppten ihn in den Urwald. Dort hielten sie Gericht über den Mann. Er wurde zum Tode verurteilt.
Die Indianer warfen Seile in die Baumwipfel zweier gegenüberliegender Bäume. Sie bogen die Baumkronen bis auf den Boden herunter. Der Mann wurde mit den Armen an einen der Baumwipfel gebunden. Die Beine wurden an dem anderen Baumwipfel befestigt. Dann ließen die Indianer die beiden Bäume nach oben schnellen. Der Vergewaltiger wurde regelrecht in der Luft zerrissen. An dem einen Baum hingen seine Arme, an dem anderen seine Beine. Der zerstückelte Rumpf des Mannes fiel zu Boden. Er verblutete und starb auf diese grausame Weise bei vollem Bewusstsein. Es gab keinerlei Untersuchung durch die Behörden, denn wie sollte man die Indianer im Urwald finden oder gar einen Verantwortlichen ausfindig machen.

Der Überfall
In den Jahren 1986 und 1987, ich war in Nairobi, Kenia, als Journalist tätig, als ich dort folgendes Erlebnis hatte. Es war noch ganz früh am Morgen. Das Klingeln des Telefons riss mich aus dem Schlaf. Ich schaute auf meine Armbanduhr Es war exakt fünfzehn Minuten vor vier Uhr. Ich fluchte und dachte, welcher Idiot ruft mich um diese Zeit an. Am anderen Ende der Leitung war ein Freund von mir. Er bat mich, sofort zu ihm zu kommen, er sei in großen Schwierigkeiten. Worum es bei ihm ging, sagte er mir nicht. Ich stieg aus dem Bett und warf mich in meine Klamotten. Mein Auto stand im Hof vor dem Haus. Ich sprang in das Fahrzeug und brauste los. Zu dieser Zeit waren die Straßen wenigstens frei. Nur sehr wenige Autos waren unterwegs. Ich kam gut voran.
Um zum Haus meines Freundes zu gelangen, musste ich ein beträchtliches Stück fahren. Ich wohnte in Buru-Buru, Phase 2, in der Nähe des Flughafens von Nairobi. Mein Freund wohnte am River Side Drive. Ich musste also durch die ganze City von Nairobi fahren, um auf die andere Seite der Stadt zu gelangen.
Ich fuhr den River Side Drive hinauf. Von weitem sah ich schon eine Menge Menschen vor dem Haus meines Freundes und einige Polizeifahrzeuge mit rotierenden Rotlichtern auf den Autodächern standen auch da.
Ein Krankenwagen war auch darunter. Ich parkte mein Auto dazwischen und ging ins Haus. Mein Freund erwartete mich schon an der Tür. Er war umgeben von Polizisten. Eine Gruppe Schwarzer stand in der einen Ecke des Wohnzimmers. Sie waren an Handschellen gefesselt. Mein Freund begrüßte mich. Er klärte mich nun auf, was geschehen war.
Er war früh zu Bett gegangen. Irgendwann in der Nacht wurde er durch Geräusche an der Haustür geweckt. Er schaltete kein Licht an. Im Dunklen schlich er leise die Treppe nach unten. Als Waffe hatte er seine Machete mitgenommen. Diese hatte er stets griffbereit unter seinem Bett liegen. Trotzdem sein Haus gut abgesichert war mit schweren Eisengittern vor den Fenstern und auch vor der Haustür, versuchte eine Gruppe Schwarzer ins Haus einzudringen.
Die Augen meines Freundes hatten sich bereits an die Dunkelheit gewöhnt. Er sah, wie sich eine Hand durch das schmale bereits eingeschlagene Türfenster streckte und versuchte die Innenverriegelung zu lösen. Das Türgitter musste die Bande vorher schon abmontiert haben. Die Geräusche, die dabei entstanden, hatten meinen Freund geweckt. Er schlich jetzt ganz leise bis an die Tür, hob seine Machete und schlug zu. Die abgetrennte Hand fiel in den Raum. Draußen vor der Tür ertönte ein fürchterliches Gebrüll, dann ein erbärmliches Gejammer. In den Nachbarhäusern gingen die Lichter an. Irgendwer musste die Polizei verständigt haben, denn diese war erstaunlicherweise schnell zur Stelle.
Der Grund für die Schnelligkeit der Polizei lag darin, dass in den Häusern am River Side Drive überwiegend Weiße wohnten. Jedenfalls kam die Polizei rechtzeitig um die Bande der Einbrecher fest zu nehmen. Es waren alle Somalis, die sich über die grüne Grenze eingeschlichen hatten und ihr Unwesen bis nach Nairobi ausgedehnt hatten. Es waren meist Banden aus Somalia, die in Kenia regelrecht auf Raubzüge gingen. Die Stärke der Banden war unterschiedlich. Meist waren es zehn bis fünfzehn Leute, die sich zu einer Bande vereinten. Es waren jedenfalls niemals weniger als acht. Bei einem Überfall dieser Banden hatte ein Einzelner oder eine einzelne Familie keine Chance zur Gegenwehr. Bewaffnet waren diese Leute mit Keulen, Haumessern, Speeren und teilweise auch mit Schusswaffen. So eine Bande hatte versucht in das Haus meines Freundes einzudringen. Wäre es diesen Leuten gelungen und wäre mein Freund nicht geweckt worden, er wäre mit Sicherheit ein toter Mann gewesen. Diese Banden schrecken auch vor Mord nicht zurück.
Den verletzten Räuber hatte man mit Polizeibegleitung in das Krankenhaus gefahren. Die anderen schwarzen Brüder wurden nach kurzer Vernehmung ins Polizeihauptquartier abtransportiert. Es wurde ein erstes Protokoll erstellt. Am nächsten Tag sollte dann mein Freund zur endgültigen Klärung ins Präsidium kommen. Nachdem alles vorbei war und die Polizei wieder abgerückt war, verlief sich auch nach kurzer Zeit die Menschenansammlung vor dem Haus. Der ganze Spuk war vorbei.
Ein weiterer Bandenüberfall mit schlimmen Ausgang ereignete sich einige Tage später im Norden von Kenia in der Nähe von Navasha.
Ein normaler Linienbus, ein Überlandbus, hatte voll mit Reisenden Navasha verlassen. Er war auf der Fahrt nach Norden. Etwa zehn Kilometer hinter der Stadt in einem unübersichtlichen Gelände, sprangen 20 bis 25 schwerbewaffnete Schwarze mit modernen Feuerwaffen hinter den Hügeln hervor. Ohne Vorwarnung eröffneten sie das Feuer auf den Bus. Der Bus wurde regelrecht von Kugeln durchlöchert. Fahrer und Beifahrer sackten tot im Führerhaus zusammen. Einige der Passagiere versuchten, teilweise sogar schwerverletzt, durch die Fenster nach draußen zu entkommen. Die meisten wurden bei diesem Versuch durch die Räuber niedergemetzelt. Einigen wenigen gelang es aber doch, im Busch zu entkommen. Zu Fuß erreichten sie die Stadt und verständigten den Polizeiposten.
In der Zwischenzeit hatte die Bande die toten Passagiere im Bus total ausgeplündert. Auch das Gepäck wurde durchwühlt. Alles was brauchbar erschien wurde eingesackt.
Die benachrichtigte Polizei schickte eine Truppe an den Schauplatz des Überfalles. Beim Eintreffen bot sich den Polizisten ein grausiger Anblick. Alle, die nicht hatten fliehen können, waren getötet worden. Darunter auch Frauen und Kinder. Als man die Tür vom Bus öffnete, lief das Blut in Strömen aus dem Bus. Alles im Bus war voller Blut. Der Gang, die Sitze, die Wände. Es muss schrecklich gewesen sein.
Der Polizeitrupp machte sich auf die Verfolgung der Räuberbande. Kurz vor der Grenze zu Somalia wurde die Gang eingeholt und gestellt. Es kam zu einem Feuergefecht. Einige der Räuber wurden getötet. Andere entkamen mit Glück über die Grenze, wo sie nicht mehr verfolgt werden konnten. Sie waren auf den Boden von Somalia und in Sicherheit.
Bei diesem brutalen Überfall wurden 32 Fahrgäste niedergemetzelt und 12 schwer verletzt. Von den Verletzten starben noch einige später im Hospital.
In allen großen Tageszeitungen von Kenia wurde in allen Einzelheiten über diesen Vorfall berichtet.
Es war der brutalste Überfall gewesen, den man bis dahin verzeichnen konnte.
Auch danach kam es immer wieder vor, dass Banden irgendwelcher Clans aus Somalia in Kenia eindrangen und Überfälle verursachten. Aber keiner erreichte jemals die Ausmaße, wie dieser eine Überfall auf den Linienbus.

Gefangener der NPA
Es war im Februar 1990 in der Stadt Cebu-City auf den Philippinen. Ich fuhr mit meinem Jeep durch die Colon Street, als aus einer der Seitenstraßen ein junges Mädchen, verfolgt von vier Männern, rufend auf mein Fahrzeug zulief. Zuerst konnte ich nicht verstehen was sie wollte. Sie lief jetzt neben dem Jeep her und flehte mich an, ihr zu helfen. Bevor ich überhaupt reagieren konnte, sprang sie in das Auto. Die Verfolger kamen näher, schreiend und wild gestikulierend näherten sie sich meinem Jeep. Da ich nicht wusste, was hier abging, gab ich automatisch Gas und brauste davon. Das Mädchen neben mir blickte immerfort ängstlich zurück. Ihre Hände lagen verkrampft in ihrem Schoß. Ich fuhr um einige Ecken in eine Seitenstraße. Ich hielt an. Das Mädchen drückte mir einen Kuss auf die Wange, sprang aus dem Auto und rannte schnell davon. Ich bekam keine Erklärung, warum sie verfolgt wurde. Die ganze Zeit hatte sie kein einziges Wort mit mir gesprochen. So schnell, wie dieser Spuk begonnen hatte, war dieser auch schon wieder vorbei. Das Mädchen blieb verschwunden. Ich ließ den Motor an und fuhr zurück in mein Hotel. Die Sache geriet bei mir in Vergessenheit.
Anfang März musste ich in den Süden nach Mindanao. Ich hatte den Auftrag von einer deutschen Firma, ein Kraftwerk in der Nähe der Stadt Davao zu besichtigen. Das Werk sollte modernisiert werden.
Meine Aufgabe bestand darin, festzustellen, welche Generatoren und Turbinen erneuert werden sollten.
Ich musste daher einige Tage auf Mindanao bleiben.
Eines Tages, es war am späten Nachmittag, fuhr ich mit meinem Jeep vom Kraftwerk in Richtung Stadt. Der Weg führte durch Palmen und Bananenstauden. An einer unübersichtlichen Kurve sprangen plötzlich bewaffnete Männer vor mein Fahrzeug. Ihre Gewehre hielten sie im Anschlag auf mich gerichtet. Ich stoppte das Fahrzeug. Das Auto kam direkt vor dieser Gruppe zum Stehen. Diese Leute sprachen kein Wort. Sie zerrten mich aus dem Jeep. Einer der Männer hielt mir die Mündung des Gewehres direkt vor den Kopf. Ein anderer zerschoss alle Reifen an meinem Fahrzeug. Meine Hände wurden vorn mit einem Strick zusammengebunden. Eine schwarze Binde wurde mir vor die Augen gebunden. Ich bekam einen Stoß in den Rücken, dann musste ich los marschieren. Einer der Männer führte mich am Seil. Da ich nichts sehen konnte, stolperte ich oft. Mehrmals fiel ich auf die Knie. Ich wurde am Strick wieder hochgerissen. Weiter ging der Fußmarsch. Ich weiß nicht, wie lange wir gelaufen sind. Der Schätzung nach mussten es fast drei Stunden gewesen sein.
Ich bemerkte beim Gehen, dass es ständig aufwärts ging. Wir waren auf den Weg in die Berge.
Die Männer unter sich sprachen nicht viel und wenn sie sprachen, redeten sie leise in ihrem Visayadialekt. Ich konnte kein Wort verstehen. Nach endloser Quälerei auf diesen Bergpfaden erreichten wir das Ziel.
Die Binde wurde mir von den Augen genommen. Ich sah ein Camp mitten im Bergdschungel. Primitive Hütten und Unterstände.
Ich war in einem versteckten Lager der NPA, der marxistischen Untergrundarmee "New People Army" gelandet. Eine Menge bewaffneter Männer und auch einige Frauen waren im Camp.
Der Menge nach zu urteilen, musste es ein zentraler Stützpunkt sein.
Ich wurde in eine dieser primitiven Hütten gebracht und an einem Pfahl angekettet. Ich setzte mich auf den Lehmboden der Hütte.
Die Entführer hatten mich allein gelassen. Ich wartete, was wohl als nächstes geschehen würde. Was wollte man von mir? Diese Frage beschäftigte mich schon die ganze Zeit.
Ich war total durchgeschwitzt. Außerdem hatte ich einen enormen Durst. Doch niemand ließ sich blicken. Es waren schon Stunden vergangen, als zwei Männer in der Hütte erschienen und mich losbanden. Sie führten mich in einen der Unterstände. Vor einem Tisch musste ich mich auf einen Stuhl setzen. Hinter dem Tisch saßen drei Männer in Uniform. Es mussten die Anführer der Rebellengruppe sein. Diese musterten mich von oben bis unten, dann begann ihre Befragung. Wer ich sei? Woher ich komme? Für wen ich arbeite? Was meine Aufgabe sei? Ich gab ihnen ehrliche Auskunft zu allen Fragen. Danach brachte man mich zurück in meine Hütte.
Meine Frage nach etwas Wasser ließen sie unbeachtet. Etwa eine Stunde später wurde ich erneut vorgeführt. Einer der Anführer teilte mir mit, dass ich einen Brief an die philippinische Regierung schreiben sollte. Einen zweiten Brief sollte ich an meine deutsche Firma richten. Sie forderten ein Lösegeld in Höhe von umgerechnet einer Million DM. Würde nicht gezahlt, würde ich erschossen. Die Rebellen brauchten dringend Geld für neue Waffenkäufe. Für mich wurde es jetzt mulmig. Ich glaubte nämlich nicht daran, dass die Regierung oder meine Firma das Lösegeld zahlen würden. Dafür war ich als Person zu unwichtig, Zu dieser Überzeugung kam ich sofort.
Es war bereits Nacht, der Durst quälte mich stärker und stärker.
Auch der Hunger machte sich bemerkbar. Niemand ließ sich blicken. Am Pfahl angekettet, am Boden sitzend, verbrachte ich die Nacht.
Die Gedanken in meinem Kopf gingen hin und her. Dazu kam noch die Angst erschossen zu werden. So dämmerte ich dahin bis es langsam hell wurde. Ein neuer Tag begann. Was würde er mir bringen?
Wieder wurde ich geholt und in den Unterstand gebracht. Papier und Kugelschreiber lagen auf dem Tisch. Man befahl mir mich hinzusetzen und zu schreiben. Ich schrieb also diese beiden Briefe. Der Wortlaut wurde mir von dem Anführer diktiert. Ein anderer Uniformierter machte mit einer Polaroidkamera zwei Fotos von mir, die den Briefen beigelegt wurden.
Ich bat um Wasser und etwas Essen. Ich bekam wieder keine Antwort auf meine Bitte. Zwei Männer brachten mich wieder zurück. Wieder wurde ich angekettet.
Ich weiß nicht wie viel Zeit vergangen war, als sich der Eingang verdunkelte und eine Gestalt sich abzeichnete. Beim Näherkommen sah ich, es war eine Frau in Uniform. In der Hand hielt sie eine Schüssel mit Reis und eine Wasserflasche. Sie beugte sich herab und stellte Wasser und Reis vor mir auf den Boden. Bei dieser Gelegenheit sah ich ihr Gesicht nahe vor mir. Ich erkannte sie. Auch sie hatte mich erkannt. Es war jenes Mädchen, welches in Cebu City in meinen Jeep sprang, als sie von den Männern verfolgt wurde.
So sah man sich wieder. Sie legte den Zeigefinger an die Lippen und bedeutete mir still zu sein, nicht zu sprechen. Leise teilte sie mir mit, sie würde am Abend nochmals kommen.
Es war schon fast Nacht, ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, dass sie kommen würde. Doch kurz darauf war sie da. Sie löste meine Ketten, dann winkte sie mir zu ihr zu folgen. Leise, jedes Geräusch vermeidend, schlichen wir aus der Hütte. Das Mädchen führte mich bis an den Waldrand. Von da aus führte ein schmaler Pfad abwärts den Berg hinunter. Sie drückte mir eine Taschenlampe in die Hand und sie sagte mir, dass ich diesen Pfad folgen sollte. Ich sollte mich beeilen, damit ich vor Tagesanbruch außer Reichweite des Lagers wäre. Am Ende des Pfades wäre ich in Sicherheit. Von da aus wäre es nicht weit bis zur Stadt. Sie sagte mir auch, dass ich schnellstens aus Mindanao abreisen sollte. Man würde mich suchen, denn überall wären Spitzel und Spione der NPA über das Land verteilt.
Sie könnte mich nicht führen, weil sie ins Camp zurück müsste.
Es würde auffallen, wenn man sie auch vermissen würde. Sie gab mir die Hand und wünschte mir Glück.
Ich lief, so schnell es mir auf diesem Dschungelpfad möglich war, bergabwärts. Die Taschenlampe leistete mir dabei einen guten Dienst. Noch vor Tagesanbruch war ich an einer Hauptstraße.
Ein vorbeifahrender Händler nahm mich in seinem Auto mit in die Stadt. Ich sah zu, dass ich schnellstens in mein Hotel kam, packte meine Klamotten zusammen und zahlte meine Rechnung. 20 Minuten später war ich schon am Flughafen. Nach knapp zwei Stunden Flugzeit landete ich auf Mactan International Airport. Von da aus fuhr ich mit dem Taxi in unsere Niederlassung nach Cebu City. Ich erstattete Bericht über meine Entführung. Das philippinische Mädchen, welches mir zur Flucht verholfen hatte, wird stets in meiner Erinnerung bleiben.



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